Museum für Kommunikation Frankfurt am Main: Der Pre Bell Man von Nam June Paik. Eine Ikone der Mediengeschichte kehrt zurück

Nachschöpfung im Atelier des Pre Bell Man von Anselm Baumann, ©  S Kösling, Museum für Kommunikation Frankfurt

Seit wenigen Wochen steht der Pre Bell Man des koreanischen Medienkünstlers Nam June Paik wieder vor dem Museum für Kommunikation. Der multimediale Reiter wurde 1989 zur Eröffnung des Neubaus von dem Architekten Günther Behnisch in Auftrag gegeben.

Schon bald nach seiner Aufstellung wurde das als klassisches Reiterdenkmal angelegte Werk zum Publikumsliebling und gehörte zum Erscheinungsbild des postmodernen Museumsbaus am Frankfurter Museumsufer. Hop-on Hop-off Busse hielten an, damit der Pre Bell Man fotografiert werden konnte. Insbesondere bei Nacht, wenn die Neonröhren bunt leuchteten, ging von ihm ein Zauber aus. Nach mehreren umfangreichen Restaurierungsmaßnahmen verschwand er 2012 endgültig im Museumsdepot, da eine weitere Behandlung, um ihn wieder ins Freie zu stellen, nicht in Frage kam. Nicht nur für das Museumsteam, vor allem auch für die Besucherinnen und Besucher war das sehr bedauerlich.

Gemeinsam mit dem Museumsteam hatte Paik 1989 die Gänge und Reihen der Museumssammlung durchforstet, um mit historischen Objekten – Zeugen der Kommunikationsgeschichte wie historische Radios, Fernsehgeräte, Antennen und Telefone – den multimedialen Reiter zu gestalten. Bei allen Geräten handelte es sich um Massenmedien, die einst in großen Stückzahlen hergestellt worden waren.

Eine Recherche in den eigenen Beständen ergab eine schöne Überraschung: von allen Objekten, die Paik verwendet hatte, waren Dubletten vorhanden. Nach intensiven Gesprächen mit Restauratoren und Paik-Experten wagte man sich 2018 an eine höchst ungewöhnliche „Restaurierung": die Nachschöpfung des Originals.

Das Pferd, das Paik einst günstig bei einem Trödler erworben hatte, wurde im Atelier des Künstlers Anselm Baumann detailgetreu abgeformt. Dabei wurde zunächst eine rosafarbende Silikonschicht auf dem Original aufgetragen. Sie drang in feinste Poren ein und bildete die Negativform für den Abguss. Anschließend wurde eine Kunststoffmasse aufgetragen, die das Silikon stützte. Mehrere Kunststoffschichten wurden nun in die beiden Silikonformen gestrichen. Nach dem Aushärten konnten die Hälften sorgsam zusammengefügt werden und so entstand ein Zwilling aus einem hochwertigen, wetterbeständigen, Kunststoff. Für die Assemblage des Reiters arbeitete das Sammlungsteam unter der Leitung von Restauratorin Julia Hammerschmied zunächst im Museumsdepot in Heusenstamm. Nachdem sie den originalen Pre Bell Man für die Reinigung behutsam in Einzelteile zerlegt hatte, wusste sie genau, wie in der Werkstatt von Nam June Paik gearbeitet worden war und konnte den schöpferischen Prozess nachvollziehen: In die entkernten Dubletten wurden gleichartige Neonröhren eingefügt wie beim Original von 1990.

Restauratorin Julia Hammerschmied ahmt im temporären Atelier in Heusenstamm die Assemblage des Pre Bell Man nach, © Museum für Kommunikation Frankfurt

Im März 2019 fand eine internationale Tagung statt, bei der Experten mit dem Publikum den Erhalt von Medienkunst vor dem Hintergrund der Authentizität im Werk von Nam June Paiks diskutierten. Noch war offen, ob die Nachschöpfung im Sinne eines Originals von Nam June Paik gezeigt werden konnte oder als Kopie bezeichnet werden musste. Paik selbst hatte bereits zu seinen Lebzeiten Werke nach Jahren technisch aufgerüstet. Beispiele wie die Installation „32 Cars" aus dem Leeum Samsung Museum of Art in Seoul, deren Erhalt ohne umfassende Behandlung des Materials durch die Restauratorin Zeeyoung Chin nicht denkbar ist, belegen, dass Paiks Vorstellung vom Werk stark vom Konzept geprägt ist. Vor dem Hintergrund seiner Fluxus-Aktivitäten erscheint dies nur folgerichtig und legitimiert auch die Nachschöpfung des Pre Bell Man.

Die Nachschöpfung des Pre Bell Man leuchtet bei Nacht, © Museum für Kommunikation Frankfurt

Die Rückkehr des Pre Bell Man wird nun mit einer Begleitausstellung gefeiert, die Dank der großzügigen Förderung durch die Wüstenrot Stiftung, den Kulturfonds Rhein Main und vor allem auch durch Leihgaben des Sammlers Mario von Kelterborn möglich wurde. Arbeiten von Medienkünstlern aus über 50 Jahren wie Gary Hill, Marcel Odenbach, Natalie Djurberg, Mariana Vassileva, Nezaket Ekici, Tobias Zielony und Ismaël Joffroy Chandoutis vermitteln die Besonderheiten von Video-Kunst. Die Bindung an Seh-Zeit, die Einbeziehung von Seh-Erfahrungen und Wahrnehmung durch die Massenmedien Film und Fernsehen finden dabei eine besondere Berücksichtigung. Sie sind bereits im Werk von Nam June Paik angelegt, wie frühe Arbeiten von 1966 mit Jud Yalkut und die „Äpfel der Verführung" von 1984 – alle in der Ausstellung zu sehen – belegen.

Das Museum für Kommunikation bewahrt durch die Wiederaufstellung des Pre Bell Man die größte Video-Skulptur im öffentlichen Raum, die Nam June Paik jemals als Auftragsarbeit entwickelt hat. Die Einbeziehung der technikhistorischen Sammlung von Kommunikationsgeräten in die Konzeption macht den Pre Bell Man im Spektrum der Arbeiten Paiks einmalig. Durch den Rückgriff auf den Topos des klassischen Reiterdenkmals weist der Künstler mit seinem bunt leuchtenden Multimedia-Reiter auf die Kraft der Massenmedien hin. Damit ist der Pre Bell Man heute aktueller denn je. Da sich in ihm die medienkritische Haltung unserer Museumsarbeit spiegelt, freuen wir uns, dass er die Besucher unseres Hauses nun wieder willkommen heißen kann.

Dr. Corinna Engel
Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit
Museum für Kommunikation Frankfurt


Museum für Kommunikation, Frankfurt a.M.
Die Rückkehr des Pre Bell Man
Nam June Paik und Medienkunst aus
der Sammlung Kelterborn
bis 19. Januar 2020
Zum Projekt ist ein Expotizer mit einer Einführung zur Ausstellung und der
Dokumentation der Restaurierung erschienen
www.paik-prebellman.de

 

AsKI KULTUR lebendig 2/2019

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