Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg: Helden, Märtyrer, Heilige. Wege ins Paradies

Veit Stoß, Der Heilige Veit im Ölkessel, 1520, Lindenholz, Foto: Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg

Helden, Märtyrer, Heilige – Menschen sind fasziniert von mutigen Heroen, willensstarken Visionären und entschiedenen Kämpfern für die (vermeintlich) richtige Sache. Geschichten über sie begeistern, zugleich motivieren sie, es den Protagonisten nachzutun.

Solche Helden werden zum Vorbild für die eigene Lebensführung und können Hoffnung geben in schwerer Zeit. Dabei ist unerheblich, ob es sich um eine historische oder eine erfundene Figur handelt. Rund 50 Exponate des 13. bis 15. Jahrhunderts, Highlights aus der Skulpturen- und Gemäldesammlung des Germanischen Nationalmuseums, veranschaulichen in dieser Ausstellung die spätmittelalterliche Vorstellung eines vorbildlichen Lebens und damit vom sicheren Weg ins Paradies.

Anlass für die Ausstellung ist die Sanierung eines Teilbereichs der Dauerausstellung, der für die kommenden zwei Jahre geschlossen bleiben wird. Meisterwerke des Spätmittelalters sollen Besuchern aber auch in dieser Zeit zugänglich bleiben. So werden sie interimsweise unter dem Motto „Helden, Märtyrer, Heilige" in der Sonderausstellungshalle in neuem Kontext gezeigt.

Doch was macht einen Helden eigentlich aus? Eine endgültige Definition gibt es nicht, aber eines verbindet wohl alle Heroen: Sie verfügen über außergewöhnlichen Fähigkeiten und Eigenschaften. Was für uns heute Spider- und Superman sind, waren für Menschen des Spätmittelalters Heilige und Märtyrer. Sie dienten als Leit-, Vorbild- und Vermittlungsfiguren sowie als wegweisende Lebensbegleiter, die halfen, nach dem Tod ins Paradies und nicht in die Hölle einzugehen.

Für die Erzählung großer Heldentaten hat sich ein Grundmuster herausgebildet, das von antiken Texten bis zum Hollywoodfilm auf einer vergleichbaren Dramaturgie beruht – die sogenannte Heldenreise. Der Held oder die Heldin folgt einer Berufung und bricht aus dem Alltag aus, muss Bewährungsproben bestehen, um unter Einsatz des eigenen Lebens eine Gefahr zu bannen und einen aus dem Gleichgewicht geratenen Zustand wieder ins Lot zu bringen. Beispiele finden sich zahlreich, wie den heiligen Georg, der eine jungfräuliche Prinzessin vor einem Drachen rettete. Ein Tafelbild zeigt den Helden hoch zu Pferd, gerade im Begriff, den entscheidenden Schwerthieb gegen den Drachen auszuführen. Das Untier kauert bereits von einer Lanze durchbohrt mit ornamental gewundenem Schwanz am Boden. Im Hintergrund erwartet die dankbare Königstocher ihre Errettung. Details der Überlieferung, wie die Jungfräulichkeit der Prinzessin oder die Forderung des Drachentöters an ihren Vater, sich und sein Volk taufen zu lassen, ließen Georg im Mittelalter zum Inbegriff des christlichen Ritters werden. Eine andere Geschichte ist die des heiligen Veit. Er sollte seinem Glauben abschwören und heidnischen Göttern opfern. Als er sich weigerte, wurde er den Löwen zum Fraß vorgeworfen, die ihn aber verschonten. Daraufhin sollte Veit in einen Kessel mit siedendem Öl gekocht werden. Engel erretteten ihn daraus und trugen ihn nach Hause.

Heiliger Georg, Niederlande, um 1510, Malerei auf Eichenholz, Foto: Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg

Woher kannten Menschen im Spätmittelalter solche Geschichten, wie erfuhren sie von den spektakulären Taten? Und welche Vorstellung verbanden sie mit ihnen? Die Ausstellung geht diesen Fragen nach und zeigt, wie die Identifikation der Menschen mit Helden, Märtyrern und Heiligen in der Glaubenswelt des Spätmittelalters ausgesehen hat.

Zeitgenössischen Kirchenbesuchern standen ihre Vorbilder ganz lebensnah auf großformatigen Altartafeln oder als meisterhaft geschnitzte Holzfiguren gegenüber. Mahnend führten sie den rechten Weg zurück ins Paradies vor Augen, das der Menschheit durch den Sündenfall verloren gegangen war. Dabei zeigen viele Martyriumsdarstellungen überaus brutale Szenen, die von den Hauptfiguren stets mit Gleich- und Demut ertragen werden. Es sind Gewalthandlungen ohne Blut und Qual. Kontemplativ sitzt Veit in dem großen Ölkessel und erduldet sein Schicksal. Die heilige Columba, die sich weigerte, den Sohn eines römischen Kaisers zu heiraten, wurde wegen dieser Tat gefoltert und schließlich mit dem Schwert enthauptet. Ein Tafelbild von 1480 zeigt ihre Unerschütterlichkeit im Glauben. Wenige Augenblicke vor dem tödlichen Hieb scheint sie ins Gebet vertieft und blickt konzentriert auf ihre gefalteten Hände.

Solche Geschichten erscheinen uns heute fremd. Was können sie uns noch sagen? Gleichzeitig regen diese Überlieferungen zum Nachdenken über die Gegenwart an: Brauchen wir nicht auch heute noch Heldengeschichten? Suchen auch wir nicht nach Vorbildern, an denen wir uns orientieren können? Was unterscheidet die Heldenfiguren des Spätmittelalters von unseren Idolen und was sagt dies über unsere eigene Zeit aus? Sein persönliches Fazit kann jeder unter dem Hashtag #heldenreise auf den Social-Media-Kanälen teilen. Hierzu lädt auch eine große Plakatwand vor dem Eingang zur Ausstellung ein. Von Kleopatra über Georg bis zu Superman sind hier verschiedene Helden und Heiligenfiguren abgebildet, mit denen sich jeder fotografieren kann. Denn das gilt auf jeden Fall: Die Faszination an Heldengeschichten ist ungebrochen.

Dr. Sonja Mißfeldt
Pressesprecherin
Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg


Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg
Helden, Märtyrer, Heilige. Wege ins Paradies
11. April 2019 bis 4. Oktober 2020
www.gnm.de

Katalog hg. von Daniel Hess und Markus Prummer
140 Seiten, 65 meist ganzseitige farbige Abb.
Preis im Museumsshop ca. 18,50 €, im Buchhandel ca. 24,80 €
ISBN 978-3-946217-18-3

AsKI KULTUR lebendig 1/2019

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