Kunstforum Ostdeutsche Galerie, Regensburg: We love Picasso

Willi Sitte, Pferd mit Schlange /Studie zu Lidice), 1957, Galerie Schwind GmbH, Leipzig, © VG Bild-Kunst, Bonn 2023

Engagement für Kultur

Die Ausstellung „We love Picasso" im Kunstforum Ostdeutsche Galerie Regensburg beleuchtet die Rezeption von Picassos künstlerischem Schaffen in der mittel- und osteuropäischen Kunstszene. Sie folgt den Spuren des Künstlers insbesondere im heutigen Polen und Tschechien sowie in weiteren Ländern im östlichen Europa. Zu sehen sind Werke ausgewählter Künstlerinnen und Künstler, die sich mit Picassos Kunst auseinandergesetzt haben.

Bereits als 30-jähriger erlangte Pablo Picasso (Malaga 1881 – 1973 Mougins) internationale Anerkennung und Bekanntheit. Der von ihm und Georges Braque entwickelte Kubismus wurde zum Inbegriff moderner Kunst. Aber auch in seinen späteren Schaffensphasen war Picasso für Gleichaltrige sowie die jüngere Künstlergeneration Impulsgeber und Vorbild. Die Ausstellung „We love Picasso" im Kunstforum Ostdeutsche Galerie Regensburg beleuchtet die Rezeption von Picassos künstlerischem Schaffen in der mittel- und osteuropäischen Kunstszene. Sie folgt den Spuren des Künstlers insbesondere im heutigen Polen und Tschechien sowie in weiteren Ländern im östlichen Europa. Zu sehen sind Werke ausgewählter Künstlerinnen und Künstler, die sich mit Picassos Kunst auseinandergesetzt haben. „Picasso lehne ich ganz ab – er ist mir zu krankhaft – natürlich ist er ein ganz grosser Maler, aber ein zersetzender Teufel," schrieb die Künstlerin Erika Streit am 20.6.1937 in ihr Tagebuch. (Erika Streit, Ein Malerleben zwischen Dresden, Prag, Paris und Zürich, 2006). Doch schon wenige Jahre später zeigen ihre Keramiken, Grafiken sowie Gemälde stilistische sowie motivische Bezüge auf Picasso. Anlehnungen an Picassos Stil, seine Themen und Motive finden sich ähnlich wie bei Erika Streit bei weiteren Künstlerinnen und Künstlern. Manche näherten sich dem großen Vorbild vereinzelt in ihren Anfängen. Andere haben sich im Spätwerk von einer breiten „picassoartigen" Strömung mitreißen lassen oder sich bewusst an seiner Figurensprache orientiert. Viele inspirierte Picasso, eigenständige, individuelle Positionen zu entwickeln. Wann und wo Begegnungen mit Picassos Werken bzw. mit dem Künstler persönlich stattfanden, aber auch wie über seine Kunst geschrieben wurde, sind ein wichtiger Schlüssel, um seinen Einfluss zu erfassen.

Erika Streit, Frau mit Spiegel und Narzissen, nach 1945 (?), Kunstforum Ostdeutsche Galerie Regensburg, © Erika Streit-Stiftung, Kirchberg ZH, Schweiz

Das Interesse tschechischer Künstlerinnen und Künstler weckte Pablo Picasso früh. Emil Filla hatte ihn bereits 1907 in Paris getroffen, also im Entstehungsjahr der Ikone des Kubismus, des Gemäldes „Les Demoiselles d'Avignon". In Picassos und Braques Kubismus sah Filla den Inbegriff moderner Kunst – den beiden Vorbildern blieb er zeitlebens verbunden. In den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg reisten auch weitere Vertreterinnen und Vertreter der tschechischen Kunstszene nach Paris, darunter Bohumil Kubišta oder Josef Čapek. Beide haben sich sowohl in ihrer Kunst als auch theoretisch mit Picassos Werk beschäftigt. 1912 war das erste Mal ein Original von Pablo Picasso in Prag zu sehen. Gezeigt wurde es in der Ausstellung der Künstlervereinigung „Gruppe der bildenden Künstler"– ein Verdienst des Kunsthistorikers Vincenc Kramář. Kramář gehörte zu den ersten Picasso-Sammlern überhaupt. Bereits ab 1910 hat er, zunächst privat, Picasso angekauft und in einer kleinen, aber erlesenen Sammlung vereint. Er trug wesentlich dazu bei, dass Picassos kubistisches Frühwerk sowie die Arbeiten von George Braque im tschechischen Milieu bekannt wurden. Zugleich war Kramář ein großer Unterstützer der tschechischen Kubisten. Mit dem „tschechischen Kubismus" entwickelte sich eine breite Bewegung, die sämtliche Bereiche des alltäglichen Lebens zu umfasste von der Malerei, Grafik und Bildhauerei bis zur Architektur und angewandten Kunst.

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges bekam die Kunstszene in der 1918 gegründeten Tschechoslowakei frischen Auftrieb. Als neu berufener Direktor der Vorgängerinstitution der heutigen Nationalgalerie in Prag gehörte Vincenc Kramář weiterhin zu den prägenden Persönlichkeiten. Mit seinem Werk „Kubismus" von 2021 lieferte er auch eine wichtige theoretische Plattform. Entstanden ist das Buch in Reaktion auf Daniel-Henry Kahnweilers Band „Der Weg zum Kubismus", der kriegsbedingt erst 1920 veröffentlich werden konnte. 1922 veranlasste Kramář die erste Soloausstellung Pablo Picassos in Prag, die 36 Werke aus der Zeit zwischen 1916 und 1921 zeigte. Eine Auswahl daraus konnte im Anschluss für die spätere Nationalgalerie in Prag angekauft werden.

Wojciech Fangor, Kopie nach Guernica von Picasso, 1955, Muzeum Niepodległości w Warszawie,  © Magdalena Shummer-Fangor, Foto: © Muzeum Niepodległości w Warszawie

Die Zeit der nationalsozialistischen Okkupation verbrachte Picasso in seiner Wahlheimat Paris. Im Jahr 1944 trat Picasso der kommunistischen Partei bei. Mit seiner Kunst wollte er sich allerdings, laut eigener Bekundungen, nicht vorrangig politisch äußern. Doch mit dem Gemälde „Guernica" von 1937, entstanden vor dem Hintergrund der Zerstörung der baskischen Stadt im Spanischen Bürgerkrieg, schuf er ein ikonisches Antikriegsbild. Seine Friedenstaube wurde überdies zum Motiv zahlreicher Plakate der Weltfriedenskongresse. In der polnischen Kunstszene lässt sich Picassos Einfluss insbesondere nach seinem Besuch im August/September 1948 beobachten, als er am Friedenskongress der Intellektuellen in Wrocław und Warschau teilnahm. Der polnische Staatspräsident verlieh ihm hier eine Auszeichnung und eröffnete eine Ausstellung mit Picassos Keramiken in Wrocław. Anspielungen an Picassos Stil finden sich beispielsweise in Werken von Tadeusz Kantor, auch schon vor 1948. Wojciech Fangor schuf 1955 eine großflächige Kopie von Picasso „Guernica", die im Rahmen eines Open-air-Antikriegs-Festivals in Warschau präsentiert wurde. Eine andere Kopie von „Guernica" – in Form eines Wandteppichs – spielt auch in der Installation der polnisch-britischen Konzeptkünstlerin Goshka Macuga eine entscheidende Rolle: 2009 rekonstruierte sie in der Whitechapel Gallery in London die Situation, als der frühere US-Außenminister Colin Powell im UN-Sicherheitsrat in New York vor dem, damals mit blauem Tuch verhangenen, Guernica-Teppich den Irak-Krieg ankündigte und begründete.

Mit der Ausstellung „We love Picasso" liefert das Kunstforum Ostdeutsche Galerie einen Beitrag zum Pablo Picasso-Jahr, in dem die Kunstwelt den Künstler anlässlich seines 50. Todestages ehrt. Die umfangreiche Zusammenschau präsentiert Werke ausgewählter Künstlerinnen und Künstler aus den eigenen Beständen des Museums sowie Leihgaben aus Privatsammlungen und Museen in Deutschland, Polen und Tschechien. Vertreten sind unter anderem Jankel Adler, Jozsef Csaky, Josef Čapek, Slawomir Elsner, Wojciech Fangor, Emil Filla, Bernhard Heisig, Alfred Hrdlicka, Tadeusz Kantor, Jiří Kolář, Bohumil Kubišta, Jacques Lipchitz, Antonín Procházka, Goshka Macuga, Moriz Melzer, Bernard Schultze, Willi Sitte, Erika Streit, Bohumil Štěpán, Max Uhlig und Alois Wachsman. Die Ausstellung eröffnet am 6. Oktober um 19 Uhr und wird vom 7. Oktober 2023 bis 7. Januar 2024 zu sehen sein.

 

Gabriela Kašková
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Stiftung Kunstforum Ostdeutsche Galerie Regensburg
und
Dr. Agnes Tieze
Direktorin des Kunstforums Ostdeutsche Galerie und Kuratorin der Ausstellung "We love Picasso"

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Stiftung Kunstforum Ostdeutsche Galerie Regensburg
We love Picasso
7. Oktober 2023 bis 7. Januar 2024
www.kunstforum.net

 

AsKI kultur leben 2/2023

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