Museum für Kommunikation Frankfurt: Außer Kontrolle? Leben in einer überwachten Welt. Eine Ausstellung vom Überwachen

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Wireless Day Night Mini Spy Color Camera Audio, 2009: Mit frei zugänglicher und billig zu kaufender Überwachungstechnik kann jeder selbst Kontrolleur werden, Foto: Museum für Kommunikation, Frankfurt a.M.

Leben wir sicher, wenn uns auf Schritt und Tritt Videokameras beobachten? Ist es bequem, wenn uns eine Software vorschlägt, wofür wir uns interessieren sollen? Wo bleibt da unsere Freiheit?

Geht sie desto mehr verloren, je mehr Technik uns umgibt und uns in eine scheinbar bestmögliche Richtung lenkt? Oder hilft uns die Technik nur, uns im Informations- und Angebotsdschungel dieser Welt zurechtzufinden?

Diese aktuellen hochbrisanten Fragen bilden den Ausgangspunkt für die Ausstellung „Außer Kontrolle? Leben in einer überwachten Welt", die vom 2. Oktober 2014 bis 23. Februar 2015 im Museum für Kommunikation Frankfurt zu sehen ist. Sie erörtert an anhand von 200 Objekten den Begriff Kontrolle – alles, was ein Individuum zu einem vorbestimmten Denken und Handeln leitet. Jedes Objekt können die Besucher aus zwei unterschiedlichen Perspektiven betrachteten: der des Überwachers und der des Überwachten. Die Ausstellung erstreckt sich über drei Bereiche, von der zwischenmenschliche Kontrolle über die Kontrolle in Unternehmen bis zum Staat.

Zwischenmenschliche Kontrolle
Das Individuum selbst ist nicht nur kontrolliertes Objekt, sondern Akteur sozialer Kontrolle.
Schwerpunkte sind der Prozess von Normieren und Sanktionieren, das individuelle Verhalten in einer Kontrollgesellschaft und die Kontrolle insbesondere junger, kranker und alter Menschen mit dem Ziel, dass diese normierte Mitglieder der Gesellschaft bleiben oder werden. Durch das Aufkommen sozialer Medien wie beispielweise Facebook wird ein Phänomen beleuchtet, was enorm an Bedeutung gewonnen hat: Individuen werden nicht nur überwacht, sondern sie stellen sich selbst ins Licht der Öffentlichkeit. Sie präsentieren sich, um sich einerseits einer Gruppe zugehörig zu zeigen, andererseits ihre Einzigartigkeit zu beweisen.EyeSee Mannequin, Almex und Kee Square, Mailand, 2012, Foto: Museum für Kommunikation,  Frankfurt a. M.

Unternehmerische Kontrolle
Unternehmen wollen alle kontrollieren, die ihre Geschäftssituation berühren. Nach innen richten sie ihre Angestellten und Arbeiter auf die Rhythmen des Betriebes ab. Nach außen unterscheidet das Unternehmen zwischen Geschäftspartnern und Kunden einerseits und Störern der Geschäftssituation andererseits. Zu entscheidenden gesellschaftlichen Kontrollinstanzen sind heutzutage Medienunternehmen geworden, in deren Mechanismen sich alle einfügen müssen, die eine öffentliche Machtposition erreichen wollen, und die auch die Staatsmacht kontrollieren. Hier wird der Umgang mit Kundendaten, Datensammelnde Unternehmen und Kontrolle der Mitarbeiter beleuchtet. Ein Beispiel ist das „EyeSee Mannequin"- eingesetzt in einem Kaufhaus in Mailand. Die Schaufensterpuppe mit integrierter Kamera und Software liefert dem Unternehmen Informationen über den Andrang von Personen, deren Verweildauer vor dem Produkt, Alter, Geschlecht und Ethnie.

Staatliche Kontrolle
Der Staat bildet sicherlich die stärkste und sichtbarste Kontrollinstanz. Die Staatsgewalt agiert zum einen fürsorglich, d.h. sie sorgt sich um Wohlergehen der Bürger. Diese geben einen Teil ihrer Freiheit ab, damit ihnen dafür Wohlstand garantiert wird. Zudem garantiert die Staatsgewalt Sicherheit gegen Feinde staatlicher Ordnung. Die funktionale Basis moderner Staatlichkeit ist die Bürokratie, eine professionelle, entpersonalisierte Verwaltung, die mit Wissen über ihre Bürger und ausgefeilten Herrschaftstechniken bestehende Regeln durchsetzt. Besucher erfahren hier am deutlichsten den Weg von alltäglicher, fast selbstverständlicher Kontrolle zum tiefen Eingriff in die Persönlichkeit des Bürgers. Dies wird verdeutlicht anhand von Ausweisen zur Identifikation der Bürger und Volkszählungen, Kontrolle durch die Polizei, Überwachung des öffentlichen Raums und der medialen Kommunikation bis hin zum staatlichen Eingriff in die bürgerliche Privatsphäre.

Besucher können am Ende der Schau ihre persönlichen Eindrücke in einem Fragebogen niederschreiben und werden angeregt darüber nachzudenken, bis wann für sie Kontrolle hilfreich ist und ab wann bedrohlich. Anschließend haben sie die Möglichkeit, ihre Stellungnahme dem Museum zur Datenauswertung zur Verfügung zu stellen, sie mit nach Hause zu nehmen oder sie als schützenswertes informationelles Gut in einem Schredder zu vernichten. Mit der künstlerischen Installation „Memopol 2" erfahren Besucher, welche Informationen über sie im Netz bekannt sind. Die Maschine visualisiert persönliche Daten von beruflichem Erfolg über soziale Bindungen und Intelligenz bis hin zum voraussichtlichen Todesdatum und hinterfragt, wie öffentlich sichtbar ein jeder sein möchte.

Wer überwachungsfrei durch Frankfurt wandern möchte, kann im Oktober an der Führung „AUSBLENDEN" teilnehmen. Spezialausrüstung und spezifische Bewegungsmuster garantieren, dass man dabei nicht von Überwachungskameras identifiziert werden kann.

Phillip Aumann


 

AsKI KULTUR lebendig 2/2013

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