Plädoyer für ein kulturpolitisches Konzept

Barthold C. Witte, Foto. privat Nach weniger als zwei Jahren Tätigkeit ausgeschieden, kann Michael Naumann, für die Kultur zuständiger Staatsminister beim Bundeskanzler, eine positive Bilanz ziehen.

Im Zusammenwirken mit den kulturpolitisch engagierten Bundestagsabgeordneten, so gering auch ihre Zahl ist, und nicht zuletzt durch seine Medienpräsenz ist es ihm gelungen, den Bund als einen selbständigen Akteur im kulturpolitischen Feld fest zu etablieren. Er hat die für Kulturförderung im Bundeshaushalt eingesetzten Gelder nicht nur halten, sondern zeitweise sogar erhöhen können. Das kam vor allem der Kulturszene der Bundeshauptstadt Berlin zugute. Zugleich wurden unter seiner kräftigen Mitwirkung die gesetzlichen und administrativen Bedingungen für private Kulturförderung spürbar verbessert; Sponsoring-Erlass und vor allem Stiftungssteuerrecht sind hier die Stichworte. Und nicht zuletzt hat Minister Naumann auf der Brüsseler Bühne deutliche Akzente gesetzt, besonders in seinem Kampf um die deutsche Buchpreisbindung.

Das lässt für die Zukunft hoffen. Auch etliche Mitglieder des AsKI können erleichtert aufatmen, sei es, weil ihnen drohende Kürzungen des Bundeszuschusses rückgängig gemacht werden konnten (zum Beispiel: Germanisches Nationalmuseum), sei es, weil in Berlin zwischen Bundesregierung und Senat eine vernünftige Arbeitsteilung vereinbart wurde. Auch die notwendige Neuordnung der Kulturförderung nach dem Bundesvertriebenengesetz (§ 96) scheint nach anfänglichen scharfen Kontroversen auf akzeptablem Weg, weshalb unser Mitglied Ostdeutsche Galerie Regensburg nun wieder hoffnungsvoll in die Zukunft blicken kann. Auch darf nicht unerwähnt bleiben, dass die Erneuerung oder Erweiterung von Museumsgebäuden etlicher AsKI-Mitglieder trotz der Haushaltsenge durch den Bund kräftig unterstützt wurde und wird, so des Wilhelm-Busch-Museums Hannover, der Kunsthalle Emden und des Marbacher Literaturarchivs.

Dafür gilt Michael Naumann und seinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen unser herzlicher Dank. Lebte Sieghardt von Köckritz noch, der eigentliche Architekt der Bundes-Kulturpolitik und mein Vorgänger im AsKI-Vorsitz, er wäre gewiss erfreut. Doch können und dürfen wir und darf vor allem der neue Staatsminister, Julian Nida-Rümelin, noch nicht zufrieden sein. Nicht nur gibt es, auch im Bereich des AsKI, nach wie vor nicht völlig gelöste Einzelprobleme, so die Neuordnung der Förderung der Kasseler "Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal" mit ihrem schönen, in Deutschland einzigartigen Sepulkralmuseum und die künftige Arbeit des Fritz-Bauer-Instituts in Frankfurt/Main. Es stellt sich darüber hinaus vor allem die Frage, wie denn - nach der pragmatischen Lösung der aktuell drängenden Einzelprobleme - die notwendige Konzeption einer zukunftsorientierten Kulturpolitik für Deutschland und Europa aussehen kann und soll. Eine solche Konzeption, mit langfristigen Zielen und mittelfristigen Programmen, ist nötig, ja überfällig. Denn die öffentlichen Mittel werden auf allen Ebenen knapp bleiben. Will die Kultur im scharfen Verteilungskampf gut abschneiden oder zumindest ordentlich bestehen, dann geht das nur mit einem solchen, Politik und Öffentlichkeit überzeugenden Konzept.

Aber wie dahin kommen? Direkte und indirekte Kulturförderung ist nach unserer Verfassung und Tradition nur zum geringen Teil Bundessache. Hauptakteure sind die Länder und die Kommunen. Also müssen sich alle drei Ebenen der öffentlichen Hand zusammenfinden und ein gemeinsames Konzept zustande bringen. Das ist schwierig genug. Die Aufgabe wird noch schwieriger, wenn bedacht wird, dass jedes Strategiepapier für die Kultur Makulatur bleibt, wenn es nicht von der Kulturszene selbst, ihren Verbänden und Institutionen, mit entwickelt wurde und getragen wird. Und doch muss sie angepackt werden.

Ich plädiere deshalb dafür, dass die nächsten beiden Jahre genutzt werden, um diese wahre Herkulesarbeit zu schaffen. Da sind nutzlose Polemiken, wie sie neulich wieder wegen der Naumann'schen Geringachtung des Kulturföderalismus geführt wurden, wahrlich nicht hilfreich. Vielmehr ist es erst einmal nötig, an die Stelle der gegenwärtig herrschenden kulturpolitischen Sprachlosigkeit zwischen Bund, Ländern und Gemeinden und bloßer Polemiken ein offenes Gespräch zu setzen. Hier ist besonders die Kultusministerkonferenz (KMK) gefordert. Sie muss der Kultur in ihren Beratungen, anders als bisher, die nötige Bedeutung zukommen lassen, und sie muss zugleich den Bund wie die Kommunen als Gesprächspartner akzeptieren. An beidem fehlt es bisher. Ist es zu viel gehofft, die KMK werde sogar die Initiative für das gemeinsame kulturpolitische Konzept ergreifen? Haben die drei Ebenen der öffentlichen Hand endlich zueinander gefunden, dann werden sie das ebenso offene Gespräch mit der Kulturszene zu führen haben. Dass dabei die europäische Kulturpolitik ebenso wenig ausgespart werden darf wie überhaupt die auswärtige Kulturpolitik, sollte selbstverständlich sein. Für diese gibt es zwar ein "Konzept 2000", aber bisher überhaupt keine Chance, aus der Phase der Kürzungen und Schließungen endlich wieder in eine Wachstumsphase zu gelangen. Da ist natürlich vor allem Außenminister Fischer gefordert.

Woher kann bei so komplizierten Verhältnissen der Entwurf eines gemeinsamen Konzepts kommen? Eins ist gewiss: nicht aus bürokratischen Kommissionen. Sondern man vertraue diese Aufgabe einigen - wenigen! - unabhängigen Persönlichkeiten an, die dafür auch die nötige Zeit aufwenden können, die also selbst tätig werden, und nicht etwa durch Assistenten oder Referenten. Es gibt sie. Je besser ihr Entwurf ausfällt, desto leichter wird er seinen Weg durch die Instanzen, am Ende durch die Parlamente finden.

Dr. Dr.h.c. Barthold C. Witte
Vorsitzender des AsKI

 AsKI KULTURBERICHTE 2/2000

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