Museum Casa di Goethe, Rom: Reise nach Italien XXI. Der Blick auf den Anderen / Viaggio in Italia XXI – Lo sguardo sull´altro

Johanna Diehl, Borgo Romanità Alleanza, 2012–2014, Fotoserie, Foto: Museum Casa di Goethe

Nach den Beschränkungen durch die Corona-Epidemie ist die Attraktivität des Reisens nach Italien ungebrochen. Und in jedem Jahr besuchen das Land wieder mehr Gäste aus dem Ausland, als es selbst Bewohner hat. Die Casa di Goethe in Rom ist – ausgehend von Johann Wolfgang von Goethes berühmter Reise nach Italien – das Museum für diese Italienbegeisterung und -sehnsucht.

In der Sammlung und der Dauerausstellung in der Wohnung, in der Goethe einst lebte, wird dieses für die deutsche Literatur- und Kunstgeschichte so wichtige Kapitel dargestellt, aber auch durch weitere Perspektiven in Wechselausstellungen ergänzt. Seit der Zeit Goethes hat sich sowohl die Art und Weise als auch die Bedeutung des Reisens radikal verändert. Das „Bel Paese" war jedoch bereits schon immer ein Gebiet der Durchreise, des Austauschs und häufig der Migration.

Touristen betreten heute Italien oft mit großen Erwartungen, die auch teilweise erfüllt werden. Das Land konfrontiert sie aber zudem mit einer weniger romantischen und manchmal widersprüchlichen Realität. Neben dem Zwiespalt zwischen „Dolce Vita", Strand- und Antikenbegeisterung und einem ermüdenden Massentourismus mit endlosen Wartezeiten stellt sich manchem letztlich die Frage, ob man das eigentliche Leben der Italienerinnen und Italiener überhaupt erlebt hat. Dazu kommt, dass Italien in den letzten Jahrzehnten zu einem europäischen Land geworden ist, in dem viele Migrantinnen und Migranten auf der Suche nach einem besseren Leben, meist unter Gefährdung des eigenen, ankommen.

So unterschiedlich die Italien-Perspektiven aller Reisenden sind, sie bedeuten immer die Auseinandersetzung mit dem Anderen, was übrigens auch für die Einwohner gilt: „Wie stehst du zum Anderen?" In der Ausstellung formten die gegenübergestellten Werke von acht Künstlerinnen und Künstlern, die in Italien und Deutschland leben und arbeiten, einen Dialog als Antwort auf diese Frage. wobei gerade aus deutscher Sicht die italienische Perspektive in den Focus rückte, die in den Blicken auf die komplexe Gesellschaft zwischen Alpen und Sizilien immer wieder zu kurz kommt. Das Thema der Beziehungen von Menschen zueinander ist von entscheidender Bedeutung in unserer Zeit, in der der Ausnahmezustand zur erschreckenden Normalität geworden zu sein scheint.

„Italien im 21. Jahrhundert ist ein integraler Bestandteil Europas und teilt dessen Gegenwart und Zukunft auch durch die Übernahme von Verantwortung seitens der Künstler und Künstlerinnen , die sich diesen schwierigen Herausforderungen stellen", erklärte dazu der Kurator der Ausstellung Ludovico Pratesi. Ganz unterschiedliche Standpunkte kamen in den Werken in Form von Videos, Malerei, Bildhauerei und Fotografie zum Ausdruck, die die Gegenwart sowohl politisch und anthropologisch als auch sozialkritisch und konzeptuell interpretierten. Von Francesco Arenas Reisenotizen bis zu Johanna Diehls Aufnahmen von den vergangenen Orten der Macht in Rom, von Benedikt Hipps surrealistischer Malerei bis zu den Männern in sardischer Karnevalstracht im Video „Crossing Carnevale" von Guido Casaretto verwandelten sich so die Räume des römischen Museums in einen Ort des Dialogs.

Alessandro Piangiamore, ‘Qualche uccello si perde nel cielo‘, 2021, Mischtechnik auf Okawara-Papier, Foto: Museum Casa di Goethe

Die Künstler, mit denen Goethe in den Jahren 1786 bis 1788 in der Via del Corso in einer Art Wohngemeinschaft lebte, hielten ihre Wirklichkeit in Gemälden und Zeichnungen fest und blickten damals ebenso als Reisende auf Italien. Diese Tradition und die ungebrochene Faszination für Italien und seine Kultur veranschaulichte die Ausstellung „Reise nach Italien XXI – Der Blick auf den Anderen".

Gregor H. Lersch |
Leiter des Museums Casa di Goethe

AsKI kultur leben 1/2023

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