Deutsches Hygiene-Museum, Dresden: Künstliche Intelligenz. Maschinen – Lernen – Menschheitsträume

Der KI-gestützte Haustierroboter ‘Moflin‘ ist zur Simulation unterschiedlicher Stimmungen fähig und soll laut seinem japanischen Hersteller auch zum therapeutischen Begleiter werden, mit dem Stress reduziert werden kann, Foto: Vanguard Industries Inc.,Tokyo, Minato-ku

Künstliche Intelligenz (KI) ist kein Mythos und auch kein Zukunftsthema mehr. Ihr Einsatz ist längst Realität geworden: Sie steckt in ganz alltäglichen Anwendungen wie im Navigationssystem von Autos, in Sprachassistenten wie Siri und Alexa oder sie ermöglicht die personalisierten Empfehlungen auf Social-Media-Plattformen.

In der industriellen Produktion arbeiten Menschen inzwischen Seite an Seite mit KI-gestützten Systemen, in der Medizin helfen Assistenzsysteme dabei, Krankheiten zu diagnostizieren und personalisierte Therapien zu entwickeln. In all diesen Beispielen ist KI in erster Linie ein Werkzeug, um menschliche Tätigkeiten effektiver und präziser zu gestalten.

Die technologische Voraussetzung für diese rasanten Entwicklungen ist die Verfügbarkeit großer Mengen von Daten – Big Data, wie es im Fachjargon heißt. Damit diese Daten ausgewertet werden können, sind immense Rechenkapazitäten sowie komplexe Programmierungen erforderlich. Erst auf dieser Basis können die Algorithmen darauf „trainiert" werden, Lösungen anzubieten und selbstständige Entscheidungen zu treffen – Fähigkeiten, die bisher allein der menschlichen Intelligenz vorbehalten waren. In der Zivilgesellschaft und Politik ist jedoch in den letzten Jahren eine heftige Diskussion über die weitere Entwicklung und den Einsatz von KI-Systemen entbrannt, die sich vor allem mit Fragen um Neutralität und Gerechtigkeit von automatisierten Entscheidungen sowie der Privatsphäre befassen. Denn angesichts der Risiken des Missbrauchs und der Manipulation müssen klare Spielregeln geschaffen werden, um eine verantwortungsbewusste und gemeinwohlorientierte Nutzung von KI sicherzustellen, die auf rechtsstaatlichen Prinzipien beruht.

In dieser Konstellation möchte das Deutsche Hygiene-Museum mit der Sonderausstellung „Künstliche Intelligenz. Maschinen – Lernen – Menschheitsträume" die (Un-)Möglichkeiten, die technologisch und gesellschaftlich heute schon vorhanden sind, in Hinblick auf die Zukunft verhandeln. Die Leitfragen, die sich durch die Ausstellung ziehen, lauten: Was können Maschinen lernen? Und was lernen wir Menschen durch den Einsatz von KI über uns selbst? Die Ausstellung vermittelt in fünf Kapiteln Wissen über die Funktionsweisen von KI, beleuchtet unterschiedliche Anwendungsszenarien und zeigt individuelle und gesellschaftspolitische Gestaltungsspielräume im Umgang mit dieser Technologie auf.

Rundgang durch die Ausstellung

Der Auftakt der Ausstellung skizziert anhand historischer Manuskripte eine Ideengeschichte der KI als eine seit Jahrhunderten feststellbare Suchbewegung der Menschen. Vorstellungen von intelligenten Maschinen und Automaten, die menschliche Arbeit übernehmen, das Denken formalisieren oder Antworten auf komplexe Fragestellungen geben, sind im Lauf der Geschichte immer wieder zu beobachten. Als zentrale Leitobjekte zeugen zehn bedeutende Werke von der Antike bis hin zum 20. Jahrhundert von den Visionen, Wünschen und Träumen der Menschen. Aus heutiger Perspektive erscheinen diese Beispiele eng verbunden mit unseren heutigen Vorstellungen von KI. In einer großflächigen Animation werden diese historischen Konzepte visualisiert und so buchstäblich ins Leben gerufen.

Electricity may be the Driver, America’s Independent Electric Light and Power Companies, 1957, Werbeanzeige Die Kleinfamilie im fahrenden Wohnzimmer: Die Bilderwelten der 1950er-Jahre verknüpften futuristische Entwürfe autonomen Fahrens häufig mit dem vorherrschenden bürgerlichen Geschlechterideal, Foto: Courtesy of The Advertising Archives

Nach dieser Reise in die Vergangenheit wendet sich das zweite Kapitel ‚Trainingsraum' den Grundlagen und Grundbegriffen der Künstlichen Intelligenz zu, wie sie heute verstanden wird. Hier wird die Frage gestellt, was eigentlich hinter den auf den ersten Blick seltsam anmutenden Begriffen „maschinelles Lernen", „Deep Learning" oder „neuronale Netze" steckt. Ein zum Ausprobieren einladender Raum stellt die wichtigsten dieser Begriffe vor und vermittelt ihre Funktionen durch interaktive Exponate. Damit wird zugleich auf die tatsächlichen Möglichkeiten, aber auch auf die Grenzen von KI verwiesen. Denn oft weckt sie Fantasien von einer Superintelligenz, die sich vom Menschen entkoppeln oder die Weltherrschaft an sich reißen könnte. Doch das ist lediglich Stoff für Science-Fiction und entspricht noch lange nicht den heutigen Möglichkeiten dieser Technologie.

Die dritte Abteilung ‚Globale Infrastruktur' von KI hebt Künstliche Intelligenz als eine kritische Infrastruktur hervor, indem sie die Voraussetzungen, Entwicklungen und Abhängigkeiten der digitalen Transformation beleuchtet. Durch eine gesamtheitliche Betrachtung der technologischen, wirtschaftspolitischen und ökologischen Dynamiken wird die wachsende Relevanz von KI verdeutlicht.

Die Abteilung ‚Unsere Gegenwart mit KI' ist das räumliche Zentrum der Ausstellung. Hier werden Anwendungs- und Einsatzgebiete dieser Technologie präsentiert, mit denen die Durchdringung und Gegenwärtigkeit von KI in verschiedenen Lebensbereichen erfahrbar wird. Der Fokus dieser Abteilung liegt auf dem Einsatz von KI in Deutschland, wobei immer wieder auch Parallelen zu Entwicklungen in Europa und darüber hinaus gezogen werden. Untersucht werden die Auswirkungen von KI auf die Arbeitswelt, die öffentliche Sicherheit, das autonome Fahren, die Potenziale des Einsatzes von KI-Assistenten in der Medizin sowie ihr wachsender Einfluss in der Medienkommunikation.

Anna Ridler, Myriad (Tulips), 2018, 1.113 annotierte Fotografien  Mit insgesamt 10.000 Fotografien von Tulpen, auf denen sie händisch verschiedene Kategorien und Merkmale notierte, spiegelt die britische Künstlerin Anna Ridler den aufwendigen Prozess der Erstellung eines Datensatzes wider, Foto: © Anna Ridler

Das letzte Kapitel, ‚Re-Visionen KI', behandelt gesamtgesellschaftliche sowie globale Fragestellungen hinsichtlich der Risiken und Potenziale von KI aus ethischer, ökologischer und politischer Sicht. Im Zentrum dieser Abteilung stehen eigens für die Ausstellung geführte Interviews mit Vertreterinnen und Vertretern aus Politik, Wirtschaft, Forschung und Entwicklung, aber auch mit Aktivistinnen und Aktivisten, die gesellschaftsrelevante Fragestellungen aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten. Darüber hinaus werden hier Möglichkeiten eines praktischen Umgangs mit KI und die dabei vorhandenen Handlungsspielräume vermittelt. Auf diese Weise führt diese Abteilung auch wieder zurück zum Beginn der Ausstellung, in der Visionen der Vergangenheit verhandelt wurden. Durch eine ganzheitliche Betrachtungsweise wird KI in dieser Sonderausstellung nicht nur als technologische Neuerung betrachtet, sondern vor allem ihre Verbindungen zum Menschen und der Gesellschaft untersucht.

Yasemin Keskintepe | Kuratorin,
Deutsches Hygiene-Museum, Dresden


Plakat zur Ausstellung, DHMD/Schech.net Dresden

Deutsches Hygiene-Museum, Dresden

Künstliche Intelligenz. Maschinen – Lernen – Menschheitsträume
6. November 2021 bis 28. August 2022
www.dhmd.de

Begleitpublikation, hg. von Yasemin Keskintepe und Anke Woschech,
mit einer Einführung in die Ausstellung, wissenschaftlichen
Beiträgen, Comic-Auszügen und Infografiken sowie Lyrik von einer KI
176 Seiten, 19,90 €
Wallstein Verlag
ISBN 978-3-8353-5051-9

AsKI kultur leben 2/2021

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