Museum für Kommunikation Frankfurt: „Wir müssen reden" Debatten-Dienstage zur digitalen Diskussionskultur

Kultur stärkt Demokratie!

Mit der zunehmenden Nutzung von World Wide Web und Social Media war die Hoffnung verbunden, dass öffentliche Debatten nun allen Bevölkerungsgruppen zugänglich und dadurch Partizipation und Demokratie befördert werden. Doch wer beteiligt sich gegenwärtig tatsächlich an Diskussionen im Netz? Wie funktionieren Mechanismen der Meinungsbildung im digitalen Kontext?

 Werden Diskurse durch Wissenschaftler oder eher durch Influencer geprägt und von Trollen und Social Bots beeinflusst? Wie kann die Debatte zur digitalen Diskussionskultur von ganz unterschiedlichen Menschen mitgestaltet werden, um einen kritischen, diversen aber vor allem respektvollen Austausch zu ermöglichen?

Digitalität konstruktiv diskutieren

Unlängst – im Dezember 2019 – hat die Bundesregierung das Projekt #anstanddigital zur Debattenkultur im Internet gestartet. Kulturstaatsministerin Monika Grütters sagte dazu: „Worte können aufbauen, aber sie können auch zerstören. Und gerade letzteres findet im Internet inzwischen viel zu oft statt. Deshalb brauchen wir einen Verständigungsprozess, wie wir im digitalen Raum miteinander umgehen wollen." Schon seit August 2017 widmet sich das Museum für Kommunikation Frankfurt mit Debatten-Dienstagen zur digitalen Diskussionskultur dem Thema, wie wir die Herausforderungen der Digitalität wertschätzend und konstruktiv diskutieren sollten. Angedockt ist die Veranstaltungsreihe an das Bürgerdialogprojekt „Leben und Lernen X.0", welches die Themen Zukunft der Demokratie, der Bildung und der Arbeit fokussiert. Mit den Debatten-Dienstagen wurde ein Format etabliert, bei dem Experten und interessierte Bürger im Rahmen einer öffentlichen Diskussionsrunde aktiv miteinander in Austausch treten. Deshalb wird die Veranstaltung im sogenannten Fishbowl-Format durchgeführt. Bei dieser Methode diskutiert eine kleine Gruppe im Stuhlkreis – dem Goldfischglas – ein Thema, während die übrigen Teilnehmenden die Diskussion beobachten. Möchte jemand zur Diskussion beitragen, kann die Person auf dem freien Stuhl im Innenkreis Platz nehmen.

Debatten-Dienstag 2019, © MSPT S. Koesling

Wer diskutiert hier mit?

Es diskutiert ein durchmischtes Publikum: Schüler, Studierende, Senioren, Lehrkräfte, netzaffine Freiberufler, Kulturliebende. Zwischen 50 und 80 Personen kommen an diesen Abenden im Museum für Kommunikation zusammen. Das Publikum wird niedrigschwellig angesprochen, es wird parallel gesiezt und geduzt, sowie sprachlich gegendert adressiert. Der freie Stuhl wird regelmäßig genutzt, sodass das Fishbowl-Prinzip erfolgreich umgesetzt ist. Auch Schüler und Schülerinnen beteiligen sich rege an den Diskussionen und führen so vor Augen, dass die bespielten Themen für sie relevant sind – und dass sie selbst wertvolle inhaltliche Beiträge zu leisten haben. Da der Abend live gestreamt wird, gibt es zudem die Möglichkeit, über Twitter extern Fragen einzubringen.

Wie genau funktioniert ein Debatten-Dienstag?

Seit Beginn der Veranstaltungsreihe gab es neun Debatten-Dienstage u.a. zu Hate Speech, zu Künstlicher Intelligenz, zu Digitaler Demokratie oder zu visuellen Fake News. Wenn man den Debatten-Dienstag zu Fake News betrachtet, kann man einen guten Eindruck von dem Format an sich erhalten: Die Bildmanipulation hat eine lange Tradition, schon Stalin hat Trotzki aus einem gemeinsamen Foto retuschieren lassen. Auch gegenwärtig werden mediale Bildinhalte hinterfragt: Ist das Fake? Unter dem Titel „Visuelle Fake News: Bilder, die lügen" wurden dementsprechend folgende Fragen diskutiert: Können wir dem trauen, was wir sehen? Wie verändern digitale Bildtechnologien wie Deep Fake unseren Glauben in die Wahrhaftigkeit von Bildern und Videos? Und wie können visuelle Bildinhalte auf Richtigkeit geprüft werden? Als Experten waren Karolin Schwarz (Freie Journalistin und Faktencheckerin), Katharina Mosene (Politikwissenschaftlerin, Leibniz-Institut für Medienforschung, Hans-Bredow-Institut) und Sebastian Oschatz (Developer, MESO / NODE – Forum for Digital Arts) eingeladen. Nachdem sie sich kurz vorgestellt hatten, wurde zunächst über den Begriff „Fake News" gesprochen. Dabei machte Karolin Schwarz deutlich, dass er im Diskurs irreführend sei und es sich, genau genommen, um Desinformation handle. Wie man mit dieser im Alltag umgehen kann, beschäftigte in Folge auch die Diskutierenden aus dem Publikum auf dem freien Stuhl. Gerade die Schnelligkeit und Menge an Informationen, die uns durch Social Media erreichen, wirken überwältigend. So wurde immer wieder nach Werkzeugen und Orientierungshilfen gefragt, mit denen man selbst Nachrichten überprüfen könne. All die gesammelten Tipps des Debatten-Dienstags wurden auf Anregung des Publikums, aber ebenso durch Nachfragen auf Social Media, der später veröffentlichten Videoaufzeichnung auf dem YouTube-Museumskanal hinzugefügt, sodass die flüchtigen Informationen der Gespräche nicht verloren gingen.

Debatten-Dienstag 2018, © MSPT S. Koesling

Sind Museum geeignete Orte für die Reflexion von Gegenwart?

Museen übernehmen unterschiedliche gesellschaftliche Aufgaben, die über das Sammeln, Bewahren und Vermitteln unseres kulturellen Erbes hinaus gehen. Als Dialogforen bieten sie einen öffentlichen Rahmen für Debatten und können, wie am Beispiel von „Leben und Lernen X.0" im Museum für Kommunikation Frankfurt, Diskussionen über die Auswirkungen des Umgangs digitaler Medien ermöglichen. Ziel der Debatten-Dienstage ist es, Menschen zu bestärken, begründete Haltungen und Haltungsweisen zu entwickeln, mit denen man den Herausforderungen des digitalen Wandels begegnen kann. Das Museum erfüllt damit seine eigene Mission, die Entwicklung der Kommunikation bis hin in die Gegenwart zu vermitteln und der Öffentlichkeit zeitgemäße und relevante Formate der Teilhabe anzubieten.

Wie geht es weiter?

Wegen der großen Resonanz der Fishbowl-Diskussionen am Dienstagabend wird das Haus die Reihe fortsetzen. Dank der Förderung des Arbeitskreises selbständiger Kultur-Institute e.V. (AsKI) und der Stiftung Polytechnische Gesellschaft können 2020 vier Abende realisiert werden. Zusätzlich gibt es eine Kooperation mit der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung (HLZ), die an den Abenden Literatur zum Debattenthema zur Verfügung stellt, und dem Medienprojektzentrum Offener Kanal Rhein-Main (MOK), welches die Aufzeichnung des Lifestreams später ausstrahlt, ergänzt durch Videointerviews mit den Experten. Die Debatten-Dienstage in 2020 begleiten thematisch zudem die großen Sonderausstellungen des Museums: „#neuland: Ich, wir & die Digitalisierung" (ab 26. März) und „Back to Future. Technikvisionen zwischen Science-Fiction und Realität" (ab 1. Oktober).

Tine Nowak

Projektleiterin von „Leben & Lernen X.0.
Digitale Bildung ist unsere Zukunft"
Museum für Kommunikation Frankfurt


Museum für Kommunikation Frankfurt

Debatten-Dienstage 2020
  • 31.03.2020 zu Digitaler Identität
    „Me, myself & I: Wer bin ich online?"
  •  26.05.2020 zu Online-Beziehungen
    „Match, Swipe, Like – von Dating & Daten"
  •  18.08.2020 zur Vermessung des Selbst
    „Leben nach Zahlen: Tracking, Rating, Scoring"
  •  17.11.2020 zu Transhumanismus
    „Der verbesserte Mensch: der Cyborg in uns"
Beginn: 18.30 Uhr
Derzeit geschlossen
 Video-Übertragung via www.lebenX0.de

 

AsKI KULTUR lebendig 1/2020

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