Goethe Jahr 1999 : Goethe-Museum/Kippenberg-Stiftung, Düsseldorf

Johann Wolfgang von Goethe, Eigenhändige Reinschrift des Gedichts ‘Ginkgo biloba‘ aus dem ‘West-östlichen Divan‘ mit zwei von ihm eigenhändig aufgeklebten Ginkgo-Blättern, 1815, Goethe-Museum Düsseldorf

Es war eine besondere Fähigkeit des 1743 in Düsseldorf geborenen, von tiefer Religiosität geprägten Philosophen und Schriftstellers Friedrich Heinrich Jacobi, Freunde mittels Gespräch für sich zu gewinnen. Als folgenreichste Begegnungen sollten sich diejenigen mit Goethe erweisen, der zweimal als Überraschungsgast nach Düsseldorf-Pempelfort kam.

Die erste Begegnung (20. bis 24. Juli 1774; 14. Buch von „Dichtung und Wahrheit") stand im Zeichen der Diskussionen um den Pantheismus Spinozas und der Betrachtung niederländischer Malerei, die zweite (6. November bis 4. Dezember 1792; November 1792 der „Campagne in Frankreich") konfrontierte Goethe mit Vertriebenen und Emigranten, die ihm die Idee zu „Hermann und Dorothea" vermittelten.

Sein poetisches Credo formulierte er während dieser Zeit in dem Gedicht „Künstlers Fug und Recht". Von „diesem gastfreisten aller Häuser", in Steinwurfweite von dem 1771 fertiggestellten Schloß Jägerhof – nun Sitz des Goethe-Museums – entfernt, schrieb er: „Ein freistehendes geräumiges Haus, in der Nachbarschaft von weitläufigen wohlgehaltenen Gärten, im Sommer ein Paradies, auch im Winter höchst erfreulich". Familiäre und intellektuelle Bande ließen Düsseldorf-Pempelfort zu einem Beziehungszentrum für Goethe werden.

In der Goethe-Stadt Düsseldorf, die mit der Sammlung Kippenberg ein Zentrum der Goethe-Forschung beherbergt, zeigt das Goethe-Museum zum Jubiläumsjahr insgesamt sechs Ausstellungen.

Am Beginn dieser Reihe stand eine Ausstellung zu Klopstocks ersten zehn Hexameter-Gesängen des „Messias", die Goethe selbst als Anfang einer neuen Epoche deutscher Literatur bezeichnete. Zu sehen waren u.a. sieben Portraits von Klopstock und das von Meta Moller, erste Entwürfe und Korrekturexemplare.

Die von Heike Spies erarbeitete Ausstellung „Goethe und die Welt der Pflanzen" (21. Februar bis 11. April) wird von einem Katalog begleitet, für den Frau Dr. Veronica Carstens ein Grußwort verfaßt hat. Samen- und Pflanzenmaterial, eine Baumscheibe aus Goethes Geburtsjahr, Modelle ergänzten die ausgestellten Autographen, Bücher und Gemälde. Die eigenen Bestände wurden durch Exponate von zehn Leihgebern erweitert. Vorträge, Rezitationen und musikalische Darbietungen rundeten diese, wie auch andere Ausstellungen ab.

Die Hauptausstellung „Europa, wie Goethe es sah" (23. Mai bis 18. Juli in Düsseldorf, danach auch im Elsaß und in Bologna) knüpft in Kontinuität und Erweiterung an eine Ausstellung Kippenbergs aus dem Jubiläumsjahr 1949 an: „Deutschland, wie Goethe es sah". Das konkret Erlebte - Wohnorte, die Ausbildung in Leipzig und Straßburg, Reisen, Besucher - ist die leitende Perspektive. Ein internationaler Kongreß „Goethes geistiges Europa" - in Zusammenarbeit mit der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf (20. bis 27. Juni) - widmet sich ergänzend dem von Goethe nicht konkret Angeschauten, sondern mittelbar Gelernten (z.B. englische Literatur und Royal Society).

Der bildende Künstler Heinz Mack, den schon vor der Zero-Gründung Goethes „Farbenlehre" als Bewußtmachung eines Teils menschlicher Wahrnehmung faszinierte, hat in den letzten Jahren einen Zyklus von Bildern zu Goethes „ Westöstlichem Divan" geschaffen, der arabisch-islamische Form- und Farbelemente mit kalligraphisch dargestellten Gedichttexten vereinigt (15. August bis 3. Oktober).

Die Ergebnisse eines seit Herbst 1998 an den höheren Schulstufen in Nordrhein-Westfalen ausgeschriebenen Wettbewerbs zum Thema „Ideen und Einfälle zu Goethe", für den 20.000 Exemplare des Lese- und Arbeitshefts angefordert worden sind, werden in einer eigenen Ausstellung präsentiert (17. Oktober bis 22. November). Preisgekrönte szenische und mediale Arbeiten zeigt parallel das Düsseldorfer Schauspielhaus.

Die abschließende Gedenkausstellung ist dem Verleger und Goethe-Sammler Anton Kippenberg gewidmet, der in schwierigster Zeit den humanitären Auftrag und die Einheit der internationalen Goethe-Gesellschaft zu sichern wußte. Das Denken an ihn ist zugleich ein Gedenken des Todestages am 21. September 1950 in Luzern (28. November 1999 bis 16. Januar 2000).

Neben der Gestaltung eines Sommerfests anläßlich von Goethes Geburtstag am 28. August ist die Fertigstellung eines Modells von Goethes Weimarer Wohnhaus sowie eines Videos „Goethe im Rheinland" besonders hervorzuheben, ebenso wie der Bronze-Nachguß der Medaille von Johann Gottfried Schadow zu Goethes Ehren vom Frühjahr 1816.

Eine Ginkgo-biloba-Münze in Silber und Gold hat Louise Christine Thiele geschaffen, die auf dem Avers die Blätter der Gedichtreinschrift als Motiv verwendet, auf dem Revers ein in Blattstruktur dargestelltes stilistisches Vogelpaar. Am 24. April wird am Schloß Jägerhof ein Radweg eröffnet, der über Münster nach Weimar führt (erste Etappe: 24. April bis 1. Mai; zweite Etappe: 18. bis 25. September). Im Rahmen des internationalen Chemiker-Kongresses „In Com" (22. bis 25. März) wird u.a. eine Ausstellung „Künstlerinnen sehen Goethe" gezeigt, die, angeregt durch „Freunde der Künste Düsseldorf-Berlin", als Dauerleihgabe in den Besitz des Goethe-Museums übergeht. Von den vielfältigen flankierenden Aktivitäten in Düsseldorf seien genannt: die Ausstellung zu Angelica Kauffmann, die das Kunstmuseum zusammengestellt und zur Jahreswende gezeigt hat; sie ist 1999 in München und Chur zu sehen. Eine Ausstellung des Heine-Instituts zur Goethe-Rezeption (9. Mai bis 1. August), Ausstellungen des Theatermuseums zu Gustaf Gründgens und seiner Mephisto-Darstellung (26. Oktober 1999 bis 30. Januar 2000) sowie eine Vortragsreihe der Stadtbücherei im Herbst gehören dazu. Das Düsseldorfer Schauspielhaus erweitert das Repertoire um Einladungen an europäische Bühnen, die Goethe-Stücke inszeniert haben. Im Rahmen des Düsseldorfer Altstadtherbstes werden neue Kompositionen zu Goethe-Texten präsentiert (2. Oktober).

Mehr als zwanzig auswärtige Beteiligungen, auch am Programm der Goethe-Institute (u.a. Boston, Brüssel, Moskau), reichen von Einzelstücken bis zur Weitergabe von ganzen Ausstellungen (Bürgerstiftung Frankfurt/M., Kronach und Bergamo). Vorträge und Kongreßbeiträge werden von den wissenschaftlichen Kräften des Goethe-Museums Düsseldorf auch international gehalten. Der Dank hat besonders den öffentlichen und privaten Geldgebern zu gelten, die helfen, dieses Programm zu verwirklichen.


Prof. Dr. Dr.hc. Volkmar Hansen
 Direktor des Goethe-Museums Düsseldorf

 

 

AsKI KULTURBERICHTE 1/1999

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