Günter Grass-Haus, Lübeck: Das ist Grass. Die neue Dauerausstellung

Der Skulpturengarten des Günter Grass-Hauses, Foto: © Fotografie in der Altstadt

Die letzte Dauerausstellung im Günter Grass-Haus wurde im Jahr 2012 eröffnet, also noch zu Lebzeiten des Literaturnobelpreisträgers. Sie war deshalb konzeptionell und inhaltlich veraltet. Die nationale und internationale Wahrnehmung von Günter Grass hat sich in der Öffentlichkeit seit seinem Tod im April 2015 in Lübeck noch verstärkt: Er gilt heute als Klassiker und bedeutender Repräsentant deutscher Literatur und Kultur.

Das Leben und Werk des Ausnahmekünstlers, der sich als Maler, Bildhauer, Grafiker, Schriftsteller und politischer Intellektueller wie ein Grenzgänger zwischen verschiedenen Disziplinen bewegte, wird in der Dauerausstellung „Das ist Grass" neu verortet. Die Schau hat Staatsministerin Claudia Roth am 9. März 2022 feierlich eröffnet.

Das Museum konnte in den letzten Jahren zahlreiche neue bedeutende Exponate, die bislang nicht im Museum präsentiert werden konnten, ankaufen, u. a. die Manuskripte zu „Beim Häuten der Zwiebel" und „Grimms Wörter". Im Fokus der neuen Dauerausstellung, die maßgeblich durch das Ressort der Staatsministerin gefördert wurde, stehen die Originale aus der eigenen Sammlung.

Die neue Dauerausstellung orientiert sich werkbiographisch an den wichtigsten Lebensstationen von Günter Grass und umspannt zentrale literarische und bildkünstlerische Schaffensperioden. Sämtliche Gebäudeteile des Günter Grass-Hauses sind seither konzeptionell und inhaltlich miteinander verbunden.

‘Das Huhn im Topf‘, Manuskript von Günter Grass zu ‘Beim Häuten der Zwiebel‘, Foto: © Günter und Ute Grass Stiftung

Die Schau startet in der Museumsdiele mit dem Element „Kindheit und Jugend". Hier wird die Zeit zwischen Grass' Geburt 1927 und dem Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 erläutert. Das Zentrum der Inszenierung bildet eine große Monitorwand, auf der eine eigens produzierte Filmcollage gezeigt wird. Der bekannte deutsche Schlagzeuger Bela B. schlägt darin eine Brücke in die Gegenwart: Zusammen mit dem kleinen Blechtrommler Oskar Matzerath aus der „Blechtrommel"-Verfilmung bringt er die Nationalsozialisten auf der Leinwand aus dem Takt. Ein langer Teppich in der Diele zeigt den Stadtplan von Danzig, um die Bedeutung der Heimatstadt für das Leben und Werk des Literaturnobelpreisträgers zu verdeutlichen. Eine separate Informationssäule erläutert, warum Günter Grass sein Sekretariat im Jahr 1995 von Berlin in die Lübecker Glockengießerstraße 21 verlegte – eben weil ihn Lübeck stark an Danzig erinnerte. So wird zu Beginn der neuen Präsentation ein Bogen zwischen Grass' Geburts- und Sterbeort gespannt und zugleich die Geschichte des Museums skizziert.

Von der Diele gelangt das Publikum in den idyllischen Skulpturenhof. Dieses „Museum ohne Dach" thematisiert den Werdegang des bildenden Künstlers Grass in der Nachkriegszeit. Großformatige Fotos, neue Plastiken und Texttafeln illustrieren diese Jahre von 1945 bis 1956. Sitzbänke und eine neu geschaffene Rasenfläche laden zum Verweilen ein.

Eine auffällige Lichtinstallation mit der Signatur von Günter Grass auf dem Dach des Hauptgebäudes weist den Gästen den Weg vom Skulpturenhof in den nächsten Teil der Ausstellung. Im Museumsfoyer geht es um die Entwicklung des bildenden Künstlers Grass zum Schriftsteller, der ab 1956 hauptsächlich in Paris „Die Blechtrommel" schreibt. Auf einem Multitouchtisch erläutern Persönlichkeiten wie Salman Rushdie und Denis Scheck die Bedeutung des Debüt­romans von Günter Grass.

Den Höhepunkt der neuen Dauerausstellung bildet das „Offene Archiv" über den „Wort- und Bildkünstler" im Hauptraum des Museums. Dieses große, frei zugängliche Archiv gewährt mit zahlreichen Schubladen, digitalen Schaukästen, Fotos und Büchern Einblicke in die künstlerischen Ausdrucksformen, Arbeitsprozesse und Denkweisen des Bildhauers, Grafikers, Schriftstellers und politischen Intellektuellen. Objekte wie originale Manuskripte, Bilder, Plastiken, Werkzeuge und persönliche Gegenstände zeigen Grass' breites schöpferisches Spektrum. Das Beherrschen des Handwerks bildet die Grundlage für sein Schaffen. An den Wänden wird eine Auswahl seiner bildkünstlerischen Arbeiten aus sechs Jahrzehnten gezeigt, die die Entwicklung des Grafikers und Malers illustrieren. Auf der Rückseite des Archivs wird exemplarisch der mehrstufige Entstehungsprozess eines Buchs von Günter Grass von den ersten handgeschrie­benen Entwürfen bis zum fertigen Produkt veranschaulicht.

Günter Grass erhält den Literaturnobelpreis, Foto: © Barbara Klemm

Im Treppenhaus wird die Nobelpreisurkunde von Günter Grass als wichtigstes Exponat der Dauerausstellung in einer Glas­vitrine auratisch inszeniert. Ein großformatiges Foto im Treppenhaus zeigt Günter Grass bei der Verleihung des Preises in Stockholm am 10. Dezember 1999. Im letzten Teil der Schau wird Grass' Auseinandersetzung mit dem Tod in seinem Buch „Vonne Endlichkait" (2015) reflektiert. Eine Vielzahl von Zeitungsauschnitten zeigen die internationale Betroffenheit auf die Nachricht seines Todes in Lübeck am 13. April 2015.

Jörg-Philipp Thomsa |
Leiter des Günter Grass-Hauses


www.grass-haus.de

 

AsKI kultur leben 1/2023

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