Mein Lieblingsobjekt: Stiefel Kurfürst Johann Friedrichs I. von Sachsen, genannt der Großmütige

LieblingsobjektEines meiner Lieblingsobjekte aus den kunterbunten Sammlungen der Stiftung Schloss Friedenstein Gotha ist ein altes Stück Leder: der Stiefel des sächsischen Kurfürsten Johann Friedrich I., genannt der Großmütige.

 Stiefel Kurfürst Johann Friedrichs I. von Sachsen, genannt der Großmütige, © Stiftung Schloss Friedenstein GothaDer mächtige Sachsenherrscher war Anführer des Schmalkaldischen Bundes und führte die Truppen der protestantischen Reichsfürsten gemeinsam mit Landgraf Philipp von Hessen gegen das Heer Kaiser Karls V. 1547 wurden die protestantischen Verbündeten in der entscheidenden Schlacht bei Mühlberg an der Elbe nach einem Überraschungsangriff der kaiserlichen Armee vernichtend geschlagen. Der größte militärische Triumph Karls V. verschob das Machtgefüge im Reich und bedeutete für die Ernestiner die größtmögliche Katastrophe. Der Kaiser ließ Johann Friedrich gefangen nehmen und zum Tode verurteilen. Nach der Intervention einflussreicher Fürsten wurde das Todesurteil jedoch aufgehoben und in lebenslange Haftstrafe umgewandelt. Mit Abschluss des Passauer Vertrages erlangte der zum Herzog degradierte Johann Friedrich 1552 schließlich seine Freiheit wieder und residierte die letzten Jahre seines Lebens in Weimar.

Als Johann Friedrich I. von Sachsen in der Schlacht bei Mühlberg Kaiser Karl V. unterlag, verlor er in der Folge nicht nur große Teile seines Territoriums und seine Kurfürstenwürde, sondern auch seine Stiefel. Von den Siegern erbeutet, gelangte der eine als Trophäe nach Madrid, der andere in die Kunstkammer nach München. Dort beeindruckte das imposante Schuhwerk des beleibten Fürsten nicht zuletzt durch seine Schaftweite, von der man behauptete, sie sei derart geräumig, dass ein Knabe von vier bis fünf Jahren hineinkriechen könne. Doch hier war die Geschichte des Stiefels noch nicht beendet. Knapp hundert Jahre später kämpften die Urenkel Johann Friedrichs im Dreißigjährigen Krieg an der Seite Gustav II. Adolph von Schweden. Im Zuge der Eroberungen im Kurfürstentum Bayern kam es 1632 zur Plünderung der Münchner Residenz.

Einige Stücke aus der dortigen Kunstkammer gelangten als Kriegsbeute in den Besitz der Weimarer Prinzen und von dort aus, als Ernst der Fromme nach der Erbteilung 1640 Herzog von Sachsen-Gotha wurde, in die Sammlung von Schloss Friedenstein. Unter diesen Objekten befand sich auch der Stiefel des verehrten Ahnen, der von seinen Nachfahren „heimgeholt" und fortan mit Stolz in der Kunstkammer von Schloss Friedenstein präsentiert wurde, wo er sich bis heute befindet. Hier schließt sich der Kreis wieder. Deshalb fasziniert mich an dem Kurfürstenstiefel die Authentizität eines persönlichen Kleidungsstückes dieses tragischen Helden ebenso wie seine spannende Geschichte.

Wer hätte 1547 gedacht, dass ein Stiefel solche Beachtung erfahren würde?

Dr. Ingrid Dettmann
Referentin des Vorstands,
Stiftung Schloss Friedenstein Gotha

 

AsKI KULTUR lebendig 1/2020
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