Deutsche Kinemathek, Berlin: Das Textilarchiv der Deutschen Kinemathek

Blick in das Textilarchiv der Deutschen Kinemathek Berlin

Nach dem Tod Marlene Dietrichs am 6. Mai 1992 gelang es der Stadt Berlin mit Unterstützung der Lotto-Stiftung, den Nachlass zu erwerben, der in die Obhut der Deutschen Kinemathek übergeben wurde.

Die erste Erfassung der Textilsammlung erfolgte in Form einer digitalen Datenbank, ein für die damalige Zeit sehr innovatives Arbeitsmittel. Digitale Kameras gab es noch nicht, sodass im Textilarchiv parallel zur Datenbank eine analoge Fotokartei mit Arbeitsfotos der Textilien entstand. Nach Abschluss der Inventarisierung enthielt die Textildatenbank ca. 3 200 Datensätze.

Sie bestand aus ca. 160 Datenätzen zu Filmkostümen und deren Accessoires sowie ca. 220 Einträgen zu Showkostümen. Hierzu zählen neben den spektakulären Showkleidern und Frackanzügen auch Zubehör aller Art, aber auch alle Vorstufen der Showkostüme, wie Materialproben, Stickereientwürfe, Schnitte auf Papier und Nessel, sowie zahlreiche Fragmente von zerstörten Showkleidern. Sogar die Schneiderbüste mit den Maßen der Dietrich, auf der in ihrer Abwesenheit die Showkleider anprobiert wurden und ein Nähkästchen mit bereits eingefädelten Nadeln für schnelle Reparaturen während der Showauftritte finden wir hier.

Eine weitere wichtige Gruppe des Dietrich-Nachlasses umfasst die qualitativ hochwertige Bekleidung namhafter Modeschöpfer vor allen aus Frankreich und den USA, u. a. Schiaparelli, Dior, Chanel, Balenciaga, Hattie Carnegie, Elisabeth Arden. Diese Kostüme werden häufig ausgeliehen und bilden immer wieder Highlights in bedeutenden Modeausstellungen weltweit.

Schadenskartierung: Showmantel aus Schwanenpelz, Jean Louis, 1957

Die Alltagsgarderobe der Dietrich bildet einen weiteren großen Bestandteil, darunter die berühmten Herrenanzüge, Marlene-Hosen, Militäruniformen, Nacht- und Unterwäsche, Trachtenkleidung aber auch Kuriositäten wie z. B. eine fleckige Malerjeans und – sehr anrührend – die wärmenden Bettjäckchen aus ihren letzten Lebensjahren, die sie eigenhändig und nur noch schlecht sehend, immer wieder geflickt hat.

Nachdem das Textilarchiv eingerichtet war, suchten und übernahmen die Sammlungsleiter aktiv weitere Bestände mit Filmkostümen als Dauerleihgaben, Geschenke oder Ankäufe. Im Jahr 2000 konnte die Deutsche Kinemathek ein eigenes Filmmuseum am Potsdamer Platz eröffnen, das 2006 um den Bereich Fernsehen erweitert wurde.

Rekonstruktion von Reifrock und Hut: Kostüm aus 'Freak Orlando', Ulrike Ottinger, 1981, Stiftung Deutsche Kinemathek, Foto: Barbara Schröter

Seither wurden die Sammlungen der Deutschen Kinemathek auch in einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Geleitet wird das Textilarchiv von einer Restauratorin für textile Materialien, was dazu beigetragen hat, das zahlreiche Kostümbildner, Produzenten, Regisseure, Schauspieler und private Sammler dem Textilarchiv ihre textilen Schätze anvertraut haben. Dazu zählen u. a. die Theaterkunst GmbH, Wim Wenders, die Rainer Werner Fassbinder Foundation, Ulrike Ottinger, Werner Herzog, Monika Bauert, Barbara Baum. Auch Bestände von Thomas Oláh, Horst Buchholz, Heinz Rühmann, Evelyn Hamann, Brigitte Mira etc. gehören dazu. Dies führte zu einem Wachstum der Textilsammlung auf derzeit ca. 5 830 Datensätze.

Seit 2012 befindet sich das Textilarchiv in den klimatisierten Räumen in Berlin Marienfelde. Alle Textilien werden nach ihrem Zugang genau untersucht. Besteht ein Verdacht auf Insektenbefall, werden sie die bei Temperaturen von bis zu -60 °C tiefgefroren, was sowohl Insekten als auch deren Larven und Eier zuverlässig abtötet.

Danach werden die Textilien in der Datenbank erfasst und beschrieben, fotografiert, vermessen und ihr Zustand dokumentiert. Anschließend erfolgt die sorgfältige Verpackung in speziellen Museumskartons, die in nummerierten Regalfächern gelagert werden, wo sie dauerhaft vor Licht und Staub geschützt sind. Die liegende Aufbewahrung verhindert die Belastung durch Zugkräfte im Schulterbereich, die bei hängender Aufbewahrung unvermeidlich durch das Eigengewicht der Kostüme auftreten.

Zu den Aufgaben der Textilarchivarin gehört auch die Vorbereitung der Kostüme für Ausstellungen. Dies umfasst die Beratung von Kuratoren, die Festlegung von Versicherungswerten sowie Klima- und Lichtvorgaben. Bei Bedarf müssen Restaurierungen durchgeführt oder in Auftrag gegeben werden. Neben passgenauen Büsten oder anderen Präsentationsformen wie Stützen, Bügel, Hutträgern etc. muss oft auch Unterkleidung, z.B. ein Reifrock angefertigt werden, um dem Kostüm die gewünschte Form zu geben. Präzise Zustandsdokumentationen mit Schadenskartierungen und zahlreichen Detailfotos werden angelegt als Voraussetzung, um im Schadensfall einen Leihnehmer oder dessen Versicherung haftbar machen zu können.

Die Arbeit ist aufwändig und mühevoll, aber auch sehr befriedigend, wenn das Kostüm dann in der Ausstellung erstrahlt und die Blicke der Besucher auf sich zieht.

Dr. Barbara Schröter |
Textilarchiv der Deutschen Kinemathek

 

AsKI kultur leben 1/2021

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