Kunsthalle Bremen: Märchenhaftes Jubiläum. Von den Anfängen des Kunstvereins in Bremen

Johann Bremermann, Ansicht der Kunsthalle in Bremen nach dem Entwurf von Lüder Rutenberg, um 1850, Lithographie. Der Bremer Senat bewilligte dem Kunstverein für seine Kunsthalle Baugrund in den Wallanlagen (1847 bis 1849), Foto: Kunsthalle BremenMit bald 200 Jahren Geschichte ist es eine besondere Herausforderung für die Kunsthalle Bremen und den Kunstverein in Bremen, ihre Traditionen mit dem Das Märchen von den Bremer Stadtmusikanten war erst vier Jahre veröffentlicht, aber die „Moral von der Geschicht" war 1823 offenbar schon tief in der Hansestadt verankert: Was sich allein nicht schaffen lässt, bewältigt man zusammen! 34 Bremer folgten damals diesem Kerngedanken und gründeten einen Verein, der nun seinen 200. Geburtstag feiert: den Kunstverein in Bremen.

Stephan Messerer, Ansicht der Domgebäude von der Seite der Domsheide in Bremen, Radierung. Diese Bremer Ansicht schuf der Conservator des Kunstvereins, Foto: Kunsthalle Bremen

Ähnlich wie Hamburg, wo schon 1817 der erste bürgerliche Kunstverein offiziell gegründet wurde, bot Bremen schlechte Startbedingungen für die Kunst. Die reformierte Handelsstadt galt Anfang des 19. Jahrhunderts sogar als geradezu bilderfeindlich: keine Akademie, keine öffentliche Kunstsammlung, keine Kunstförderung durch einen Fürsten oder Herzog. Und selbst unter den reichsten bürgerlichen Sammlern war niemand, der sich so umfangreich für die Kunst eingesetzt hätte, wie Johann Friedrich Städel (1728 – 1816) es durch sein Testament für Frankfurt getan hatte. 1817 kommentierte denn auch der Bremer Künstler und Kunsthändler Friedrich Adolph Dreyer (1780 – 1850):

»So auffordernd und beyfallswürdig
dieses Beyspiel ist, so wäre für unsern dermaligen
Zweck doch wohl nur durch g e m e i n s c h a f t l i c h e
Anstrengung etwas Aehnliches, von so
Vielen Gewünschtes möglich zu machen.«

Gottfried Menken, Pferde und Schafe auf der Weide, undatiert, Öl auf Holz. Seine erste Kunstausstellung veranstaltete der Kunstverein 1829 im ‘Hörsaale der gelehrten Schule‘, Foto: Kunsthalle Bremen

Am 14. November 1823 kamen in diesem Sinne 34 Kunstfreunde um den Senator Hieronymus Klugkist (1778 – 1851) zusammen, der selbst bis heute für seine Dürer-Sammlung bekannt ist. Gemeinsam gründeten sie an diesem Tag den Kunstverein in Bremen, wie das „Protocollbuch" dokumentiert.

Während dieser Anfang in die „große Gründungswelle deutscher Kunstvereine nach den Napoleonkriegen" (Rudolf Zeitler) fällt, kennzeichnete den Verein zu Beginn vor allem ein Interesse besonders: das Sammeln von Kunst. Private Sammlungen sollten möglichst für Bremen erhalten bleiben. Ein prominentes Beispiel dafür war die umfangreiche Sammlung des Senators Johann I. Duntze. Der Wunsch, „daß eine vorzügliche Sammlung von Kupferstichen und Handzeichnungen aus dem Nachlasse des Herrn Duntze nicht möge zersplittert werden" galt später als „specielle Veranlassung für die Vereinigung der Kunstfreunde". Der Ankauf dieser Sammlung 1824 zählte zu den ersten Maßnahmen des jungen Vereins. Das Kupferstichkabinett stand damit am Beginn der Sammlung, die sich durch zahlreiche Schenkungen und Ankäufe mehrte.

Hendrik Kobell, Seestück, 1767, Feder in Braun, grau laviert. Diese niederländische Zeichnung gehörte zu den ersten Schenkungen an den Kunstverein, Foto: Kunsthalle Bremen

Ausstellungen veranstalte der Kunstverein ab 1829, aber besonders große Erfolge verzeichnete er mit seiner Öffnung um 1843. Da hob der Verein die Mitgliederbeschränkung auf, die anfangs noch bei 50, später 75 Personen gelegen hatte. Der Kreis wuchs schlagartig an: Im Januar 1844 zählte man schon 211 Mitglieder, 1845 waren es 420 und 1847 ganze 603 Mitglieder. Auch der Senat erkannte schließlich die Bedeutung des Vereins für das Gemeinwohl und bewilligte dem Kunstverein 1844 kostenfreien Baugrund für eine Kunsthalle. Der Kunstverein in Bremen war damit der erste in Deutschland, der sich ein eigenes Gebäude errichtete, und die Kunsthalle war das erste eigenständige Ausstellungshaus für eine rein bürgerliche Sammlung. Bis heute sind Sammlung und Museum Eigentum des 1823 gegründeten Kunstvereins – in der deutschen Museumslandschaft eine einzigartige Konstellation.

Wolfgang Heimbach, Vornehme Gesellschaft, 1636–1637, Öl auf Kupfer, Foto: Kunsthalle Bremen

2023 steht für den Bremer Kunstverein deshalb ganz im Zeichen dieses runden Geburtstags. Mit seinen inzwischen 10.000 Mitgliedern feiert er die Gegenwart und lädt in einem Ausstellungsreigen zu einem Blick nach vorne und zurück: Gefördert vom AsKI, dessen Mitglied er seit 1985 ist, führt im Frühjahr die Schau „Kunst Vereint! Die frühen Jahre der Sammlung" (22. April – 20. August 2023) in die Gründungszeit des Vereins. Im Sommer spürt der Jugendclub „New Perceptions" Lebensgefühl, Ästhetik, Sorgen und Hoffnungen der heutigen Jugend nach und lädt in die Ausstellung „Generation*. Jugend trotz(t) Krise" (13. Mai – 10. September 2023). Zeitgenössische Interventionen in die Sammlung sind unter dem Titel „Resonanz" zu sehen (15. Juli – 15. Oktober 2023), die Künstlerin Monika Sosnowska steuert eine Installation für die Kunsthalle Bremen bei (ab September 2023), ehe die Feierlichkeiten in einer besonderen Jubiläumsausstellung kul­minieren: „Geburtstagsgäste. Monet bis Van Gogh" erinnert an die besonders glanzvolle Zeit des Kunstvereins unter Direktor Gustav Pauli, und zeigt dazu Meisterwerke der französischen Malerei (07. Oktober 2023 bis 18. Februar 2024).

Mara-Lisa Kinne | Kuratorin „Kunst Vereint!
Die frühen Jahre der Sammlung", Kunsthalle Bremen

 AsKI kultur leben 1/2023

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