In Memoriam Dr. Sieghardt v. Köckritz (1928 – 1996)

Sieghardt v. Köckritz, Foto: Franz Fischer, Bonn

Am 3. September 2018 wäre Dr. Sieghardt v. Köckritz 90 Jahre alt geworden. Dies gibt Gelegenheit, noch einmal einen Blick auf Wirken und Persönlichkeit des langjährigen Leiters der Kulturabteilung im Bundesministerium des Innern (BMI) zu werfen, der nach seiner Pensionierung im Jahr 1993 bis zu seinem Tod Vorsitzender des AsKI war.

Wer Sieghardt v. Köckritz kannte und mit ihm zusammenarbeitete, sah sich vor eine Reihe von Fragen gestellt, denen auszuweichen kaum möglich war. Köckritz verband eine durch und durch zivile Natur mit der Herkunft aus einer durch das Militärische geprägten Familie. Dies verschaffte ihm in seinen späten Dienstjahren Ruf und Nimbus eines unvergleichlichen Staatsdieners, die weit über die eines erfolgreichen Laufbahnbeamten hinausgingen. Er konnte mit köstlicher Ironie über den Niedergang des Adels sprechen und blieb ihm doch wenigstens in seinen Manieren verbunden. Es bereitete ihm Freude, wenn sich die Menschen von ihm zunächst das Bild eines Aristokraten machten, der sich irgendwie in die Kunst und die Staatsgeschäfte verirrt hatte, und wenn sie dies später korrigieren mussten. Er trug es ihnen nicht nach und trumpfte schon gar nicht auf. Weniger eine gefügige Umgebung als vielmehr die wachsende Akzeptanz natürlicher Autorität waren sein Ziel. Selten hat die Ministerialbürokratie des Bundes einen so umfassend gebildeten und sein Amt in der historischen Entwicklung verstehenden Angehörigen in ihren Reihen gehabt wie Sieghardt v. Köckritz.

Mit der Geduld des Kunstliebhabers und der Phantasie des Haushaltsexperten führte der Jurist die Kulturpolitik des Bundes aus dem Erhard'schen „Pinscher"-Image der 1950er-Jahre heraus. Er verschaffte ihr Respekt und Anerkennung bei den Ländern. Für die Errichtung der Kulturstiftung der Länder setzte er sich ein, nachdem eine Nationalstiftung auf absehbare Zeit nicht zu realisieren war – die Erwerbsaktionen um die Sammlung Hirsch und das Evangeliar Heinrichs des Löwen hatten die Notwendigkeit einer zentralen, handlungsfähigen Institution deutlich gemacht, die die Interessen Deutschlands als Kulturnation wirksam vertreten konnte. Aus dieser Zeit stammte die hohe gegenseitige Wertschätzung, die ihn mit dem Bankier, Diplomat und Mäzen Hermann Josef Abs verband. Nach der Wiedervereinigung hat v. Köckritz den Zusammenbruch der kulturellen Strukturen in den neuen Ländern verhindert und auch dort Vertrauen für die Kulturpolitik des Bundes erworben. Dies ermöglichte erst das „Leuchtturmprogramm" des Bundes zur Erhaltung und Weiterentwicklung von national bedeutsamen kulturellen Einrichtungen. Berlin förderte v. Köckritz in der Überzeugung, dass die Traditionsbrüche in Deutschland zu einem wesentlichen Verlust geistiger und kultureller Substanz geführt haben.

Die Feststellung, dass der Beamte v. Köckritz den Politikern, die gleichsam nach ihm als Beauftragte des Bundes für Kultur und Medien fungierten und fungieren, die Bühne bereitet hat, ist wahrscheinlich kaum übertrieben. Über lange Zeit das volle Vertrauen seiner Minister genießend, konnte er die Ziele des Bundes mit den Tugenden eines hohen Staatsdieners behutsam, klug und beharrlich verfolgen. Die im AsKI zusammengeschlossenen Kulturinstitute lagen ihm in ihrer großen Vielfalt und Vitalität ebenso am Herzen wie die Pflege und Bewahrung des kulturellen Lebens der Deutschen in Mittelost- und Osteuropa. Er setzte sich für Erwerbungen ein, initiierte Publikationen und sah seine Aufgabe darin, dem reichen kulturellen Erbe der Vertriebenen eine neue und zukunftsorientierte Perspektive zu eröffnen. Das Ostpreußische Landesmuseum in Lüneburg hat ihm, dem gebürtigen Königsberger, sehr viel zu verdanken.

Sieghardt v. Köckritz wusste es immer zu schätzen, dass ihm ein klassisches Ressort den Rahmen gab – das Bundesministerium des Innern –, ohne zugleich zu verhehlen, dass ihm der Stellenwert der Kultur im Politischen ungenügend erschien. „Wenn ich mit Europa noch einmal anfinge, ich finge mit der Kultur an", dieser oft als Diktum Jean Monnets zitierte Satz hätte auch das Resümee von Sieghardt v. Köckritz sein können. Bundespräsident Richard v. Weizsäcker würdigte sein Werk mit der Verleihung des Großen Verdienstkreuzes des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Als Kenner der preußischen Militärgeschichte wusste v. Köckritz, was Friedrich der Große über seinen General v. Winterfeldt gesagt hat und hätte dies natürlich nie auf sich bezogen. Wenn wir seiner zum 90. Geburtstag gedenken, würde es vielen Wegbegleitern gleichwohl nahe liegen, sich die Grabmalinschrift auf dem Berliner Invalidenfriedhof zu vergegenwärtigen: „Er war ein guter Mensch, ein Seelenmensch, er war mein Freund".

Hans-Heinrich v. Knobloch
bis März 2018 Leiter der Verfassungs- und
Verwaltungsabteilung im BMI;
als Angehöriger der Kulturabteilung konnte er das Wirken von
Sieghardt v. Köckritz in den 1980er- und 1990er-Jahren
aus der Nähe beobachten

 

AsKI KULTUR lebendig 2/2018

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