Goethe Jahr 1999 : Die Goethe-Gesellschaft in Weimar e.V.

Die Leiden des jungen Werthers Teil 1, Titelblatt einer russischen Ausgabe. Sankt Petersburg 1781, Foto: Stiftung Weimarer Klassik

Goethe-Gesellschaft in Weimar e.V. - das ist der eher bescheidene Name für eine Vereinigung, 1885 in Weimar gegründet und seitdem in dieser Stadt ansässig, die allein in Deutschland 52 Goethe-Ortsvereinigungen umfaßt und insgesamt etwa 4500 Mitglieder in 49 Staaten der Erde zählt. Worin besteht der Beitrag dieser Gesellschaft zum Goethe-Jahr?

Den Auftakt bildet die 76. Hauptversammlung der Goethe-Gesellschaft vom 26. bis 29. Mai 1999 in Weimar: „Goethe im 20. Jahrhundert. Das Vergangene als das Zukünftige?". Erwartet werden etwa 1000 Teilnehmer aus 30 Staaten. Willkommen ist der Goethe-Forscher, willkommen ist der Goethe-Freund. Im Goethe-Jahr wird die Goethe-Gesellschaft zudem die Präsidenten aller 16 nationalen Goethe-Gesellschaften und die Vorsitzenden der zehn regionalen ausländischen Goethe-Gesellschaften zu sich bitten. Die wissenschaftliche Konferenz bietet 16 Arbeitsgruppen an. Sie widmen sich unter anderem der Goethe-Rezeption in Rußland, England und Frankreich, in Österreich und Japan. Weitere Arbeitsgruppen beschäftigen sich mit Goethes Bedeutung für den geistigen Widerstand gegen Hitler, mit Goethes Einfluß in diesem Jahrhundert auf die literarischen Gattungen, auf Kunst und Musik, auf das Rechts- und Staatsdenken sowie auf die Naturwissenschaften. Auf dem Programm stehen darüber hinaus eine Museumsnacht im Goethe-Nationalmuseum, eine Lesung mit Reiner Kunze, eine „Faust"-Aufführung im Deutschen Nationaltheater und ein musikalisch-literarischer Goethe-Abend.

Vom 14. bis 18. Juli 1999 wird ein Kongreß literarischer Gesellschaften auf Schloß Friedenstein in Gotha veranstaltet: „Die europäische Literatur und Goethe - Goethe und die europäische Literatur". Unter dem ideellen Patronat der Goethe-Gesellschaft werden sich zwei westliche und zwei östliche Sozietäten begegnen: die Shakespeare- und die Diderot-Gesellschaft sowie die Puschkin- und die Mickiewicz-Gesellschaft (in Gründung). Referate wird es geben z.B. zu den Themen Shakespeare und der junge Goethe, Diderot und Goethe, Goethe und das literarische Frankreich des 18. Jahrhunderts, Goethe und Puschkin, Goethe, Mickiewicz und die westeuropäische Literatur, Puschkin und die französische Literatur. Theateraufführungen im Ekhof-Theater, Soireen und der Besuch einer Ausstellung der Forschungsbibliothek Gotha ergänzen das wissenschaftliche Programm.

Faust I und II, Titelblatt einer französischen Ausgabe, Paris 1969, Foto: Stiftung Weimarer Klassik

Eine internationale Konferenz der Goethe-Übersetzer findet vom 18. bis 22. August 1999 in Erfurt statt. Veranstaltet von der Goethe-Gesellschaft, der Akademie gemeinnütziger Wissenschaften und der Universität Erfurt, wird sie Goethe-Übersetzer aus 25 Ländern zusammenführen. Bedenkt man, daß seit dem Goethe-Jahr 1949 über 2000 Goethe-Übersetzungen - von einzelnen Werken bis zu Teil- und Gesamtausgaben - in mehr als 60 Sprachen publiziert wurden, so ist das Goethe-Jahr 1999 ein schöner Anlaß, zu einem Meinungs- und Erfahrungsaustausch nach Erfurt einzuladen. Konzeptionell wie praktisch koordiniert ist die Konferenz mit dem vom Goethe-Institut Weimar veranstalteten Kolloquium ausländischer „Faust"-Übersetzer. Exkursionen zu Goethe-Stätten in Thüringen runden das Veranstaltungsprogramm ab.

Faust, Prolog und Teil I, Titelblatt einer englischen Ausgabe, London 1969, Foto: Stiftung Weimarer Klassik

Im Jubiläumsjahr wird die Goethe-Gesellschaft das 115. Goethe-Jahrbuch auf den (Gaben-)Tisch legen. Es vereint wissenschaftliche Abhandlungen sowie Miszellen, Dokumentationen und Rezensionen deutscher und ausländischer Goethe-Forscher, die Chronik der Goethe-Gesellschaft, die Tätigkeitsberichte ihrer Ortsvereinigungen, Resümees aus dem Leben ausländischer Goethe-Gesellschaften und eine Goethe-Bibliographie.

Faust, Innentitei einer chinesischen Ausgabe, Peking 1952, Foto: Stiftung Weimarer Klassik

Seit 1993 vergibt die Goethe-Gesellschaft Stipendien an vorwiegend ausländische Forscher, um ihnen die Begegnung mit der deutschen Klassik sozusagen vor Ort zu ermöglichen. Ausschließlich von privaten Spenden finanziert, arbeiten die Stipendiaten zwischen vier Wochen und drei Monaten in Weimar. 1999 werden insgesamt elf Stipendiaten gefördert: Wissenschaftler aus Georgien, Lettland, Rußland, Burkina Faso, Korea, aus der Slowakei und aus Rumänien. Im Goethe-Jubiläumsjahr kann nun der 100. Stipendiat begrüßt werden.

Nicht selten sind es gerade diese Stipendiaten, die - zurückgekehrt in ihre Heimatländer - dort Goethe-Gesellschaften ins Leben rufen. So wurden während der letzten vier Jahre zwölf nationale und sechs regionale ausländische Goethe-Gesellschaften gegründet. Nachdem sich 1998 Goethe-Gesellschaften konstituierten in Rumänien, Kolumbien, Indien, Armenien, Lettland und der Slowakei, sind im Goethe-Jahr Neugründungen in Prag, Istanbul und Barcelona geplant. Es versteht sich, daß die sog. Muttergesellschaft in Weimar ihren Tochtergesellschaften jegliche Unterstützung zuteil werden läßt: finanzielle Förderung, Literaturbeihilfen, Vermittlung von Gastreferenten u.a.

Die Mittel für diese Vorhaben müssen fast ausnahmslos durch private Initiative beschafft werden - was undenkbar wäre ohne die unermüdliche Tätigkeit des Präsidenten der Goethe-Gesellschaft, Herrn Prof. Dr. Werner Keller.

Faust, Titelblatt einer indischen Ausgabe, Delhi 1963, Foto: Stiftung Weimarer Klassik

„Ich bin Weltbewohner, bin Weimaraner" - so Goethe in den „Zahmen Xenien". Drei internationale Goethe-Konferenzen, die Förderung internationaler Goethe-Stipendiaten, Neugründungen ausländischer Goethe-Gesellschaften und ein internationales Goethe-Jahrbuch - ein Weltbewohner richtet sich ein. Und mit ihm die Goethe-Gesellschaft in Weimar, denn, so Goethe an Knebel am 2. Januar 1798, „wenn ein Jahr nicht leer verlaufen soll, so muß man beizeiten anfangen". Der Präsident der Goethe-Gesellschaft hat das Goethe-Jahr eröffnet - am 7. November 1998 in Ilmenau.

Schließlich: kein Geburtstag ohne Einladung. Die Goethe-Gesellschaft in Weimar steht jedem Interessierten offen.

Burgplatz 4, 99423 Weimar
Telefon: (0 36 43) 20 20 50, Fax: (0 36 43) 20 20 61
E-Mail: goetheges@aol.com

Dr. Petra Oberhauser
Leiterin der Geschäftsstelle der Goethe-Gesellschaft in Weimar e.V.

AsKI KULTURBERICHTE 1/1999

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