Wilhelm Busch – Deutsches Museum für Karikatur und Zeichenkunst, Hannover: Vom Kaiserwetter zum Donnergrollen?

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Thomas Theodor Heine, Zur Bekämpfung des Anarchismus, 1901, Foto:  © Wilhelm Busch – Deutsches Museum für Karikatur und Zeichenkunst

Die Gesellschaft und Politik des Deutschen Kaiserreichs im Fokus der Karikaturen des Simplicissimus

Im nächsten Jahr jährt sich der Ausbruch des Ersten Weltkriegs zum 100. Mal. Dies nimmt das Museum Wilhelm Busch in diesem Herbst zum Anlass, mit der Ausstellung "Zwischen Kaiserwetter und Donnergrollen" (20.10.2013–19.01.2014) einen Blick auf die anderthalb Jahrzehnte davor zu werfen. Im Fokus stehen die Zeichnungen der bekanntesten und wichtigsten Karikatur-Zeitschrift im Deutschen Reich, des Simplicissimus. Dessen teils sehr bissige Karikaturen zeichneten hellsichtig und ahnungsvoll ein vielschichtiges Bild ihrer Zeit. Die Zeichnungen stehen im Dialog mit Objekten höfischer Repräsentationskunst, militärischen Gegenständen, Fotografien, Kostümen, Schiffsmodellen, Spielzeug, Bildpostkarten sowie Hör- und Filmdokumenten.

Eduard Thöny, Zuchtwahl, 1902, Foto:  © Wilhelm Busch – Deutsches Museum für Karikatur und ZeichenkunstDer Weg des Deutschen Reiches in den Ersten Weltkrieg war nicht nur geprägt von den Krisen und Spannungen zwischen den europäischen Nationen, dem kolonialen Wettrennen und der militärischen Aufrüstung, sondern gleichzeitig eine Periode des Auf- und Umbruchs innerhalb der deutschen Gesellschaft. Die als »Belle Époque« bekannte Zeit wird verbunden mit Eleganz, kulturellem Aufblühen und Lebensgenuss. Andererseits wurden die Menschen vom exponentiellen Anwachsen der Städte, vom technischen Fortschritt und der damit einhergehenden Beschleunigung sowie von der Produktion von Massengütern und der Veränderung des unmittelbaren Lebensumfeldes verunsichert.

Die Ausstellung, aufgeteilt in die Bereiche "Kaiserwetter" und "Donnergrollen", zeigt diesen Zwiespalt der wilhelminischen Gesellschaft zwischen Status Quo und Aufbruch. Bildlich dokumentiert und kommentiert wurde dieser Widerspruch insbesondere von der seit 1896 erscheinenden Wochenschrift Simplicissimus, an der einige der talentiertesten satirischen Künstler ihrer Zeit mitwirkten: Zu sehen sind Originalzeichnungen unter anderem von Karl Arnold, Olaf Gulbransson, Thomas Theodor Heine, Bruno Paul, Ferdinand von Reznicek, Wilhelm Schulz, Eduard Thöny und Rudolf Wilke.

Die Karikaturen zum Bereich "Kaiserwetter" zeigen das monarchische System und die maritime Begeisterung Kaiser Wilhelms II. sowie die Institutionen und gesellschaftlichen Gruppen, auf die sich die Herrschaft stützen konnte. Vor allem Thöny gelang es, mit seinen unterhaltenden Zeichnungen den Dünkel des Adels, die Arroganz der Offiziere oder das Gebaren der Burschenschaften zu verspotten. Heine riskierte mit seinen kritischen Karikaturen über den Obrigkeitsstaat und die Selbstgefälligkeit des Kaisers mehrfach ein Einschreiten der Polizei. Gleichzeitig wird ein Blick auf die Bohème, das Freizeitvergnügen der verschiedenen Gesellschaftsschichten und die kleineren und größeren Skandale im Reich geboten, immer im Dialog mit zeitgenössischen Objekten.

Der Bereich "Donnergrollen" dagegen unterstreicht mit seinen Karikaturen die gesellschaftlichen Veränderungen und politischen Ereignisse, die die Grundstrukturen des Kaiserreichs immer mehr ins Wanken brachten und an deren Ende der Ausbruch des Ersten Weltkriegs stand: die Industrialisierung, die ein Heer von schlecht bezahlten und kaum versicherten Arbeitern hervorbrachte, die zunehmend ihre Rechte einforderten; technische Neuerungen, die einerseits zum Automobil führten, andererseits zu den Vernichtungswaffen des Ersten Weltkriegs; daneben die Frauenbewegung, die durch die Industrialisierung immensen Aufschwung bekam. Über allem standen aber die politischen Ereignisse und Handlungen auf Seiten der stark national denkenden und agierenden europäischen Staaten, die sich durch das Streben des Deutschen Kaiserreichs nach weltpolitischer Geltung bedroht fühlten. Die Verdichtung der Krisen und Konflikte auf dem Balkan in den letzten Vorkriegsjahren zeigen eine hochexplosive Situation, in der "die Lunte bereits schwelt".

In der Ausstellung werden die zahlreichen Karikaturen aus der Sammlung des Museums Wilhelm Busch durch Leihgaben aus öffentlichen und privaten Sammlungen aus dem ganzen Bundesgebiet ergänzt. So werden noch nie oder lange nicht ausgestellte Arbeiten von Bruno Paul, Thomas Theodor Heine und Eduard Thöny zu sehen sein. An Objekten ragen auch das sechzig Zentimeter lange Silbermodell der kaiserlichen Yacht Hohenzollern und ein Konfektionskleid aus dem direkten Umfeld der kaiserlichen Familie heraus.

Elisabeth Reich


Zur Ausstellung erscheint der Katalog:
Zwischen Kaiserwetter und Donnergrollen
ca. 128 Seiten mit 121 größtenteils farbigen Abbildungen
Preis ca. 19,90 EUR

AsKI KULTUR lebendig 2/2013

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