Kleist-Museum , Frankfurt (Oder): Die Rätseltasse

Mokkatasse à la grecque mit Untertasse, Porzellan, 2010, Nachbildung des Originals nach einem Foto, Kleist-Museum, Foto: Panatom GmbHMein Lieblingsobjekt
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Verstehst Du die Inschrift der Tasse? Und befolgst Du sie? Dann erfüllst Du meinen innigsten Wunsch. Dann weißt Du, mich zu ehren", schreibt Heinrich von Kleist am 15. September 1800 aus Würzburg an seine in Frankfurt an der Oder verweilende Verlobte Wilhelmine von Zenge.

Kleist hatte die erwähnte Tasse im August 1800, vor seiner Reise nach Würzburg, bei der Königlichen Porzellan-Manufaktur Berlin in Auftrag gegeben und sie war als ein Verlobungsgeschenk gedacht. Wilhelmine von Zenge und Heinrich von Kleist hatten sich im Frühjahr desselben Jahres inoffiziell verlobt, das heißt: Ihre Eltern gaben Erlaubnis für den Briefaustausch, eine öffentliche Ankündigung blieb aber aus.

Besonders sind die drei Wörter, die sich auf dem Objekt finden lassen und die dieses Geschenk zu einem Rätsel machen, dessen Lösung das Verlobungsmotto des Paares sein sollte: Auf der Unterseite der Tasse ist das Wort „Vertrauen" zu finden, auf der Untertasse „uns" und auf der Unterseite der Untertasse das Wort „Einigkeit". Das Rätsel ist ein Zusammenspiel aus dem physischen Objekt und den darauf gemalten Worten. Das Verschenken von Tassen sowie das Austauschen von kleineren Rätseln war um 1800 verbreitet. Die Tasse ist in einem klassizistischen Stil, der das Berliner Porzellan seit den 1780er-Jahren prägte, gestaltet: sie hat gerade Linien, einen rechteckigen Griff. Augenfällig sind die feinen Blumen und Gräser, die am unteren Rand der Tasse sowie auf der Untertasse aus der Erde herauswachsen. Es finden sich zahlreiche Goldränder und -staffagen.

Mokkatasse à la grecque mit Untertasse, Porzellan, 2010, Nachbildung des Originals nach einem Foto, Kleist-Museum, Foto: Panatom GmbH

Bei dem Objekt handelt es sich um eine Reproduktion der originalen Tasse. Bis 1945 befand sich das Original noch in Familienbesitz derer von Kleist, gilt seitdem jedoch als verschollen. Erhalten geblieben sind Fotos anhand derer die Königliche Porzellan-Manufaktur die Replik 2013 für die Dauerausstellung des Kleist-Museums „Rätsel. Kämpfe. Brüche" angefertigt hat, in der sie seitdem zu sehen ist. Sie ist ein Gegenstand aus einer Zeit in Kleists Leben, die durch die vielen Briefe an seine Verlobte zu den am besten dokumentierten und nachweisbaren Abschnitten zählt. In diesen Briefen spricht Kleist Wilhelmine von Zenge häufig als „Kind" an, er stellte ihr Denkübungen und Aufgaben, die von Zenge in Aufsatzform beantwortete und Kleist korrigierte: er sah es als seine Aufgabe, seine zukünftige Ehefrau zu lehren und zu bilden – eine Herangehensweise, die in der Avantgarde um 1800 nicht mehr üblich war.

Und das Rätsel? In einem Brief vom 9. April 1801 an Wilhelmine löst Kleist es auf: „Ich werde Dir oft schreiben. Aber es mögen Briefe ausbleiben so lange sie wollen, Du wirst immer überzeugt sein, daß ich alle Abend u. alle Morgen, wenn nicht öfter, an Dich denke. Dasselbe werde ich von Dir glauben. Also niemals Mißtraun oder Bangigkeit. Vertrauen auf uns, Einigkeit unter uns!"

Die Verlobung hatte jedoch keinen Bestand: sie endete 1800, nachdem Kleist seine Verlobte gebeten hatte, ihm in die Schweiz zu folgen, wo er fortan als Bauer leben wollte – ein Ruf, dem Zenge nicht folgte. Erhalten geblieben ist uns jedoch diese spielerische Rätseltasse.

Viviane Meierdreeß |
Wissenschaftliche Mitarbeiterin / Vermittlung, Kleist-Museum

AsKI kultur leben 1/2023

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