Frankfurter Goethe-Haus – Freies Deutsches Hochstift: Sieben Gesichter für das Deutsche Romantik-Museum

Diplom-Restauratorin Maike Behrends bei der Arbeit an Luise Seidlers Porträt der Ottilie Arnoldi, im Hintergrund J.F.A. Tischbeins Porträt Hufelands, © Maike BehrensGesichter faszinieren uns. Gemalt, gezeichnet oder fotografiert stehen sie zu unserer freien Verfügung, sie halten still und lassen sich ungeniert betrachten. Die Kunstgeschichte erzählt uns über die Jahrhunderte hinweg unzählige Geschichten über diese Stellvertreter-Gesichter.

Vor dem Aufkommen der Fotografie im 19. Jahrhundert, die scheinbar das „ungeschminkte" Bild eines Menschen lieferte, oblag es dem Porträtmaler, Ausdruck und Identität des Dargestellten zu vermitteln. Können wir ihm vertrauen? Oder ist alles nur ein geschickt in Szene gesetztes Artefakt?

Die Kunstsammlungen des Freien Deutschen Hochstifts in Frankfurt am Main umfassen neben Meisterwerken von Jacob Philipp Hackert, Caspar David Friedrich, Carl Gustav Carus und Johann Heinrich Füssli auch eine ganze Reihe von Porträts aus Klassik und Romantik.

Einige dieser Bildnisse haben in den Kellerdepots lange auf ihren Auftritt warten müssen. Mit der Eröffnung des derzeit am Großen Hirschgraben entstehenden, einzigartigen musealen Ensembles aus Frankfurter Goethe-Haus und Deutschem Romantik-Museum erhält neben der neu konzipierten Dauerausstellung zur Romantik auch die Gemäldegalerie des Freien Deutschen Hochstifts neue Räume. Der Umzug bietet die Gelegenheit, für die Neuhängung Werke aus dem Depot zu holen, die bislang nicht präsentiert werden konnten.

Johann Heinrich Tischbein d. Ä., Friederike Elisabeth und Wilhelmine Oeser, 1776, Öl auf Leinwand, 67,6 x 84,4 cm, Detail: Neue Kittungen im leimgebundenen Kreidegrund in zahlreichen winzigen Fehlstellen, © Maike Behrens

Sieben Gesichter werden die Dauerausstellung in Zukunft ergänzen: zwei Schwestern, eine Braut, ein junges Mädchen, ein Arzt, ein Maler und ein Schriftsteller. Sie alle erwiesen sich als im Laufe der Zeit deutlich gealtert: der Teint verblasst, faltig und zerkratzt auf pudrig-bröselndem Hintergrund. Sie bedurften aufwendiger Restaurierungen, sichernder Maßnahmen und fachkundiger Reinigung, um sie in das neue Museum aufnehmen zu können. Die unterschiedlichen Techniken erforderten dabei die speziellen Kenntnisse einer Gemälde- und einer Graphikrestauratorin, sowie einer Restauratorin mit dem Spezialgebiet Pastelle.

Johann Heinrich Tischbein d. Ä., Friederike Elisabeth und Wilhelmine Oeser, 1776, Öl auf Leinwand, 67,6 x 84,4 cm, Detail, uV-Aufnahme. Die dunklen Flecken markieren alte Retuschen und Übermalungen über Fehlstellen in der Malschicht, © Maike Behrens

Der Ernst von Siemens Kunststiftung ist es zu verdanken, dass die sieben Gesichter nun „salonfähig" gemacht werden konnten. Jenseits der Förderung großer, publikumswirksamer Ausstellungen und Ankäufe unterstützte sie mit der Initiative KUNST AUF LAGER die oft für den Besucher unsichtbaren, doch elementaren Arbeiten der Museen.

Johann Heinrich Tischbein d. Ä., Friederike Elisabeth und Wilhelmine Oeser, 1776, Öl auf Leinwand, 67,6 x 84,4 cm, Detail, restauriertes Gesicht der Friederike Oeser, © Maike Behrens

Einige Beispiele, die zeigen, wie die Gesichter unter den erfahrenen Händen der Restauratorinnen zu alter Pracht zurückgefunden haben:
Das elegante Doppelporträt der Schwestern Friederike Elisabeth und Wilhelmine Oeser von Johann Heinrich Tischbein (1776) zeigt die Töchter des Leipziger Malers Adam Friedrich Oeser, mit dessen Familie Goethe in freundschaftlichem Kontakt stand. Auf die musischen Talente der Töchter spielen das Buch und die Laute in ihren Händen an ebenso wie die Staffelei im Hintergrund. Am neuen Ort kann das Porträt nun mit einem Doppelporträt in Dialog treten, das der gleiche Maler von den eigenen Töchtern im türkischen Kostüm anfertigte. Das Gemälde wies verschiedene mechanische Beschädigungen auf, es zeigten sich Spuren – wie z. B. nachgedunkelte Retuschen und Übermalungen – einer vorhergehenden Restaurierung, eine ältere Randabklebung aus Zeitungspapier und ein möglicherweise altes Loch oder ein Riss im rechten Auge der rechten Figur. Insgesamt war die Oberfläche stark gestört. Ziel der Restaurierung war es, die zahllosen Fehlstellen so weit zu schließen, dass wieder ein flächiger Gesamteindruck entstehen konnte.

Louise Seidler, eine der wichtigsten Malerinnen der deutschen Romantik und bislang nicht in der ständigen Ausstellung vertreten, wird mit den Bildnissen von Ottilie Arnoldi und Julie Zschaler nun ihren Platz dort einnehmen. Seidler war sowohl eine Freundin Goethes als auch eine Vertraute Caspar David Friedrichs und eng verbunden auch mit den anderen Malern der Dresdner Romantik. Einige Jahre in Rom hatten sie in Kontakt mit den Nazarenern gebracht, deren feiner, klarer Stil auch in ihren Mädchenbildnissen mitschwingt. Nach der Restaurierung der vergilbten, verschmutzten und durch Farbverluste beeinträchtigten Porträts kann Seidler nun mit diesen beiden besonders schönen Arbeiten ihre Position im Romantik-Museum behaupten.

Johann Friedrich August Tischbein, Porträt Hufeland, 1798, Öl auf Leinwand, 66,3 x 52,7 cm, UV-Aufnahme: rechte Hälfte: Firnis und Übermalungen sind abgenommen, linke Hälfte: alter Firnis fluoresziert hell und die alten Übermalungen zeichnen sich als dunkle Flecken ab, Freies Deutsches Hochstift – Frankfurter Goethe-Museum, © David Hall

Eine besondere Herausforderung lag – so die Diplom-Restauratorin Maike Behrends – in der Restaurierung eines Porträts des Hofmedicus und späteren Jenaer Medizinprofessors Christoph Wilhelm Hufeland von Johann Friedrich August Tischbein, dem sogenannten „Leipziger Tischbein". Hufeland war Arzt von Goethe, Schiller, Wieland und Herder und als Mitbegründer der Freitagsgesellschaften in Weimar aktiv am Austausch über die Grenzen der Disziplinen hinweg beteiligt.

Johann Friedrich August Tischbein, Porträt Hufeland. 1798, Öl auf Leinwand, 66,3 x 52,7 cm. Während der Restaurierung: Nach der Abnahme des alten Firnis und alter Übermalungen wurden fünf alte Stich- oder vielleicht auch Einschusslöcher sichtbar, © Maike Behrens

Auf Vermittlung Herzog Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenachs erhielt er 1793 eine Professur für Medizin in Jena und ging 1801 als Direktor des Collegium Medicum und der Charité nach Berlin. Im Zuge der Restaurierung offenbarten sich im UV-Licht rings um das Gesicht herum fünf gekittete Löcher im Gewebe. Die Spiralsprünge in der Malschicht wiesen auf eine ehemalige Druckeinwirkung von vorne hin. Sind sie Zeugnisse einer geheimnisvollen Geschichte des Gemäldes? In früheren Restaurierungen war das Gemälde mit einem Wachs-Harzgemisch auf eine zweite Leinwand doubliert worden. Der Firnis und alle alten Retuschen mussten abgenommen werden, unebene Altkittungen mit Kreidegrund ausgeglichen und farblich mit Retusche integriert werden.

Auch die anderen Bildnisse wiesen teils nachgedunkelte und gegilbte Firnisse, gelockerte Malschichtschollen, Fehlstellen in Malschicht und Grundierung sowie Kratzer, Löcher und Risse auf. Dank der gründlichen und kenntnisreichen Arbeit der Restauratorinnen erstrahlen sie heute in neuem Glanz.

Alle sieben Gesichter sind in einer von Dr. Neela Struck, wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Kunstsammlung des Freien Deutschen Hochstifts, erstellten Pageflow-Reportage zu sehen. Die Idee, dieses multimediale Storytelling-Tool zur Dokumentation der Restaurierungen zu nutzen, geht auf eine Initiative des AsKI zurück, der sich für sein aktuelles Gemeinschaftsprojekt „Alle Wege führen nach Rom" diese Art der Präsentation von den Mitgliedsinstituten gewünscht hatte.

Schauen Sie selbst:
https://fdh-kunst-auf-lager.pageflow.io/gesichter-fur-das-deutsche-romantik-museum

Beatrice Humpert
Mitarbeiterin der Direktion
Frankfurter Goethe-Haus – Freies Deutsches Hochstift,
 Frankfurt am Main

 

AsKI KULTUR lebendig 1/2020

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