Deutsche Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen, Berlin: Die Online-Präsentation des Archivs der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (dffb)

dffb-Archiv – Screenshot, Foto: dffb-Archiv, Berlin

Seit einigen Jahren entwickelt sich in den USA eine lebhafte Diskussion über die Art und Weise, wie kulturelles Erbe im Netz präsentiert werden soll.

In den Vordergrund treten hierbei kuratierte und narrativ eingebundene Sammlungen.1 Nicht der Katalog steht im Mittelpunkt, sondern die fachlich verantwortete Auswahl und die narrative Kontextualisierung von Objekten. Die Deutsche Kinemathek hat diesen Ansatz exemplarisch in zwei Projekten aufgegriffen, von denen wir das dffb-Archiv hier ausführlicher vorstellen wollen. Ein zweites Projekt der Deutschen Kinemathek, das sich mit dem Production Designer Ken Adam beschäftigt, folgt übrigens demselben Ansatz.2

dffb-Archiv – Screenshot, Foto: dffb-Archiv, BerlinDie Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin (dffb), deren Schwerpunkt in der Ausbildung im künstlerisch-kreativen Bereich liegt, besitzt eine umfangreiche Sammlung von weitgehend unbekannten Filmen und Dokumenten, die in der Kinemathek archiviert werden. Ein von der Europäischen Union – Europäischer Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und der Senatskanzlei für Kulturelle Angelegenheiten in Berlin gefördertes Projekt hatte zum Ziel, diese Bestände sichtbar zu machen. Es ging im März 2016 nach gut zweijähriger Entwicklung online. Zentraler Ausgangspunkt war eine Prämisse, die aus den zahlreichen bisher realisierten Online-Projekten der Deutschen Kinemathek entwickelt wurde: Das Archiv sollte zum Erzählen gebracht werden. Nicht die Präsentation faktischen Wissens sollte dabei im Vordergrund stehen, sondern die Kontextualisierung der Filme und des Schriftgutes.

Wie aber kann die Geschichte einer Institution, die Filmautoren ausbildet, sinnvoll erzählt werden? Wie die Bezüge zwischen Dokumenten, Filmen, Schul- und Zeitgeschichte herstellen? Die erste Entscheidung bestand darin, auf ein Team von engagierten Filmwissenschaftlern und Journalisten zurückzugreifen. Ihnen wurden die Archivunterlagen zur Verfügung gestellt und auf Grundlage dieses Wissens sichteten sie die Filme und erarbeiteten Essays und Analysen. Von den Dokumenten und Filmen ausgehend, wurden so Ideen entwickelt, wie eine „Institutions-Geschichte" aussehen könnte. Auf der Website finden sich nun neben analytischen Texten, interpretierenden Essays, den Filmen und Dokumenten auch Videointerviews mit Dozenten, Studenten und den Filmemachern. Persönliche Erlebnisse, Interpretationen und auch Anekdoten tragen als Oral History ihren Teil zur Geschichtsschreibung bei.

dffb-Archiv – Screenshot, Foto: dffb-Archiv, BerlinUm jedoch die dffb und deren Bedeutung verständlich zu machen, war es zwingend notwendig, zumindest einen Teil der dort entstandenen Filme zu zeigen. Voraussetzung hierfür war eine Rechteklärung und die Digitalisierung der Filme. Die Rechteklärung, ohnehin schon ein Grundproblem bei Online-Publikationen, entpuppte sich als doppelt schwierig, da bereits bei der Produktion der Filme Rechtefragen nicht im Mittelpunkt standen. Letztlich gelang es aber, über 70 Filme online zu stellen (wenngleich einige nur in Ausschnitten), Filmographien wurden nachrecherchiert und Fotos z. T. direkt aus den Filmkopien angefertigt.

So ist nun z. B. der Film „Requiem für eine Firma" (1968) in seiner Gesamtlänge online zugänglich. Der 72 Minuten lange Film war als Wochenschau konzipiert und zeigt die Situation innerhalb der dffb nach der Relegation von 18 Studenten. Das von dem damaligen Dozenten Klaus Wildenhahn initiierte Format erinnert formal an die jungen Filme des Direct Cinema. Eine bewegliche Kamera filmt Studenten und Direktoren innerhalb der Akademie, Interviews wechseln mit Beobachtungen ab. Der Film besitzt eine Relevanz, die über seine unmittelbare Bedeutung als zeitgenössisches Dokument hinausgeht. Der Dozent Ulrich Gregor erläutert nämlich in einem für die Website erstellten Interview, dass es Klaus Wildenhahn mit den Wochenschauen gelang, die Studenten an die Akademie zu binden und die filmische Arbeit wieder ins Zentrum zu stellen. Letztlich führte dies dazu, dass die aufgrund politischer Kontroversen von der Schließung bedrohte Akademie doch nicht aufgegeben wurde.

Dieses Beispiel mag illustrieren, wie durch eine fachlich kuratierte Filmauswahl und die Kontextualisierung des Materials in einem Interview neue Bedeutungen erschlossen werden können.

Die Website zum dffb-Archiv priorisiert in ihrem Aufbau die narrativen Elemente: Essays, Porträts, Analysen und Überblicksartikel zur Geschichte stehen im Vordergrund und werden ergänzt durch Videointerviews und Filme. Die Texte selbst sind multimedial aufbereitet und integrieren Audio und Video: Willy Brandts Rede zur Gründung der dffb (1966) ist ebenso vertreten wie Filmausschnitte, auf welche die Texte gerade Bezug nehmen. Der Katalog, also die Datenbank mit über 2.000 filmographischen Einträgen und Biographien, ist nur über die Suche und Links in den Texten zugänglich. Für den Nutzer bedeutet dies, dass er sich lesend, sehend und hörend durch die Seite bewegt. Im Vordergrund steht das erzählte und erzählende Archiv. Das schlichte Blättern in Online-Katalogen ist Geschichte.

Jürgen Keiper

Deutsche Kinemathek –
Museum für Film und Fernsehen

 

1 S. die Konferenz „Museums and the Web 2015": Digital storytelling, http://mw2015.museumsandtheweb.com/session/storytelling/ oder New Approaches to Storytelling (2016), http://mw2016.museumsandtheweb.com/session/collaborative-storytelling/
2 https://ken-adam-archiv.de / S. „KULTUR lebendig" 1/2015, S. 19f

AsKI KULTUR lebendig 2/2016

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