Stiftung Weimarer Klassik - Goethe- und Schiller-Archiv

Goethe- und Schiller-Archiv, Stiftung Weimarer Klassik, Foto: Sigrid Geske

Das Goethe- und Schiller-Archiv der Stiftung Weimarer Klassik ist das älteste und traditionsreichste deutsche Literaturarchiv.

Gegründet wurde es im Jahre 1885, als der handschriftliche Nachlass Goethes durch testamentarische Verfügung seines letzten Enkels Walther Wolfgang von Goethe in den Besitz der Großherzogin Sophie von Sachsen-Weimar-Eisenach überging. Seit 1889, als Schillers Nachlass nach Weimar kam, trägt das Archiv den Namen "Goethe- und Schiller-Archiv". 1896 errichtete Großherzogin Sophie jenes schlossähnliche Gebäude hoch über der Ilm, in dem sich die Archivbestände heute noch befinden.

Seinem Bestandsprofil nach ist das Goethe- und Schiller-Archiv ein Facharchiv für die deutsche Kultur vor allem des 18. und 19. Jahrhunderts. Zu den wichtigsten Beständen zählen neben den Nachlässen der Namensgeber die von Christoph Martin Wieland und Johann Gottfried Herder, von Johannes Daniel Falk, Achim und Bettine von Arnim, Karl Immermann, Eduard Mörike, Ferdinand Freiligrath, Fritz Reuter, Otto Ludwig, Friedrich Hebbel, Georg Büchner, Gustav Freytag, Malwida von Meysenbug, Ernst von Wildenbruch und Börries von Münchhausen. Die beiden letzten Namen geben zu erkennen, dass einzelne Bestände auch weit ins 20. Jahrhundert hineinreichen. Die Quellensammlungen aus klassischer Zeit werden komplettiert durch die Nachlässe von Goethes Freunden und Mitarbeitern Karl Ludwig von Knebel, Karl Friedrich Zelter, Johann Heinrich Meyer, Christian August Vulpius, Friedrich Wilhelm Riemer und von Goethes Testamentsvollstrecker Kanzler von Müller; zunehmend wichtiger für die Forschung werden Bestände, an denen sich Wechselwirkungen von Real- und Kulturgeschichte studieren lassen: Nachlässe des Weimarer Unternehmers und Verlegers Friedrich Johann Justin Bertuch, des Jenaer Verlegers Frommann, des Zeitschriftenherausgebers Julius Rodenberg und des Verlegers Joseph Kürschner. Zu den meistbenutzten Einzelbeständen zählen die Nachlässe von Franz Liszt und Friedrich Nietzsche.

Diplom von Kaiser Franz II. über Friedrich Schillers Erhebung in den Adelsstand, 1802, Schreiberhand mit eigenhändigen Unterschriften, 8 Blatt Nachlass Schiller 83/596, Goethe- und Schiller-Archiv, Stiftung Weimarer Klassik, Foto: Frau Krynitzki, Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar

Insgesamt verfügt das Archiv heute über 111 persönliche Bestände, 9 Bestände institutioneller Herkunft, darunter das ältere Geschäftsarchiv des Insel Verlags und das Archiv der Deutschen Schillerstiftung, sowie eine umfangreiche Autographensammlung, in der sich Handschriften von etwa 3000 Persönlichkeiten beisammen finden.

Angebranntes Bühnenmanuskriptfragment zur Uraufführung von Friedrich Schillers

Aus seinem Gesamtbestand erwachsen dem Archiv drei Grundaufgaben: 1. die Erhaltung und Ergänzung der Bestände, 2. deren archivarische Erschließung und 3. die Entwicklung und Durchführung eigener wissenschaftlicher Projekte, vor allem historisch-kritischer Editionen, sowie die Förderung und Betreuung wissenschaftlicher Unternehmungen, die eng an die Archivsammlungen gebunden sind.

Es ist im Wesentlichen der historischen Entwicklung der letzten Jahrzehnte zuzuschreiben, wenn die Erwerbungsprinzipien des Goethe- und Schiller-Archivs gegenwärtig vor allem die Ergänzung der vorhandenen Bestände zum Inhalt haben. Während in der Gründungszeit der für ein Archiv im Grunde unerlässliche Konnex zur aktuellen Kulturentwicklung noch vorhanden war, haben später eine Reihe von Faktoren (schmale Finanzen, konservative Gesinnung der Archivare, die Ausbildung einer spezifischen Archivstruktur nach dem 2. Weltkrieg) zu dessen Aufhebung geführt. Zurzeit setzen auch die kargen Erwerbungsmittel einer extensiven Strategie Grenzen. 

Rechnung von Ferdinand Herzog an J.W. Goethe vom 6.9.1829, Goethe- und Schiller-Archiv, Stiftung Weimarer Klassik, Foto: Sigrid Geske

Dennoch ist es in den letzten Jahren gelungen, den klassischen Bestand um wichtige Konvolute und Einzelstücke zu bereichern. Zu nennen sind hier z. B. kostbare Einzelautographen Goethes und Schillers aus der Sammlung Albrecht, Nietzsches Briefe an Gustav Krug, ein Konvolut von Goethe-Handschriften aus Darmstädter Privatbesitz oder, als jüngste Trouvaille, das Album der Marie von Sayn-Wittgenstein. Solche Erwerbungen konnten nur zustande kommen, weil Bund, Freistaat Thüringen und Kulturstiftung der Länder dazu ihren Beitrag geleistet haben. In anderen Fällen, so z. B. bei der Erwerbung einer Folge von Wieland-Briefen, hat man das Engagement privater Sponsoren dankbar in Anspruch nehmen können. Wieder eingefunden hat sich im Archiv eine Kostbarkeit, die als Dauerleihgabe schon einmal in Weimar aufbewahrt worden war: ein Stammbuch Augusts von Goethe, das wertvollste von vieren, das auf abenteuerlichem Wege - die Presse hat darüber berichtet - nach Weimar zurückgelangt ist.

Wenngleich der Gesamtbestand des Archivs inzwischen durch Findhilfsmittel erschlossen ist, so sind doch im Einzelfalle die Findbücher, sofern neue wissenschaftliche Anforderungen entstehen, zu überarbeiten, und besondere Anstrengungen richten sich in solchem Zusammenhang auf den größten und wichtigsten Bestand, den Nachlass Goethes.

Grundriss des Schillerhauses Goethe- und Schiller-Archiv, Stiftung Weimarer Klassik, Foto: Sigrid Geske

Erschienen ist jüngst der erste Band des Goethe-Inventars mit der Verzeichnung und Beschreibung von rund 5000 Gedichthandschriften des Dichters, der sich eine Folge von weiteren 6 Bänden anschließen wird. Die an Goethe gerichteten Briefe werden durch eine Regestausgabe erschlossen, deren Band 6 gerade erschienen ist. Goethes Tagebücher sind Gegenstand einer neuen historisch-kritischen Edition, von der bereits zwei Text- und zwei Kommentarbände vorliegen. Ein Repertorium sämtlicher Goethebriefe, mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft entwickelt, kann im Internet aufgesucht werden - Vorbedingung für eine kommentierte Gesamtausgabe von Goethes Briefen, die zu den wissenschaftlichen Projekten der Stiftung Weimarer Klassik gehört. Goethe-Philologie, so viel lässt sich voraussagen, wird auch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten zu den Hauptaufgaben des Goethe- und Schiller-Archivs zählen.

Abschlusszeugnis Fritz Reuters von der Universität Jena Jena, 16. Februar 1833, Nachlass Fritz Reuter 77/V,1,1,  Goethe- und Schiller-Archiv, Stiftung Weimarer Klassik, Foto: Frau Krynitzki, Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar

Daneben aber widmet sich das Archiv der Weiterführung und dem Abschluss von Editionsprojekten, die auf eine längere Geschichte zurückblicken können: der Heine-Säkularausgabe, der Ausgabe von Herders Briefen und - gemeinsam mit dem Schiller-Nationalmuseum / Deutsches Literaturarchiv Marbach - der Schiller-Nationalausgabe. Durch das Erscheinen von Band 30 ist der Beginn einer neuen Edition angezeigt worden: einer einstmals vierzigbändigen Ausgabe der Werke, Schriften und Briefwechsel Ludwig Achim von Arnims. Zu den Projekten, die intensive archivische Betreuung notwendig machen, zählt nicht zuletzt die Edition der Werke und Briefe von Friedrich Nietzsche. Im Zusammenhang mit dem Sonderforschungsbereich "Ereignis Weimar - Jena: Kultur um 1800" an der Friedrich-Schiller-Universität Jena rücken zahlreiche Archivnachlässe zusehends in das Interesse von Forschern unterschiedlicher Disziplinen.

Konzeptblatt aus Georg Büchners ‘Woyzeck‘, um 1836, eigenhändig, Nachlass Georg Büchner 10/3,1, Goethe- und Schiller-Archiv, Stiftung Weimarer Klassik, Foto: Frau Krynitzki, Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar

Beginnend mit einer Ausstellung zu Ernst von Wildenbruch im Jahre 1995, haben das Archiv bzw. die Stiftung Weimarer Klassik seither seine Schätze auch in einer Folge von Ausstellungen der Öffentlichkeit präsentiert. Die 1999 gemeinsam mit dem Beethovenhaus Bonn entstandene Präsentation "Beethoven und Goethe" ist auch in der Casa di Goethe in Rom zu sehen gewesen - Zeichen einer Kooperation der Mitglieder im AsKI, der für die Zukunft eine produktive Fortsetzung zu wünschen ist.

Dr. Jochen Golz,
Direktor des Goethe- und Schiller-Archivs
Stiftung Weimarer Klassik

 AsKI KULTURBERICHTE 2/2000

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