AsKI e.V. : Neue Impulse - doch wohin?

Michael Naumann sei Dank: endlich tritt die innere Kulturpolitik der Bundesregierung aus dem in der Ära Kohl selbstgewählten Schatten ins volle öffentliche Licht. Bisher galt die Devise, den eifersüchtigen Ländern zuliebe das Bundeslicht fast ängstlich unter den Scheffel zu stellen, so sehr, daß kaum jemand die erstaunliche und erfreuliche Verdreifachung der Kulturgelder im Bundesetat während der sechzehn Jahre Kohl bemerkte. Jetzt aber, nicht bloß im Wahlkampf, sondern auch seither sind die Feuilletons und sogar die politischen Seiten der Tages- und Wochenzeitungen voll davon, was der Kultur-Staatsminister Michael Naumann plant und tut.

Recht so, Gratulation und alle guten Wünsche! Auch der Deutsche Bundestag steht da nicht zurück. Alle Fraktionen hatten letztes Jahr versprochen, im Parlament einen Kulturausschuß einzurichten. Versprochen, gehalten - unter dem Vorsitz von Elke Leonhard (SPD) widmen sich künftig fünfzehn Abgeordnete ständig und aufmerksam der Kultur und dem Medien. Und siehe da: die Länder, die ihre „Kulturhoheit" so erbittert zu verteidigen pflegen, schweigen fein stille. Das heißt gewiß nicht, daß ihr Mißtrauen beseitigt wäre. Doch erst einmal hat der neue Impuls für die Kulturförderung durch den Bund freie Bahn.

So sind die Chancen gut, daß Neues gestaltet wird. Selten war die Öffentlichkeit so einhellig auf der Seite der Kultur. Zudem haben in den letzten Jahren die Organisationen der Kulturbeflissenen, vom Deutschen Kulturrat über den Kulturkreis der deutschen Wirtschaft bis zum AsKI gut vorgearbeitet und eine umfängliche Aufgabenliste für die Kulturpolitik erarbeitet. Auch zeigten sie im letzten Jahr schon mit ihrer erfolgreichen Intervention für verbesserte Sponsoring-Richtlinien des Finanzministers, daß und wieviel gemeinsam und mit Hilfe der Öffentlichkeit erreichbar ist. Demnächst werden sie eine aktualisierte Wunschliste vorlegen.

Die Zeit der Vorschußlorbeeren, die Michael Naumann reichlich zugesprochen wurden, ist nun freilich vorbei, und jetzt werden neben den Chancen auch die Risiken sichtbar. Das umstrittene, hoffentlich bald entschiedene Großprojekt Holocaust-Mahnmal führte schon zu ersten Kratzern am Naumann-Bild, weil der Staatsminister allzu rasch und allzu einsam einen neuen Vorschlag aus dem Hut zauberte. Schwieriger noch: was im Herbst großzügig der Kulturszene besonders in Berlin und den neuen Ländern, aber auch anderswo versprochen wurde, muß nun gehalten werden. Immerhin gelang es, Respekt, dem damals noch amtierenden, strengen Finanzminister Lafontaine schon für dieses Jahr zusätzliche hundert Millionen Mark zu entlocken.

Aber sechzig Millionen blieben ungedeckt, müssen also durch Kürzungen anderswo erwirtschaftet werden. Da ist guter Rat teuer im wahrsten Sinn des Worts. Und nicht zuletzt droht über den Auseinandersetzungen um den Kulturetat des Bundes der parlamentarische Konsens zwischen regierender Mehrheit und opponierender Minderheit verlorenzugehen, der ein so kostbares Gut ist.

Seien wir realistisch: das Geld der Steuerzahler wird knapp bleiben. Um so wichtiger werden Fortschritte in dem, was der Kulturwissenschaftler Werner Heinrichs die ordnende Dimension der Kulturpolitik genannt hat (siehe die Rezension seines Buchs auf S. 22). Damit sind alle Handlungen gemeint, welche die rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen des Kulturbetriebs positiv verändern, angesichts leerer öffentlicher Kassen vor allem mit dem Ziel, private Initiativen zu fördern. Das ist nun ein weites Feld mit mehreren Entscheidungsebenen, von Brüssel über Bonn/Berlin bis in die Landeshauptstädte.

Vordringlich sind hier zwei Dinge, zum einen die überfällige und oft versprochene Neufassung des Stiftungsrechts, zum anderen steuerliche Erleichterungen für Erben, Spender, Sponsoren und Stifter. Man kann nicht behaupten, daß es dafür derzeit viel Rückenwind gäbe. Zumal im Steuerrecht drohen vielmehr sogar Rückschläge, auch wenn es den Verlagen und dem Buchhandel mit kräftiger Staatsminister-Hilfe jüngst erst einmal gelungen ist, die vom Finanzminister geplante Abschaffung der Teilwertabschreibung auf Lagerbestände zu verhindern. Da gilt wieder einmal Max Webers Definition der Politik als geduldiges und hartnäckiges Bohren dicker Bretter. Erfolge wird es, da die Kultur keine schubkräftige Lobby hat, nur dann geben, wenn die Kulturszene, die Kulturpolitiker aller Parteien und die Öffentlichkeit an einem Strang ziehen. Und selbst dann werden wir, wie der Brüsseler Gang der Dinge in Sachen Buchpreisbindung lehrt, oft genug mit halbherzigen Kompromissen leben müssen. Aber besser solche Kompromisse als gar kein Fortschritt!

So ist das Pflichtenheft von Michael Naumann und seinen Mitarbeitern wie auch des Kulturausschusses im Bundestag gut gefüllt. Mindestens die laufende Legislaturperiode werden sie brauchen, um es gemeinsam abzuarbeiten. Immerhin, der Anfang ist gemacht, Hoffnung geweckt. Aus den Versäumnissen der alten Bundesregierung kann die neue eine Lehre ziehen: Was nicht in den beiden ersten Jahren der Legislaturperiode auf den Weg gebracht ist, wird nichts mehr. Laßt uns also nun bald weitere Taten sehen.

Dr. Dr.h.c. Barthold C. Witte
Vorsitzender des AsKI

 

AsKI KULTURBERICHTE 1/1999

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