Staatliche Verantwortung - private Förderung

Die Rahmenbedingungen für Kulturinstitute haben sich stark verändert. Ein breit abgesicherter Konsens über den Stellenwert von Kunst und Kultur in unserer Gesellschaft besteht nicht oder nicht mehr. Die Zeiten, in denen Kultur als unverzichtbarer Bestandteil bürgerlicher Bildung galt und damit den beinahe hunderprozentig öffentlich getragenen Kostenaufwand legitimierte, sind offensichtlich vorbei.

Pessimisten - und unter den Kulturleuten gibt es eine stattliche Anzahl - sehen nun Kultureinrichtungen einem Rentabilitätsanspruch unterworfen, der, wie sie sagen, die schöpferische Freiheit der Kunst und die Unabhängigkeit der Institute gefährdet. Sie befürchten, daß gleichsam ein kultureller Darwinismus entsteht, der nur die dem Markt am besten angepaßten Institute überleben läßt.

Ein solches Menetekel gibt die politische Wirklichkeit nicht angemessen, sondern einseitig wieder. Allerdings, ein Faktum ist nicht zu leugnen: Die Einstellung zur Kultur, das Denken über Kunst, ihre Präsentation und Vermittlung, bis hin zur „Verpackung", hat sich gravierend geändert. Es ist festzustellen, daß die sog. Eventkultur (man denke an das Beispiel mit den 3 Tenören) das Interesse auf populistische oder circensische Momente lenkt und als Wert an sich deklariert; die Eventkultur stellt sich also vorrangig in außerkulturelle Zusammenhänge der Freizeitwirtschaft oder der sog. Umwegrentabilität. Dieser durch die Massenmedien übermäßig - also in der falschen Relation - ins öffentliche Bewußtsein gehobenen Talmikultur geht es mehr um das „Wie" als um das „Was". Was wir jedoch brauchen, ist ein festes Fundament, eine gesicherte Infrastruktur des Kulturlebens, in der kontinuierliche künstlerisch-kreative, wissenschaftlich-forschende und bildungsbezogene Prozesse stattfinden können, die auch die Kulturfähigkeit der nächsten, der jungen Generation fördern. Wir brauchen eine in kulturellen Fragen urteilsfähige Gesellschaft, denn nur dann kann Kultur jenen geistigen Boden darstellen, der - nach Richard von Weizsäcker - unsere eigentliche innere Überlebensfähigkeit sichert.

Dieser dem gängigen shareholder value-Denken entzogene Raum muß weiterhin als grundlegende Aufgabe staatlicher Verantwortung, also als „bonum commune" gesehen wer-den. Sie kann und sollte ergänzt werden durch privates Engagement. Dieses sollte aber nicht das für wenige Augenblicke hochgerissene Ereignis stützen, wie man es z.B. mit dem fehlgeschlagenen Experiment in Baden-Baden versucht hat, sondern das Fundament sichern helfen, auf dem dann das Außerordentliche, also sich über die Routine erhebende, gedeiht und sich normalerweise auch selbst trägt. Darüber hinaus steigt in einer durch die Medien total entzauberten Welt bei immer mehr Menschen das Bedürfnis nach Geheimnisvollem, auch nach dem „Zauberton der Musik", zumindest aber nach der Überwindung des Banalen. Diese Sicherung des Fundaments in Kultur, Wissenschaft und Bildung ist vorrangige Aufgabe nicht nur der Kultur, sondern einer verantwortungsvollen Gesellschaftspolitik. Kunst, schöpferische und interpretatorische, muß ermöglicht werden, das Wissen über Kunst muß durch Forschung weiterentwickelt werden, und Bildung muß den wichtigen Weitergabeprozeß an die jeweils nächste Generation leisten.

Auszug einer Ansprache im Beethovenhaus, Bonn, gehalten im September 1998

Prof. Dr. Andreas Eckhardt
Direktor des Beethoven-Hauses, Bonn

 

AsKI KULTURBERICHTE 1/1999

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