Museum für Kommunikation Nürnberg: New Realities - Wie bildet uns Künstliche Intelligenz ab?

Foto: © KI-generiert; Idee/Prompt/ Bearbeitung: Maren Burghard für das MKN

Wie bildet uns Künstliche Intelligenz ab?

Das Museum für Kommunikation Nürnberg lädt seine Gäste ein, gemeinsam in die Ferne zu reisen: Kommen Sie mit in die Weiten der schneebedeckten Arktis und in die Tiefen des Regenwalds. Lassen Sie sich aber nicht täuschen: Sie sehen keine Fotografien von existierenden Orten oder realen Personen.

| KI als Spiegel der Realität

In der Sonderausstellung „New Realities. Wie Künstliche Intelligenz uns abbildet" zeigt das Haus noch bis zum 21.1.2024 faszinierende Bilderwelten, welche von der Kommunikationswissenschaftlerin und Digitalkuratorin Maren Burghard mit Hilfe einer Künstlichen Intelligenz generiert wurden. In drei Bilderserien können Gäste das Grandhotel Le Marenki, die Arktis und den Regenwald durch fotografische Reihen kennenlernen. Die Motive erwecken den Eindruck von Vertrautheit und Authentizität, erscheinen die Orte und Situationen doch real. Dabei stehen die Serien nicht für sich: Einzelne Bilder oder Bildelemente finden sich an anderer Stelle wieder und verstärken das Gefühl des Bekannten. Es werden Geschichten erzählt, die vielschichtig ineinander verwoben und durch eine durchgehende Bildästhetik verbunden sind. Das Gesehene wirkt durch das Aufgreifen von narrativen Mustern und verschiedenen Deutungsangeboten real und greifbar, obwohl es digital generiert wurde.

Irritationen ergeben sich bei der Betrachtung von Details wie technischen Geräten, von Alltagsgegenständen oder Möbelstücken, da deren Funktionsweisen und Nutzung oftmals nicht ersichtlich sind. Andere Fotografien thematisieren scheinbar den Entstehungsprozess der
Bilderserien und werfen neue Fragen auf: Handelt es sich doch um real entstandene fotografische Arbeiten?

Wichtig in diesem Zusammenhang ist die Medienkompetenz der Nutzenden, betont Museumsdirektorin Dr. Annabelle Hornung: „Ähnlich wie die Digitalisierung wird KI die Museumsarbeit stark verändern und beeinflussen. Mehr denn je wird Medienkompetenz bei unseren Mitarbeitenden und Gästen gefragt sein, um die kreativen Potentiale adäquat auszuschöpfen."

Foto: © KI-generiert; Idee/Prompt/ Bearbeitung: Maren Burghard für das MKN

| Von der Idee zum Bild: Wie entstehen KI-Bilder?

Durch textbasierte Befehle, den sogenannten „Prompts", hat Maren Burghard der Künst­lichen Intelligenz „Midjourney" gezielte
Anweisungen für die Erstellung der Bilder gegeben. Die KI wertet die Textbefehle aus, analysiert die Schlagworte und erstellt auf Grundlage der Daten einen Bildvorschlag. Das Neuartige daran ist, dass die KI Sprache und Bild zusammenbringt und miteinander vergleicht, um scheinbar Neues zu erschaffen. Dabei greift die KI auf einen Zeichenvorrat zurück, der ihr auf Grundlage der digitalisierten Datensätze – Bild und begleitender Text – antrainiert wurde. Mit den vorhandenen Daten und dem entsprechenden Befehl können alte Meister, Stilepochen oder – wie in unserem Fall – auch Kameraeinstellungen nachgeahmt werden.

Kuratorin Burghard beschreibt KI als Werkzeug, welches „[...] uns inspiriert und Gestaltungsprozesse unterstützt. Aber ihre Fähigkeit zu echter Kreativität auf einer übergeordneten Ebene ist begrenzt. Denn die KI präsentiert uns Ergebnisse, die auf der größtmöglichen statistischen Erwartbarkeit beruhen."

| Einschätzungen und Meinungen: Kann eine KI kreativ sein?

Forschung, Berichterstattung und Diskussion zu Künstlicher Intelligenz befinden sich in ständiger Bewegung. Um dieser Meinungs- und Forschungsvielfalt Raum zu geben, hat die Museumsvolontärin und Co-Kuratorin Stephanie Müller parallel zur Ausstellungsvorbereitung Expertinnen und Experten aus unterschiedlichen Arbeits- und Forschungsfeldern zu ihrer Sicht auf die schöpferischen Potentiale, die möglichen Risiken von KI sowie ihre individuellen Einschätzungen befragt. Besonders die Frage nach der Gestaltungskraft mithilfe der neuen digitalen Möglich­keiten und deren Potential als Inspirationsquelle brachte ein differenziertes Meinungsbild hervor.

Sie vergleicht sie mit „[...] Hammer und Meißel [...], mit denen Michelangelo seinen David schuf – beide waren sicher nicht die Inspiration für den Meister, aber ohne sie wäre der David im Marmorblock verblieben. Daher gilt: Kreativ bleibt der kunstschaffende Mensch, KI sein Werkzeug." ChatGPT, Midjourney und andere Programme werden von den Forschenden als Unterstützung und Inspiration für menschliche Kreativität beschrieben, nicht aber als ein eigenständiges und schöpferisches System. So obliegt weiterhin dem Menschen das Hervorbringen von neuen Ideen und Lösungswegen.

Aus Sicht der Soziologin Prof. Dr. Sabine Pfeiffer „[...] lässt sich die KI [...] von Inhalten [‚inspirieren'], die Menschen vorher generiert haben. Inspirieren ist das falsche Wort, die KI ist selbst nicht kreativ, sondern letztlich Statistik." Statistiken oder Algorithmen lassen sich in der Regel keine menschlichen Eigenschaften wie kreativ oder inspirierend zuschreiben. Aus diesem Grund passen aus Sicht des Medienwissenschaftlers Dr. Peter Podrez weder Inspiration noch Kreativität zu Künstlichen Intelligenzen, sofern man das kulturhistorische Verständnis dieser Begrifflichkeiten berücksichtigt. „Aber es lässt sich über das Konzept einer ‚digitalen Kreativität' nachdenken, mitsamt ihrer Funktionslogiken, Ähnlichkeiten und Unterschieden zu anderen Formen der Kreativität."

Foto: © KI-generiert; Idee/Prompt/ Bearbeitung: Maren Burghard für das MKN

Aus wissenschaftlicher Sicht lässt sich bei der Bewertung der Frage nach der Kreativität von Künstlichen Intelligenzen eine Tendenz ablesen: Eine KI ist zum aktuellen Zeitpunkt eher als unterstützendes Werkzeug, denn als Konkurrenz für schöpferische Prozesse ideenreicher Menschen zu betrachten.

Was aber bewegt die Besuchenden rund um das Ausstellungsthema? Die Gäste können im Ausstellungsraum Fragen zur Kreativität, ihren Bedenken und den Zukunftsaussichten in Zusammenhang mit Künstlichen Intelligenzen beantworten und zum Austausch an ein interaktives Schlüsselbrett hängen. Besonders die Frage „Wie kreativ sind KIs?" scheint viele Menschen zu einer Äußerung zu motivieren. Da der Schaffensprozess noch immer vom Menschen ausgeht und dieser die Bildideen in seinen Prompts verschriftlichen muss, liegt für einige Gäste das schöpferische Potential allein beim eingebenden bzw. programmierenden Individuum. Vor allem aber wird die selbstständige Schaffenskraft der KI in Frage gestellt und der innovative Prozess dem Menschen zugeschrieben. So schreibt ein Gast: „Meiner Meinung nach ist KI nicht kreativ, da sie auf schriftliche Anweisungen von kreativen Menschen reagiert und mit Hinblick auf bekannte Daten umsetzt." Eine weitere Antwort spricht der KI jegliche Kreativität ab: „Ein Algorithmus ist nicht kreativ!"

Die Frage nach den Potentialen von KI bleibt also weiterhin spannend, denn die Technologien entwickeln sich ständig weiter. Die Ausstellung, die begleitenden Materialien und die Veranstaltungen laden Besuchende und andere Interessierte ein, ihren Blick auf die „New Realities" zu schärfen und sich eine eigene Meinung über das Verhältnis von menschlicher und künstlicher Intelligenz zu bilden.

Stephanie Müller,
Co-Kuratorin der Ausstellung und wissenschaftliche Volontärin im
Museum für Kommunikation Nürnberg

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Museum für Kommunikation Nürnberg
New Realities: Wie Künstliche Intelligenz uns abbildet?
noch bis 21. Januar 2024
www.mfk-nuernberg.de/newrealities

AsKI kultur leben 2/2023

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