Eröffnung des Filmuseums Berlin

Das Filmhaus im Sony-Center am Potsdamer Platz, Aufnahme vom März 2000, Foto: Sony/O.Reuter

Der lange Weg zum Filmmuseum
Der Platz für das Filmmuseum der Deutschen Kinemathek war im Januar 1983 gefunden.

Bei einer Begehung der Reste des ehemaligen Hotels "Esplanade" in der Bellevuestraße (Tiergarten), mit unmittelbarem Blick auf die Mauer am Potsdamer Platz, entdecken der Kultursenator Volker Hassemer und Heinz Rathsack, Vorstand der Kinemathek, den Reiz denkmalsgeschützter Halbruinen in der Randlage Westberlins. Grundstück und Gebäude gehören der bundeseigenen Industrie-Verwaltungs-Gesellschaft (IVG), mit der man wohl handelseinig werden sollte. Hassemer, ein Senator mit Visionen, Rathsack, gleichzeitig Direktor der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (DFFB), und Erika & Ulrich Gregor, Betreiber des "Arsenal"-Kinos der "Freunde der Deutschen Kinemathek", entscheiden sich schnell für das Esplanade als Ort des seit längerer Zeit geplanten "Filmhauses". Hier sollen die DFFB, das Arsenal und die Kinemathek mit dem Filmmuseum ihren Platz finden. Zur 750-Jahr-Feier Berlins, 1987, könnte der Bau bezugsfertig sein.

Aber es dauert schließlich alles ein bisschen länger. Von der Entdeckung des Platzes bis zur Eröffnung des Museums vergehen siebzehn Jahre und acht Monate. In dieser Zeit wird zunächst geplant, verhandelt, kalkuliert, auf politische Entscheidungen gewartet und ein Architektenwettbewerb ausgeschrieben, den Herman Hertzberger aus Amsterdam gewinnt. Man hofft auf die Beteiligung des Bundes, und als sie ausbleibt, wird der Berliner Alleingang beschlossen (Zuschuss: 40 Millionen DM). Zur 750-Jahr-Feier veranstaltet die Kinemathek immerhin eine Filmausstellung im Esplanade, und Billy Wilder signiert anlässlich der Eröffnung einen Grundstein für das Filmhaus. Ein Bauträger wird gesucht, das Projekt im Herbst 1988 noch einmal vom Abgeordnetenhaus beschlossen, neu kalkuliert, die Planung überarbeitet - bis im November 1989 die Mauer fällt. Plötzlich ist der Potsdamer Platz keine Randlage mehr, sondern begehrtes Terrain für internationale Investoren. Anke Martiny hat inzwischen als Kultursenatorin die Nachfolge von Volker Hassemer angetreten.

Im Februar 1989 hatte das Land Berlin das Esplanade-Grundstück (rund 30.000 qm) von der IVG erworben, im Juni 1991 verkauft das Land das Areal an den Sony-Konzern. Das Filmhaus gerät dabei allerdings nicht in Vergessenheit. Der Kaufvertrag enthält die Vereinbarung, dass Sony auf dem Gelände neben anderen Gebäuden als geldwerte Leistung ein Filmhaus mit 15.000 qm vermietbarer Fläche zu errichten und für 25 Jahre zu einem relativ günstigen Preis an das Land zu vermieten hat. Der Hertzberger-Entwurf ist vom Tisch, es wird neu geplant.

Den Architektenwettbewerb gewinnt im August 1992 Helmut Jahn aus Chicago. In der Jury sitzt neben dem Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen ein neuer Kultursenator: Ulrich Roloff-Momin. Er vertritt auch die Interessen der künftigen Filmhausnutzer. Jahns Entwurf ist mit Abstand der Beste, das Filmhaus scheint gut platziert. In der Optimierungsphase des Sony-Projekts werden dem Haus verschiedene Standorte zugewiesen, bis es seine endgültige Position erreicht hat, eine bessere sogar als in der ersten Planung. Interne Bezeichnung: Gebäude B 1. Adresse: Potsdamer Straße 2. In die Konzeption des Filmhauses ist 1993 ein vierter Nutzer aufgenommen worden: die "Deutsche Mediathek". Die Gründung dieses "Programm-Museums für Hörfunk und Fernsehen" zieht sich über Jahre hin, die gegenwärtigen Aussichten sind gut. 

George Hurrell, Marlene Dietrich um 1937, Vintage Print, Foto: Filmmuseum Berlin - Deutsche Kinemathek Marlene-Dietrich-Collection

Immer wieder wird neu geplant und sparsamer kalkuliert. Jahns Architektur macht durch ihre eigenwillige Geometrie und die inneren Versorgungskerne Vorgaben, denen sich die Funktionen schwer anpassen lassen. Es gibt viele Gespräche, auch Kontroversen, und natürlich Kompromisse. Die Sitzungsprotokolle und die jeweils neuen Entwürfe füllen dicke Aktenordner.

Damit das Museum in der Phase der Bauplanung nicht in Vergessenheit gerät, ediert die Kinemathek gemeinsam mit dem Museumspädagogischen Dienst ein Buch: "Deutsche Kinemathek - Das Filmmuseum" (Dietrich Reimer Verlag 1994). Im Vorwort geht Ulrich Roloff-Momin von einer Vollendung des Filmhauses spätestens 1998 aus und schreibt: "Berlin hat dann den öf fentlichen Ort, an dem mit Exponaten und Dokumenten sowie Veranstaltungen zur deutschen und internationalen Filmgeschichte auch heranwachsenden Generationen die Bedeutung des wichtigsten Mediums dieses Jahrhunderts lebendig vor Augen geführt wird." Der Senator hatte kurz zuvor entscheidenden Anteil am Erwerb des größten Schatzes, den die Kinemathek hütet: des Nachlasses von Marlene Dietrich, der 1993 mit Hilfe der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin erworben wurde.

1995 übt die Kinemathek noch einmal extern, wie ein Filmmuseum funktionieren könnte. Im Martin-Gropius-Bau veranstaltet sie die 100-Jahre-Film-Ausstellung "Kino * Movie * Cinéma". Ein Gang durch die deutsche und internationale Filmgeschichte, durch 23 Themenräume, gestaltet von dem Bühnenbildner und Ausstellungsarchitekten Hans Dieter Schaal. Er ist auch für die Inszenierung der Dauerausstellung des Filmmuseums verantwortlich.

Parallel wird weiterhin für das Filmmuseum im Filmhaus am Potsdamer Platz geplant. Im Oktober 1996 findet die Grundsteinlegung für das Sony Center statt, im Februar 1997 unterschreibt der neue Kultursenator Peter Radunski den Mietvertrag für das künftige Filmhaus, im September 1998 wird Richtfest gefeiert. In der Info-Box am Potsdamer Platz kann man das Haus im Modell und virtuell längst sehen, in der Realität wächst es zur stattlichen Höhe von 39 Metern. Auf 60 Millionen DM beziffert der Investor Sony die Baukosten des Hauses, 32 Millionen DM sind zusätzlich für die speziellen Innenausbauten der künftigen Nutzer aufzubringen, der Bund beteiligt sich daran mit 13 Millionen. Der Berliner Architekt Jakob Lehrecke betreut den Innenausbau. Die Übergabe des Hauses an das Land Berlin verzögert sich bis Februar 2000. Die gerade gewählte Kultursenatorin Christa Thoben bleibt so kurz im Amt, dass sie vom Filmhaus nur zur Kenntnis nimmt, wie wenig Vorsorge ihr Vorgänger für die Finanzierung der dort geplanten Aktivitäten getroffen hat.

"Filmhaus" steht nun in roten Lettern an der Fassade. Im Untergeschoss präsentieren die bei den "Arsenal"-Kinos (236 und 75 Plätze) ihre Programme historischer, künstlerischer und innovativer Filme. Das "Arsenal 2" soll künftig auch Begleitvorführungen zu den Ausstellungen des Museums anbieten. Im Erdgeschoss befinden sich das Bistro "Billy Wilder's", der Museumsshop und das Foyer mit der Kasse des Museums. Im ersten Geschoss gibt es Räume für Veranstaltungen und Sonderausstellungen und das OnlineCenter für Informationen zu Film und Fernsehen. Hinter der verschlossenen Fassade der zweiten und dritten Etage verbirgt sich die Dauerausstellung (1.500 qm). Im vierten Geschoss werden die Einrichtungen der Deutschen Mediathek, im fünften die Bibliothek des Filmmuseums untergebracht. Im sechsten Stock befinden sich die Geschäftsräume des Arsenals, der Mediathek und des Ausstellungsbereichs, im siebten Stock werden die Sammlungen des Filmmuseums Berlin verwahrt. Das achte und neunte Geschoss ist Produktions- und Seminarbereich der Filmschule (DFFB).

In der näheren Umgebung liegen die Philharmonie, die Neue Nationalgalerie, die Gemäldegalerie, die neue Staatsbibliothek, der Martin-Gropius-Bau, das Abgeordnetenhaus, und auch die Internationalen Filmfestspiele haben hier ihren Platz gefunden. Zur unmittelbaren Nachbarschaft gehören die Entertainment-Areale "Cine Star" (acht Kinos), "CinemaxX" (19 Kinos), Imax (zwei), Music-Box, Musicaltheater.

Im September ist die Dauerausstellung des Filmmuseums in Anwesenheit des Staatsministers für Kultur, Michael Naumann, und des neuen Kultursenators Christoph Stölzl eröffnet worden. So wird nach mehr als siebzehn Jahren eine Vision seines Vorvorvorvorvorgängers endlich Wirklichkeit.

Eine Reise durch die Filmgeschichte

Filmmuseen mit Ausstellungen gibt es inzwischen in Brüssel, Düsseldorf, Frankfurt am Main, London (zurzeit in Überarbeitung), Mailand, New York, Paris (leider oft geschlossen), Oslo, Potsdam und Turin. 

Je nach Standort haben sie eine erstaunlich hohe Besucherfrequenz. Filmmuseen sind keine nostalgischen Requisitenkammern, in denen man sich an die gute alte Zeit erinnert. Sie erklären und deuten ein Phänomen der Kulturindustrie, dessen Faszination tief ins Bewusstsein der Gesellschaft wirkt: die suggestive Kraft bewegter Bilder. Filmmuseen fixieren filmische Vorgänge. Sie ermöglichen den Blick hinter die Kulissen. Sie belegen Zusammenhänge zwischen Traum und Realität, Mode und Macht, Kunst und Kommerz. Sie sind populär, weil sie Orte für eine besondere Neugier sind, wie es sie in der Literatur, der Bildenden Kunst oder der Musik in dieser Form kaum gibt. Die schwer zu durchschauenden Produktionsvorgänge des Films, seine komplizierte Technik, seine tiefgreifenden Mythen, seine vielfältigen Beziehungen zum Theater, zur Musik, zur Malerei - all das schafft die Neugierde, "hinter" den Film zu schauen, hinter die Kamera, ins Innere eines schöpferischen Prozesses.

Die umfangreichen Sammlungen der Deutschen Kinemathek sind der Grundstock für das Filmmuseum Berlin, in dem die interessantesten Dokumente und Exponate der Öffentlichkeit gezeigt werden. Zwei Themen präsentiert die Dauerausstellung: 1. Die deutsche Filmgeschichte mit Exkursionen nach Hollywood (1.100 qm; Konzeption: Wolfgang Jacobsen, Hans Helmut Prinzler, Werner Sudendorf). 2. Die künstlichen Welten des Fantasy- und Science-Fiction-Films (400 qm; Konzeption: Rolf Giesen).

Für das erste Thema wird der Besucher durch 14 Räume geführt. Jeder Raum bekommt durch Gestaltung, Licht und Ton einen eigenen Charakter. Man kommt in einen Vorraum, sieht Bilder von Kinofassaden, liest Kinonamen (Filmpalast, Ufa-Palast, Zoo-Palast), hört Projektionsgeräusche. Dann beginnt eine Zeitreise. Man betritt einen verspiegelten Raum mit drei Projektionsflächen, sieht kurze Filmausschnitte. Motiv: Blicke. Zuerst in Farbe aus den letzten vierzig Jahren. Dann in Schwarzweiß, aus der Zeit von 1930 bis 1960, mit Ton. Schließlich aus den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts, schwarzweiß, stumm. Damit ist man am Anfang der Filmgeschichte.

Es sind die Jahre 1895 bis 1918. Kaiserreich. Die Erfindungen von Thomas Edison (USA) und den Brüdern Lumière (Frankreich), von den Brüdern Skladanowsky, Oskar Messter und Guido Seeber führen zur Projektion bewegter Bilder. Gefilmt werden Aktualitäten oder kleine Geschichten. Als die erzählten Geschichten etwas komplizierter werden, gewinnen die Schauspieler an Bedeutung: Zu den ersten Filmstars gehören Henny Porten aus Berlin, Asta Nielsen aus Kopenhagen, Fern Andra aus Natzeka, Illinois (USA). Die leidende Madonna, die moderne Frau, die quirlige Artistin. Es entstehen frühe Formen der Vermarktung, weil sich das Zuschauerinteresse sehr auf Darsteller konzentriert. 

Robert Wiene, ‘Das Cabinet des Dr. Caligari‘, Deutschland 1920, Bildmitte: Werner Krauss in  der Rolle des Dr. Caligari, Foto: Filmmuseum Berlin - Deutsche Kinemathek

Ein erster Mythos: "Das Cabinet des Dr. Caligari" (1920). Der expressionistische Film von Robert Wiene mit Conrad Veidt, Werner Krauss und Lil Dagover handelt von Traumata und Ängsten nach einem verlorenen Krieg. Die Spielorte - Kleinstadt, Jahrmarkt, Irrenanstalt - sind gemalte Architektur. Das einzige erhaltene Drehbuch aus dem Nachlass von Werner Krauss ist im Besitz des Filmmuseums Berlin. Hermann Warm, der Szenograf, hat in den sechziger Jahren ein Ateliermodell nachgebaut.

Film in der Weimarer Republik: Zwischen 1918 und 1933 erlangte der deutsche Film Weltgeltung. Vor allem vier große Regisseure haben die Zeit geprägt: Ernst Lubitsch, Friedrich Wilhelm Murnau, Fritz Lang, Georg Wilhelm Pabst. Ihnen und einigen wichtigen Protagonisten (Emil Jannings, Peter Lorre, Louise Brooks) ist der Raum gewidmet. Aber es geht auch um die Großstadt, den Bergfilm, den proletarischen Film. Und: Chaplin in Berlin; die Zensurfälle "Bronenosez Potemkin" (Panzerkreuzer Potemkin) und "All Quiet on the Western Front" (Im Westen nichts Neues).

Ein spezieller Mythos: "Metropolis" (1927). Der Science-Fiction-Film von Fritz Lang mit Heinrich George, Gustav Fröhlich und Brigitte Helm ist eine frühe Meisterleistung der Filmarchitektur und der Effekte. 36.000 Statisten, futuristische Studiobauten, eineinhalb Jahre Drehzeit, Produktionskosten in Rekordhöhe. In der Ausstellung sind Figuren (Maschinen-Maria, Der Tod und die sieben Todsünden), Entwürfe, Dokumente, Plakate zu sehen. Und Katastrophen-Szenen aus Fritz Lang-Filmen. Im "Metropolis"-Bereich steigen die Besucher vom dritten ins zweite Obergeschoss hinab.

Oscar für Emil Jannings, Der erste jemals verliehene Oscar für die Spielzeit 1928, Filmmuseum Berlin - Deutsche Kinemathek, Foto: Michael Lüder, Potsdam

Wer Ruhm und Geld vermehren möchte, geht in den zwanziger Jahren von Berlin nach Hollywood: Transatlantik. Das Raummotiv ist ein Schiffsdeck. Ernst Lubitsch wandert schon 1922 nach Amerika aus, Friedrich Wilhelm Murnau 1926, Wilhelm Dieterle 1929. Der deutsche Darsteller Emil Jannings erhält für zwei seiner amerikanischen Filme 1929 den ersten je an einen Schauspieler vergebenen "Oscar" (ein besonders wertvolles Exponat). Für eine deutsch-amerikanische Verbindung stehen auch Luis Trenker, Paul Leni, Paul Kohner - und Marlene Dietrich.

Deutschlands einziger Weltstar: Marlene Dietrich. Nach der Uraufführung des "Blauen Engel" (1930) folgt sie ihrem Regisseur Josef von Sternberg nach Hollywood. Sie macht Karriere und erleidet Krisen. Sie ist umgeben von friends and lovers, spielt Haupt- und Nebenrollen in 52 Filmen. 1978 nimmt sie Abschied von der Öffentlichkeit. Sie stirbt 1992 in Paris und wird in ihrer Geburtsstadt Berlin beerdigt. In ihrem Nachlass, der im Filmmuseum Berlin betreut wird, sind alle Phasen ihres Lebens aufbewahrt. Fo tos, Kostüme, Requisiten, Briefe, Dokumente. Es war auch ein politisches Leben. Die Dauerausstellung widmet Marlene Dietrich drei Räume.

Ein Raum zum Film "Olympia" (1938) von Leni Riefenstahl, jener Starregisseurin im Nationalsozialismus, die sich bis heute im Spannungsfeld zwischen Ruhm und Verachtung befindet. Sie gilt einerseits als geniale Bildgestalterin und andererseits als ehemalige Hitler-Gefolgsfrau, die sich für ihren politischen Sündenfall nie entschuldigt hat. Ihre Schlüsselfilme sind "Triumph des Willens" und "Olympia" (zwei Teile). Die Ausstellung präsentiert ein Modell des Berliner Olympia-Stadions und dokumentiert, wie Riefenstahl ihre Kameras positioniert hat.

Auch der folgende Raum handelt vom Film im Nationalsozialismus. Propaganda, Kinoalltag, Opfer des "Dritten Reichs". Wie sich die Regisseure Hans Bertram, Hans H. Zerlett und Veit Harlan vom Regime vereinnahmen ließen. Flucht aus dem Alltag ins Kino zu Lilian Harvey und Willy Fritsch, Zarah Leander, Heinz Rühmann und Hans Albers. Die Verfolgung und Ermordung des Schauspielers Kurt Gerron. Die dunklen Kapitel deutscher Filmgeschichte werden mit Dokumenten und Filmausschnitten deutlich gemacht.

Flucht vor dem Nationalsozialismus: das deutsche Exil. In Hollywood war die Agentur Paul Kohner ein Zentrum der Hilfe und Vermittlung. Zu den Klienten zählten Ralph Benatzky, Curt Bois, Bertolt Brecht, Fritz Lang, Peter Lorre, Joe May, Max Ophüls, Luise Rainer, Billy Wilder. Die Dokumente in der Ausstellung bezeugen Erfolg und Misserfolg, Hoffnung und Not.

Ein Raum für Nachkrieg und Gegenwart, die Zeit von 1946 bis 2000: Ost und West, Sozialismus und Wirtschaftswunder, die Mauer, der junge westdeutsche Film, das Fernsehen, Teilung und Einigung. Die Ausstellung konzentriert sich auf Filme zur deutschen Geschichte und Gegenwart mit zehn Schauspielern: Hildegard Knef, Gert Fröbe, Günther Simon, Heinz Rühmann, Romy Schneider, Angelica Domröse, Mario Adorf, Hanna Schygulla, Otto Sander, Götz George. 

Klaus Kinski in dem Film ‘Aguirre, der Zorn Gottes‘ von Werner Herzog, BR Deutschland 1972, Foto: Filmmuseum Berlin - Deutsche Kinemathek

Die dazu gehörenden Regisseure sind Wolfgang Staudte, R. A. Stemmle, Kurt Maetzig und Konrad Wolf, Ernst Marischka, Helmut Käutner, Heiner Carow, Volker Schlöndorff, Rainer Werner Fassbinder, Wim Wenders und Hajo Gies. Zwei spezielle Exponate: Die "Nosferatu"-Maske von Klaus Kinski und ein Requisit aus "Lola rennt" von Tom Tykwer. 55 Jahre deutscher Filmgeschichte (45 getrennt in Ost und West), rigoros reduziert. Sonderausstellungen werden diese Zeit weiter auffächern. Regisseure und Schauspieler stehen im Mittelpunkt bei dem Gang durch die deutsche Filmgeschichte. Aber auch das Wirken von Produzenten, Autoren, Kameraleuten, Szenografen und Komponisten wird gewürdigt. An mehreren Stellen geht der Blick nach Amerika. Noch immer ist Hollywood ein Synonym für Filmkarrieren. Seit fast hundert Jahren werden Künstler und Techniker auch aus Deutschland von den offenbar unbegrenzten Möglichkeiten des amerikanischen Films angezogen. So erweist sich "Transatlantik" als ein Thema mit vielen Variationen.

Die Chronologie und die Themen machen deutlich, wie eng in der Ausstellung die Geschichte des deutschen Films mit der politischen Geschichte Deutschlands verzahnt ist. Dieser Kontext erscheint unabdingbar. Gleichwohl ist die Ausstellung keine lückenlose Dokumentation des deutschen Films von seinen Anfängen bis in die Gegenwart. Sie lässt vieles aus, sie setzt Akzente, sie basiert mit ihren Exponaten auf den Schwerpunkten der Sammlungen des Hauses. Sie regt hoffentlich dazu an, Lücken durch Lektüre zu schließen und den Überblick im Kino zu gewinnen.

Eine Filmausstellung braucht bewegte Bilder. Als Belege, als Verweise, zur Erinnerung an das Kino. Ideal wären Dauerprojektionen ohne Verschleiß des Materials, mit den unverwechselbaren Geräuschen des Projektors. Beamer und Videoeinspielungen auf Monitoren sind Hilfsmittel, die uns die fortschreitende Technik bietet. Der Gang durch die deutsche Filmgeschichte wäre ohne Bilder, ohne Zitate kaum denkbar. Die Filmausschnitte erklären die Exponate und erzählen im eigenen Fluss möglicherweise ganz unabhängig eine spezielle, zugespitzte Geschichte.

Eine weitere Ebene der Vertiefung und der aktuellen Verknüpfung bieten "Multimedia-Stationen". Sie sollen dem Besucher die Möglichkeit geben, aktiv am Geschehen teilzunehmen. Ihre Titel: "Visit your Star", "Bewegte Großstadt", "Transatlantik", "Licht und Schatten", "Idole in Ost und West", "Starometer". Hier wird vor allem das jugendliche Publikum angesprochen. Die Terminals mit ihren multimedialen Installationen bieten die Chance, Bezüge außerhalb der Ausstellungschronologie herzustellen und einige Themen bis in die Gegenwart zu verfolgen.

Bruno Ganz in dem Film ‘Der Himmel über Berlin‘ von Wim Wenders, BR Deutschland 1986/87, Foto: Filmmuseum Berlin - Deutsche Kinemathek

Das Drehbuch der Ausstellung wurde in der Deutschen Kinemathek geschrieben. Die Inszenierung lag in den Händen von Hans Dieter Schaal. Bei einer Filmausstellung ist der Gestalter so etwas wie der Regisseur. Die Exponate - da es sich nicht um Kunstwerke, sondern um Bilder und "Dinge" handelt - müssen ein Umfeld bekommen, das sie zur Geltung bringt. Die Wissenschaftler erarbeiten das inhaltliche Konzept. Sie geben das historische Material vor, bestimmen die Exponate, sorgen für den Kontext. Der Regisseur gestaltet.

"Die Raumdramaturgie folgt musikalischen Prinzipien: Stille und verhaltene Zonen gehen über in laute und schrille Bereiche, Brüche, Schnitte, Melodien, Harmonien und Disharmonien. So kann der Weg durch die Filmgeschichte auch zu einem Weg durch das menschliche Bewusstsein werden." (Hans Dieter Schaal) Zur Inszenierung einer Filmausstellung gehören Raumkompositionen, visuelle Installationen, Licht, Farbe (bei Hans Dieter Schaal: Weiß, Schwarz, Grau in allen Abstufungen), Töne, Schriften, Wegführung, Wände, Bauten in verschiedenen Materialien, Spiegel, Großfotos, hinterleuchtete Dias, Medieninstallationen, Metaphorik, Atmosphäre, auch Vitrinen und Exponate.

Zu einer Ausstellung gehört ein Katalog. Herausgegeben von Wolfgang Jacobsen, Hans Helmut Prinzler und Werner Sudendorf, erschien er im Juli in der Nicolaischen Verlagsbuchhandlung. Seit September kann man sich davon überzeugen, dass die Ausstellung hält, was der Katalog verspricht.

Hans Helmut Prinzler,
 Direktor des Filmmuseums Berlin / Deutsche Kinemathek

 AsKI KULTURBERICHTE 2/2000

 

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