Klassik Stiftung Weimar: Goethe im Almanach 2.0 - Eine Bibliographie im digitalen Zeitalter

Die Almanach-Kartothek von Arthur Goldschmid, © Klassik Stiftung Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibliothek

Der Name Arthur Goldschmidt ist mit einem der größten Restitutionsfälle im deutschen Bibliothekswesen verbunden. Unter dem Verfolgungsdruck im Nationalsozialismus sah sich der Leipziger Unternehmer und Sammler 1936 gezwungen, seine 2 000 Bände umfassende Almanachsammlung an das Goethe- und Schiller-Archiv zu verkaufen, weit unter Wert, zu einem Schleuderpreis.

Erst 2005 konnten im Zuge der Provenienzforschung an der Klassik Stiftung Weimar die Erwerbungsumstände aufgedeckt werden. Die Sammlung, die sich seit 1955 in der heutigen Herzogin Anna Amalia Bibliothek befndet, wurde als NS-Raubgut bewertet, restituiert und von den Erben Goldschmidts für einen angemessenen Preis erworben.

Almanache sind literarische Jahrbücher, die für eine neue Lesekultur in der Zeit um 1800 stehen. Neben literarischen Texten enthalten sie bildende und unterhaltsame Beiträge aus Musik, Kunst, Theater, aber auch Gesellschaft, Reisen, Mode etc. Arthur Goldschmidt (1883–1951) trug eine der weltweit größten Sammlungen zusammen und erkannte, im Gegensatz zur damaligen Forschung, den kulturhistorischen Wert dieses Mediums. Gemeinsam mit einem Bibliothekar verzeichnete er akribisch die vielfältigen Inhalte in einem 1 200 Seiten umfassenden alphabetischen Verzeichnis und einer Kartothek mit mehr als 50 000 Einzelbeiträgen zu den Schwerpunktthemen „deutschsprachige Schriftsteller", „Kunst" und „Musik". 1932 erschien seine Publikation „Goethe im Almanach", ein in Sammlerkreisen immer noch unverzichtbares Standardwerk zum Thema. Die Veröffentlichung weiterer Manuskripte, in denen Goldschmidt umfangreiches bibliographisches Material zur Musik und Kunst im Almanach auswertete, blieb ihm verwehrt. Sie sind verschollen. Seine Rechercheinstrumente und die einzigartige Kartothek werden heute in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek aufbewahrt.

Blick in die Almanachsammlung der HAAB mit einem Gesamtbestand von ca. 4.000 Exemplaren, © Klassik Stiftung Weimar

Als der AsKI an unsere Bibliothek mit dem Vorschlag herantrat, Arthur Goldschmidt und seine sammlerischbibliographische Arbeit auf dem Portal TSURIKRUFN! vorzustellen, das im Rahmen des Festjahres „1700 Jahr jüdisches Leben in Deutschland" an jüdische Persönlichkeiten erinnert, griffen wir diese Idee gerne auf. Eine zusätzliche Projektförderung ermöglichte es uns zudem, auszuloten, wie sich Goldschmidts Bibliografie „Goethe im Almanach" in das digitale Zeitalter überführen und innovativ aktualisieren lässt.

Arthur Goldschmidt schreibt in der Einleitung seines Werkes, dass es besonders die Illustrationen und Einbände waren, die ihn für die Almanache begeistert haben, außerdem ihr vielfältiger literarischer Inhalt. Aus verschiedenen Gründen konnten nicht alle Abbildungen in seiner Bibliografie gezeigt werden. Dagegen sprachen einerseits finanzielle Gründe, der Seitenumfang hätte deutlich zugenommen, andererseits, und auch diese Information taucht immer wieder an mehreren Stellen auf, hatte er keinen Zugang zu allen beschriebenen Almanachen. Mehrere konnte er nur bei befreundeten Sammlern oder in öffentlichen Bibliotheken einsehen. Gleiches gilt natürlich auch für die zahlreichen Textstellen, die er aufführt.

Taschenbuch für Damen (Jahrgang 1811) mit dem Exlibris der Almanachsammlung Goldschmidt, gestaltet von Theo Paul Herrmann, © Klassik Stiftung Weimar

In unserem Projekt konnten wir mittels digitaler Methoden einige der Probleme lösen, mit denen er zu ringen hatte. So können wir heute z.B. auf zahlreiche Ausgaben über das Internet zugreifen. Wir können verschiedene Ausgaben miteinander vergleichen, wo er nur Mutmaßungen anstellen konnte. Durch die Digitalisierung können wir die schönsten, spannendsten und seltensten Ausgaben miteinander teilen. Und dies waren auch unsere Kriterien bei der Auswahl von 50 Almanachen, die vollständig digitalisiert, katalogisiert und dann online gestellt wurden. So erwähnt Arthur Goldschmidt z. B. einen Eintrag Goethes in das Stammbuch von Friedrich Ludwig Schröder, welches sich heute in der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg befindet. Wir können nunmehr eine Abbildung nachliefern, die in seiner Bibliografie fehlt.
Wir nutzen unsere Digitalen Sammlungen, um ausgehend von „Goethe im Almanach" vielfältige Verknüpfungen zwischen den Digitalisaten der einzelnen Werke zu erstellen. Dort wo es möglich oder auch nötig ist, versehen wir die Einträge in der Bibliografie mit zusätzlichen Informationen.

Exlibris der Almanachsammlung Goldschmidt, gestaltet von Theo Paul Herrmann, © Klassik Stiftung Weimar

Wenn es heute darum geht, eine Person oder ein Lebenswerk zu würdigen, dann ist das Internet dafür eine mehr als relevante Plattform. Unser Ziel ist es, Arthur Goldschmidt und sein Werk, aber auch seine Leidenschaft, sichtbar zu machen. Dafür haben wir einen Beitrag in der Wikipedia verfasst und mit zahlreichen Quellen angereichert. Auf dem AsKI-Portal tsurikrufn haben wir Werk und Person wesentlich ausführlicher dargestellt, als es an dieser Stelle möglich wäre. Und ein Punkt, der uns bei diesem Projekt besonders wichtig war: Wir haben von Beginn an die Familie Goldschmid in unser Vorhaben einbezogen.

Die Herzogin Anna Amalia Bibliothek konnte sich dank des vom AsKI e.V. großzügig finanzierten Projekts der Almanach-Sammlung und der Person Arthur Goldschmidts von einer ganz anderen Seite nähern, als dies im Rahmen des Restitutionsverfahrens der Fall war.

Katja Lorenz | Referatsleiterin Sondersammlungen
Andreas Schlüter | Referatsleiter Digitale Entwicklung,
Klassik Stiftung Weimar/
Herzogin Anna Amalia Bibliothek

TSURIKRUFN!  Erinnerung an Arthur Goldschmidt

www.tsurikrufn.de/portraits/goldschmidt/

AsKI kultur leben 1/2021

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