Neues Mitglied im AsKI: Bach-Archiv Leipzig

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Carl Seffner, Denkmal Johann Sebastian Bachs vor der Thomaskirche in Leipzig, Foto: Franz Fechner, Bonn

Forschungsinstitut - Bibliothek - Museum - Veranstaltungen

Das Bach-Archiv Leipzig besitzt ein vielfältiges und umfangreiches Aufgabenspektrum.
Als Archiv sammelt, bewahrt und verzeichnet es mit dem Ziel der Vollständigkeit das musikalische, dokumentarische und literarische Material zu Johann Sebastian Bach, seiner Familie und deren Umkreis.

An eine breite Öffentlichkeit wendet es sich mit dem Museum und als Veranstalter des Leipziger Bachfestes, des Internationalen Bach-Wettbewerbs und einer wöchentlich stattfindenden Kammerkonzertreihe. Unter seinem Dach vereint es einzigartige Quellenbestände, eine hochspezialisierte Forschungseinrichtung, eine einzigartige Bibliothek. In dieser komplexen Funktion, eigentlich Multifunktion, ist das Bach-Archiv Leipzig weltweit ohne Parallele; in seinem Bestreben, die Stadt Leipzig als zentralen Ort der Bach-Forschung und -Pflege weiter auszubauen, vernetzt es Institutionen und Kooperationspartner auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene.

Zur Geschichte
Im Juli 1950 fanden in Leipzig im Rahmen der so genannten Deutschen Bach-Feier neben zahlreichen Konzerten eine Wissenschaftliche Konferenz, ein Wettbewerb sowie eine hochkarätige museale Ausstellung "Bach in seiner Zeit" statt. Initiator der Ausstellung war der Musikwissenschaftler Werner Neumann (1905-1991). Im Anschluss an die Feierlichkeiten und getragen von deren Impetus wurde von ihm - mit Unterstützung der Stadt Leipzig - im November 1950 das Bach-Archiv Leipzig gegründet. Untergebracht war das Archiv ab Mai 1951 im 1755/56 erbauten "Gohliser Schlößchen" in der Menckestraße 23. 1985 zog die inzwischen beträchtlich angewachsene Einrichtung mit ihren Quellenbeständen und Sammlungen anlässlich der Feierlichkeiten zu Bachs 300. Geburtstag in ein besonders schönes altes Wohnhaus in die Innenstadt Leipzigs um: in das nach seiner Rekonstruktion 1983 bis 1985 so genannte Bosehaus auf der Südseite des Thomaskirchhofs. Das Gebäude ist im Jahr 1586 errichtet worden, wie eine Jahreszahl am Ostgiebel belegt.

Eingangshalle des Johann-Sebastian-Bach-Museum, Leipzig, Foto: Bach-Archiv LeipzigDieser Bau bildet heute den Kern des Hauses. Auch die schöne großzügige und einladende Eingangshalle mit ihren Kreuzgewölben und Säulen stammt aus der Zeit der Renaissance, während die unbequeme Treppenspindel jener Zeit schon bei der umfassenden Umgestaltung im 18. Jahrhundert durch ein steinernes Treppenhaus ersetzt wurde. Im Hintergebäude entstand damals ein mit Spiegeln, Stuckverzierungen und einem ovalen Deckengemälde geschmückter Festsaal ("Sommersaal"), der bis ins Dachgeschoss hineinreicht. Der Umzug des Bach-Archivs in dieses großbürgerliche Anwesen vis-a-vis zur (leider heute nicht mehr existierenden) ehemaligen Wohnung und Arbeitsstätte Johann Sebastian Bachs (in der 1902 abgerissenen Thomasschule) ist bedeutungsvoll, bestanden doch nachgewiesenermaßen freundschaftliche Beziehungen zu den Besitzern des Hauses, der Kaufmannsfamilie Bose. Die wechselvolle Geschichte des Bach-Archivs Leipzig ausführlich darzustellen, ist hier nicht der Ort.

Nur so viel: Von 1979 bis zur deutschen Einheit war die Einrichtung den "Nationalen Forschungs- und Gedenkstätten Johann Sebastian Bach der DDR" administrativ als mehr oder weniger unliebsames Anhängsel zugeordnet; die Rückkehr zur ursprünglichen Zielsetzung des Instituts und die Rückbenennung in Bach-Archiv Leipzig erfolgte schließlich 1992. Als Ergebnis dieser Entwicklungen wird das Bach-Archiv seit 1991 aus Mitteln des Bundes, des Freistaates Sachsen sowie der Stadt Leipzig institutionell gefördert. Seit dem 1. Januar 1998 ist die vormalige Einrichtung der Stadt Leipzig eine Stiftung bürgerlichen Rechts.

Eingabe an den Rat der Stadt Leipzig, 1730, Bach-Archiv Leipzig, Foto: Bach-Archiv, LeipzigForschungsinstitut
In der Abteilung Forschung sind zahlreiche wissenschaftliche Einzelprojekte zu Johann Sebastian Bach und seiner Familie angesiedelt (Biographie, Quellenforschung, Schaffen, Umfeld, Aufführungspraxis, Wirkungsgeschichte). Zunehmend widmet sich die Forschung auch den Bach-Söhnen. Zu den langfristigen editorischen Projekten gehören die "Bach Dokumente", die "Faksimile-Reihe Bachscher Werke und Schriftstücke", die "Leipziger Beiträge zur Bach-Forschung", das "Bach-Jahrbuch", die "Neue Bach-Ausgabe" (gemeinsam mit dem Johann-Sebastian-Bach-Institut), das bis heute vier Bände umfassende "Bach Compendium" (mit Unterstützung der Harvard University), das "Bach Repertorium" (gemeinsam mit der Sächsischen Akademie der Wissenschaften und dem Packard Humanities Institute) sowie die Gesamtausgabe der Werke von Wilhelm Friedemann und Carl Philipp Emanuel Bach (mit Unterstützung des Packard Humanities Institute).

Abgesehen von Publikationen und Editionen zählt zu den Aufgaben des Instituts auch die Vermittlung der Forschungsergebnisse an Wissenschaft und Praxis in Form von Vorträgen, universitären Veranstaltungen, Seminaren und Konferenzen. Gerade auch für derartige Veranstaltungen besteht im Selbstverständnis der Leipziger Bevölkerung ein auffallend reges öffentliches Interesse, wie der außerordentlich hohe Zuspruch von Zuhörern anlässlich der dreitägigen wissenschaftlichen Konferenz "Bach in Leipzig - Bach und Leipzig" zeigte, die im Januar 2000 das Bach-Jahr eröffnete und dabei die Elite der internationalen Bach-Forscher vereinte. (Die Referate werden in Band 5 der Reihe "Leipziger Beiträge zur Bach-Forschung" veröffentlicht.)

Johann Sebastian Bach - Kantate BWV 14  Bibliothek
Die Präsenzbibliothek des Bach-Archivs Leipzig ist die weltweit bedeutendste Spezialbibliothek zum Thema Bach. Sie umfasst nach der Staatsbibliothek Berlin, Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die zweitgrößte Sammlung Bachscher Originalquellen sowie zahlreiche weitere Bachiana in Handschriften und Drucken des 18. und 19. Jahrhunderts. Zu diesem Schatz gehören etwa neunhundert Handschriften und Autographe. Zu den unschätzbaren Kostbarkeiten zählt die Thomana-Sammlung, originale Stimmensätze des so genannten Choralkantaten-Jahrgangs Johann Sebastian Bachs, die nach Bachs Tod über seine Witwe Anna Magdalena an die Thomasschule gelangten und heute vom Bach-Archiv Leipzig verwahrt und für wissenschaftliche Zwecke genutzt werden. Zu den wertvollsten Beständen gehören auch das Autograph der Violinsonate G-Dur, BWV 1021 (eine Faksimile-Ausgabe ist in Vorbereitung) und Bachs oft zitierte Eingabe an den Rat der Stadt Leipzig von 1730 (Kurtzer, iedoch höchstnöthiger Entwurff einer wohlbestallten Kirchen-Music; nebst einigem unvorgreiflichen Bedencken von dem Verfall derselben).

Von einzigartiger Bedeutung ist die auf die besonderen Bedürfnisse der Bach-Forschung ausgerichtete umfangreiche Sammlung von Musikliteratur und Musikdrucken, Fachliteratur und Musikalien, Quellen-Photokopien und -Mikroformen, Tonträgern und Grafiken. Zu den Aufgaben der Bibliothek gehören die katalogmäßige Aufarbeitung des Bach-Schrifttums und die Führung verschiedener Spezialkarteien. Ein längerfristiges, bereits begonnenes Vorhaben ist die schrittweise Digitalisierung des Hauptkatalogs.

Museum
Das Johann-Sebastian-Bach-Museum ist das Schaufenster des Bach-Archivs Leipzig. Weit über zwanzigtausend Besucher lockt es jährlich an. Nach einer umfassenden Renovierung und Erweiterung zum Bach-Jahr 2000 wird in nunmehr fünf Räumen eine neugestaltete Dauerausstellung zum Thema Bach in Leipzig präsentiert. Dank verbesserter Klima- und Sicherheitstechnik ist es nun möglich, für eine begrenzte Zeit regelmäßig auch Kostbarkeiten aus der Schatzkammer des Archivs auszustellen. Gezeigt werden neben wertvollen Dokumenten, Bildnissen und Musikalien auch historische Instrumente der Bach-Zeit. Ein Vortragsraum bietet Gelegenheit für museumspädagogische Begleitprogramme und ermöglicht audiovisuelle Vorführungen zu Leben und Werk Bachs. Bereichert wird die Dauerausstellung jährlich um drei bis vier Kabinettausstellungen. Sie vermitteln durch ansprechende, aktuelle Thematik und Gestaltung neueste Erkenntnisse der Forschung und schaffen sinnfällige Querverbindungen zur Regional-, Kultur-, Religions-, Literatur- und Kunstgeschichte.

Johann-Sebastian-Bach-Museum, Dauerausstellung Bach und Leipzig, Foto: Bach-Archiv Leipzig

Jüngstes Projekt ist die Kabinettausstellung "Johann Sebastian Bachs Frau Liebste. Anna Magdalena Bach zum 300. Geburtstag", die vom 12. September 2001 bis zum 13. Januar 2002 gezeigt wird. Mittelpunkt der Ausstellung ist der Lebensweg einer bemerkenswerten Frau: Anna Magdalena Bach geb. Wilcke (22.9.1701-27.2.1760). Als Künstlerin, Gattin, Mutter einer Großfamilie und Kopistin der Werke ihres Mannes stand Anna Magdalena jahrzehntelang im Brennpunkt des Lebens Johann Sebastian Bachs. Die Ausstellung präsentiert der Öffentlichkeit erstmals teilweise noch nie gezeigte Dokumente.

Veranstaltungen
Die Abteilung Veranstaltungen realisiert die seit 1999 alljährlich zu Himmelfahrt stattfindenden Leipziger Bachfeste. Der Gedanke, ein Fest zu Ehren Bachs auch außerhalb der großen Jubiläen zu installieren, war in der Bach-Hauptstadt nicht neu. Die Tradition der Bachfeste in Leipzig fußt im Wesentlichen auf zwei Entwicklungslinien. Einerseits veranstaltet die Neue Bachgesellschaft ihre innerhalb Deutschlands wandernden Bachfeste seit 1904 etwa alle vier Jahre in Leipzig. Andererseits versuchte die Stadt Leipzig selbst, ein jährliches Bachfest auszurichten. Anlass für das erste städtische Bachfest war die Einweihung des Bach-Denkmals von Carl Seffner auf dem Thomaskirchhof im Jahre 1908. Unter verschiedenen Titeln und in unregelmäßigen Abständen fanden diese Feste unter der künstlerischen Leitung des Thomaskantors bis in die sechziger Jahre statt. Mit dem Bachfest von 1999, dessen künstlerische Leitung Thomaskantor Georg Christoph Biller übernahm, hat die Kommune in Zusammenarbeit mit verschiedenen Kulturinstituten ein Bekenntnis zu Leipzigs größtem Musiker Johann Sebastian Bach in die Tat umgesetzt. Nach dem Jubeljahr 2000 und dem ebenfalls sehr erfolgreichen Bachfest Leipzig 2001 steht das vierte Festival vom 3. bis 12. Mai 2002 unter dem Thema "Bach und die französische Musik" auf dem Programm.

Bach-Archiv Leipzig, Thomaskirchhof 16, Innenhof, Foto: Bach-Archiv LeipzigAlle zwei Jahre gesellt sich der Internationale Johann-Sebastian-Bach-Wettbewerb dazu. Gegründet 1950 und in zunächst vierjährigem Turnus veranstaltet, gehört dieser zu den anspruchvollsten Wettbewerben und ist mit seinem spezifischen Profil einzigartig in der Welt. Unter Leitung seines Präsidenten Robert Levin (Harvard University) werden bewusst historische Instrumente und eine entsprechende Aufführungspraxis einbezogen. Der XIII. Bach-Wettbewerb findet vom 25. Juni bis 6. Juli 2002 in den Fächern Gesang, Violine und Klavier statt.
Über diese in größeren Abständen stattfindenden Ereignisse hinaus veranstaltet das Bach-Archiv ganzjährig Kammerkonzerte im historischen Sommersaal des Bosehauses. Jeden Mittwochabend erklingt in dem sechzig Personen fassenden Saal Kammermusik vom Frühbarock bis zur Moderne, dargeboten von Bachpreisträgern sowie nationalen und internationalen Künstlern und Ensembles.

AsKI KULTURBERICHTE 2/2001

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