Ikko Tanaka: GraphikDesign aus Japan - Ausstellung im Bauhaus-Archiv Berlin

Ikko Tanaka, Plakat ‘Hiroshima Appeals‘, 1988, Foto: Bauhaus-Archiv Berlin

Ikko Tanaka gilt als der bedeutendste Graphik-Designer der Gegenwart in Japan. Im Bauhaus-Archiv bot sich nun erstmals die Gelegenheit, sein Werk auch in Deutschland kennen zu lernen.

Tanaka selbst hatte hierfür eine Auswahl mit repräsentativen Arbeiten aus vierzig Jahren zusammengestellt. Die Ausstellung entstand in Kooperation mit der DDD Gallery in Osaka und wurde ermöglicht durch die großzügige Unterstützung von Dai Nippon Printing, Shiseido, Takeo Co. Ltd. und Tokushu Paper Manufacturing Co. Ltd. 

Ikko Tanaka wurde 1930 in der alten Kaiserresidenz Nara geboren. Nach dem Studium in Kyoto und längerer Tätigkeit für die Zeitung Osaka Sankei Shimbun gründete er 1963 sein eigenes Studio in Tokio. Seit 1975 ist er als Art Director der Seibu-Gruppe nicht allein für die Corporate Identity dieses Kaufhauskonzerns verantwortlich, sondern überdies für das Erscheinungsbild der zugehörigen Kulturinstitutionen, darunter das Seibu-Theater und das Seibu-(seit 1989 Sezon-)Museum of Art in Tokyo. Auch das Konzept der in den neunziger Jahren gegründeten Kette "Muji" mit ihren Angebot schlichter, nach funktionalen und ökologischen Kriterien ausgewählten "no brand goods" geht auf Tanakas Ideen zurück.

Tanakas Schaffen erstreckt sich auf alle Bereiche visueller Kommunikation. Er befasst sich mit der Gestaltung von Büchern und Zeitschriften, mit Entwürfen für Druckschriften, Verpackungen oder Textilien ebenso wie mit der Werbung für zahlreiche japanische und internationale Firmen, darunter so klangvolle Namen wie Shiseido, Issey Miyake, Hanae Mori oder Salvatore Ferragamo. Hinzu kommt die Gestaltung von Ausstel lungen und Innenräumen; so konzipierte er 1970 einen Pavillon auf der Weltausstellung in Osaka, und in jüngster Zeit entstand nach seinen Entwürfen eine Reihe monumentaler Wandbilder für den Flughafen Narita bei Tokio.

Den Mittelpunkt von Tanakas Werk bilden jedoch zweifellos seine Plakatentwürfe, die seit Anfang der 60er-Jahre überwiegend für den kulturellen Bereich entstanden sind: für Ausstellungen, für das Theater - vom traditionellen No bis zu zeitgenössischen Bühnenwerken - und für musikalische Veranstaltungen von der Oper bis zum Musical. Viele davon gehören heute zu den Klassikern der modernen Plakatkunst. Ihr unverwechselbares Kennzeichen ist der virtuose Umgang mit der graphischen und malerischen Ausdruckskraft der japanischen Schriftzeichen, die Tanaka mit japanischen oder lateinischen Druckschriften, mit abstrakten Farbformen, stilisierten Bildelementen, seltener auch mit Fotografien zu raffinierten und vielschichtigen Kompositionen verbindet. Dabei erweist er sich gerade in den Plakaten der jüngsten Zeit zunehmend auch als schöpferischer und unkonventioneller Kalligraph. Wie sehr ihn das Phänomen der Schrift in allen seinen Ausprägungen beschäftigt, hat Tanaka mit einem 1995 entstandenen Plakatzyklus unter dem Titel "Man and Writing" demonstriert: Dort geht es um das graphische Spiel mit Bildern und Schriftformen verschiedener historischer Epochen und Kulturen - von China über Mesopotamien, Ägypten und Arabien bis zum antiken Griechenland. Dass sich jede Schrift auch zum markanten Zeichen, zum leicht wiederzuerkennenden optischen Signal verdichten lässt, belegt schließlich eindrucksvoll die Vielzahl seiner Firmensignets. Sein Kriterium beim Entwurf solcher Logos: "Easy to draw and easy to use".

Tanaka verknüpft in seinen Arbeiten auf faszinierende Weise die visuelle Sprache der Moderne mit Elementen der japanischen Tradition. So findet in seinen Logos die strenge Stilisierung und Abstraktion japanischer Familienwappen (mon) ihre moderne Fortsetzung, und gerade im Zusammenhang mit seiner berühmten, in den frühen sechziger Jahren begonnenen Plakatserie für die No-Bühne Sankei Kanze wurde oft auf Bezüge zur Kunst des japanischen Farbholzschnitts verwiesen, etwa auf die Schauspielerportraits eines Sharaku oder Utamaro. Ein anderes Beispiel für seinen freien Umgang mit historischen Vorbildern ist ein 1986 für die "Japanese Graphic Designers Association" geschaffenes Plakat, das im stilisierten Motiv eines jungen Rehs ein Detail aus einer berühmten Bildrolle des zwölften Jahrhunderts anklingen lässt. Wiederholt wurden auch Verbindungslinien zwischen Tanakas Werk und den Arbeiten einer Gruppe japanischer Künstler des siebzehnten Jahrhunderts gezogen, zu der neben dem autodidaktischen Universalkünstler Honami Koetsu die Maler Tawaraya Sotatsu und Ogata Korin gehörten. In der Eleganz und dekorativen Qualität ihrer Arbeiten zwischen freier und angewandter Kunst, in der harmonischen Verschmelzung von Bild und Kalligraphie, nicht zuletzt in der subtilen Farbigkeit ihrer Werke zeigen sich in der Tat manche Gemeinsamkeiten mit Tanakas Design.

Tanaka selbst will sich allerdings ungern auf irgendwelche Vorbilder festlegen lassen. Er sieht sich unabhängig von allen historischen Stilen und zugleich abseits aller modischen Strömungen der Gegenwart. Tatsächlich beeindruckt seine Arbeit durch ihre außerordentliche Offenheit und die Fähigkeit, auf die spezifischen Anforderungen der unterschiedlichsten Auftraggeber immer wieder neu und dabei zugleich stets unverwechselbar als Ikko Tanaka zu reagieren. Der amerikanische Graphiker Ivan Chermayeff schrieb 1997 über seinen Kollegen:

"Ikko Tanaka wiederholt sich nicht. Sein Verständnis für die ihn umgebenden Traditionen, die vielen visuellen Sprachen des Pinsels, sein Wissen um die Geschichte und die Bilder seines Lan des, und sein Gefühl für den Raum, ob traditionell oder modern, ist so tief und klar erfühlt, dass jedes seiner Werke für sich steht. Ikko Tanaka ist zu gut, um auf seine eigenen zahllosen Erfolge zurückgreifen zu müssen. Er ist ein Erfinder, dessen Variationen im Kombinieren graphischer Sprachen sicher und ohne Ende sind. Das Resultat ist ein überströmender Reichtum neuer Bilder."

Eine kaum zu unterschätzende Bedeutung besitzt für Tanaka die Ästhetik der Teezeremonie, die er selbst seit vielen Jahren als Teemeister praktiziert. Sie hat tiefe Spuren in der "Eleganz, Exaktheit und Reinheit" (Gian Carlo Calza) seiner Arbeiten hinterlassen. Ein 1983 von Tanaka für eine Pariser Ausstellung eingerichteter Teeraum ließ zwar alle formalen Konventionen der klassischen Vorbilder hinter sich, vermittelte aber zugleich in seinen erlesenen Materialien und in der Kombination mit traditionellen Geräten auf vollendete Weise den Geist des Tee-Weges (chado).

Hierzu passt auch ein eher beiläufiges Detail in Tanakas Atelier in Tokio: An einer sonst leeren Wand ist dort eine zylindrische Vase mit einem sparsamen Blumenarrangement angebracht. Farbe, Form und Oberfläche des schlichten Gefäßes suggerieren die in der Teezeremonie so geschätzten Qualitäten von Bescheidenheit und Alter. Bei genauerem Hinsehen handelt es sich hier indessen nicht um das in dieser Umgebung erwartete kostbare Stück alter japanischer Keramik oder um ein vom jahrzehntelangen Gebrauch nobilitiertes Bambusgefäß, sondern um das Fragment eines korrodierten eisernen Gasrohrs - wenn man so will, um ein Stück Schrott. Radikaler und zugleich einfühlsamer lässt sich der Geist der Teezeremonie wohl kaum in unsere Zeit übertragen.

Dr. Klaus Weber,
wissenschaftlicher Mitarbeiter,
Bauhaus-Archiv, Berlin

Zur Ausstellung, die bis zum 26. November 2000 im Bauhaus-Archiv Berlin zu sehen war - ist ein reich illustrierter Katalog zum Preis von 20 DM erschienen.

 AsKI KULTURBERICHTE 2/2000

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