AsKI e.V. : Ein Roboter meißelt das Marmorporträt des Maecenas

Bildniskopf des Gaius Cilnius Maecenas (ca. 65/62 - 9 v. Chr.) aus einer stadtrömischen Bildhauerwerkstatt, 25 - 20 v. Chr.

Mithilfe eines digitalisierten Roboterbildhauers angefertigte Marmorkopie eines originalen Bildniskopfes des Gaius Cilnius Maecenas (ca. 65/62 - 9 v.Chr.), Original im Museo Archeologico Nazionale in Arezzo, © Foto: MODEL IDEA SRL, Carrara, Italien

In Pisa, der Stadt Galileis, unterhält die italienische Regierung in einem ausgedehnten Gelände ihr Nationales Forschungszentrum CNR, vergleichbar der Deutschen Forschungsgemeinschaft in Bonn.

Hier zeigte mir der Leiter der Abteilung für Digitalisierung genaue Marmorkopien der romanischen Figuren von Nicola Pisano, welche die berühmte Kanzel des Doms zu Pisa schmücken.

Diese Statuen waren erstaunlicherweise nicht von einem Bildhauer gemeißelt worden, sondern von einem Roboter. Das der Entwicklung und Beauftragung solcher Roboter zugrunde liegende Problem war in seiner ganzen Tragweite erkannt worden, als man 1989 beabsichtigte, das bronzene Reiterstandbild des Kaisers Marcus Aurelius auf dem Kapitol in Rom durch eine Kopie zu ersetzen, um das Original im Museum gegen die Umwelteinflüsse schützen zu können. Die Reste der Vergoldung auf der Oberfläche schlossen eine Abformung mit Hilfe von Natur- oder Kunstkautschuk aus, und so entschloss man sich, die plastische Form durch fotografisch ermittelte Höhenlinien im Abstand von 1 cm zu erfassen und in eine Gipskopie zu übertragen. Die Höhenstufen wurden dann von erfahrenen Medailleuren ausgefüllt. Der Aufwand, für den sich eine große Versicherungsgesellschaft als Mäzen zur Verfügung stellte, war groß, das Ergebnis durchaus befriedigend, auch wenn die kraftvolle Reiterstatue des 2. Jahrhunderts n. Chr. in ihrer Oberflächenwirkung jetzt eher einer modernen Medaille gleicht.

Deshalb ging man bei weiteren Vorgängen zu einer ungemein kleinteiligen Digitalisierung der zu kopierenden Originale über. Diese digitale Aufnahme kann sodann bei Bronzen von einem Roboter exakt in Gips für das als Zwischenstufe notwendige Model nachgebildet werden. Bei Steinskulpturen kann die Kopie sogar direkt aus dem jeweiligen Material, z.B. Marmor, gehauen werden. Das neue Verfahren, das auch in Deutschland- z.B. bei der kolossalen Marmorstatue des Kaisers Konstantin aus dem kapitolinischen Konservatorenpalast in Rom für die zur Zeit die Besucher anziehende Ausstellung "Konstantin der Große" in Trier- erfolgreich und im großen Stil angewandt wurde, ist in Italien zur Vollendung gebracht worden: durch die fruchtbare Zusammenarbeit zwischen den Pisaner Technikern der Digitalisierung plastischer Bildwerke im Nationalen Forschungszentrum und einem in der Nähe, zwischen Pisa und der Marmorstadt Massa di Carra am Fuß der Apuanischen Alpen, in Navacchio, gelegenen Betrieb, der sich auf Roboternachbildungen verschiedenster Vorbilder spezialisiert hat. Die Lage ist günstig, weil in Carrara die größten, schon von Michelangelo genutzten Marmorsteinbrüche Italiens liegen, und dort viele Marmorbetriebe arbeiten. Diese beschäftigen geschickte Bildhauer und lagern für deren Arbeiten die verschiedensten Marmorsorten der Welt, darunter auch den Marmor von Afyon in Kleinasien, in der Mitte des Weges zwischen Istanbul am Marmarameer und Antalya am Mittelmeer. Hier liegen die anscheinend unerschöpflichen, berühmten Brüche des Dokimeischen Marmors, der seit Augustus (61 v.Chr.-14 n.Chr.) in kaiserlichem Besitz und wegen seiner dem menschlichen Karnat ähnlichen Farbe der beliebteste Marmor römischer Zeit war.

Diese Erfahrungen waren gefragt, als Bundespräsident Köhler spontan einen Wunsch äußerte. Am 1. März dieses Jahres hatte er bei einer Veranstaltung für die Sponsoren der Deutschen Akademie in Rom, Villa Massimo, im Martin-Gropius-Bau zu Berlin das neu entdeckte, antike Marmorporträt des Vorbildes aller Stifter, Gaius Cilnius Maecenas (65-9 v. Chr.), kennen gelernt. Maecenas stammt aus der etruskischen Königsfamilie der Cilnii von Arezzo, und die Stadt seines Ursprungs, Arretium, hatte ihn um 20. v. Chr. mit der Aufstellung eines sehr ausdrucksvollen Marmorporträts geehrt. Maecenas war während vieler Jahre Stellvertreter des Kaisers Augustus in Rom und leitender Kopf der augusteischen Kultur- und Friedenspolitik. Das beeindruckende Bildnis dieser bedeutenden Politikerpersönlichkeit war ausnahmsweise für diesen einen Abend aus Arezzo nach Berlin gebracht worden. Es gab den Teilnehmern Gelegenheit, dem Vorbild aller Mäzene von Angesicht zu Angesicht gegenüberzutreten.

Aus Anlass der Maecenas-Ehrung 2007 für Berthold Leibinger beschloss nun der AsKI, auf Anregung des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Bernd Neumann, und mit der erneuten Unterstützung seines Hauses, eine Kopie des Marmorporträts des Maecenas in Italien anfertigen zu lassen und diese bei der diesjährigen Festveranstaltung in Berlin erstmals öffentlich zu präsentieren. Bildniskopf des Gaius Cilnius Maecenas (ca. 65/62 - 9 v. Chr.) aus einer stadtrömischen Bildhauerwerkstatt, 25 - 20 v. Chr.Da vor nicht langer Zeit von der italienischen Denkmalbehörde durch Gesetz untersagt wurde, antike Bronze- und in vielen Fällen auch Marmorbildwerke nach der üblichen Methode mittels unmittelbar auf die Oberfläche aufgetragener Schalen abzuformen, verwies die Leitung des Nationalmuseums von Arezzo, wo der vor einem Jahr als Bildnis des Maecenas identifizierte Marmorkopf aufbewahrt wird, auf die neue Methode, nicht nur Gips- oder Kunststeinabformungen von Originalbildwerken, sondern exakte Kopien aus dem gleichen Stein wie das Original herzustellen. Das Bildnis des Maecenas in Arezzo besteht aus dem großkristallinen, leuchtenden Marmor von Afyon. Es gelang, einen 40 Kubikzentimeter messenden Block dieses Marmors ausfindig zu machen und den Roboterbildhauer an die Arbeit zu setzen. Ein Problem war die abgebrochene Nase, denn Brüche sind so völlig ohne eine sinnvolle Oberflächenform, dass ein exaktes Meißeln nach mathematischen Vorgaben so gut wie ausgeschlossen ist. Man muss deshalb im Kaufvertrag zustimmen, dass die Nase vom Roboter nur bis zur Bruchkante abgemeißelt und dann von einem routinierten Bildhauer abgebrochen wird. Zwar stimmt der Bruch am Ende nicht Linie für Linie mit dem Originalbruch überein, ist aber genau so formlos und zufällig wie dieser.

Seinen endgültigen Platz findet das Marmor-Bildnis des Maecenas als Dauerleihgabe im Amtszimmer des Bundespräsidenten. Wenn dieser das Porträt zur jeweiligen Maecenas-Ehrung des AsKI in den Bundesrat ausleihen wird, dann steht vor dem Betrachter nicht eine mechanische Abformung in einem aus Marmorstaub mit einem Klebematerial zusammengebackenen Material, sondern eine exakt aus dem gleichen Marmor wie das Original gehauene Skulptur, deren Oberfläche noch von einem zeitgenössischen Bildhauer übergangen und patiniert wurde. Sie beantwortet die von Gotthold Ephraim Lessing in seiner Ode in Prosa 1751 "An Mäzen" gestellte Frage: "Aber hast Du uns auch von Dir etwas mehr als den Namen gelassen?" mit einem klaren "Ja". Wer dieses Bildnis, sei es im Original in Arezzo oder in der aus dem Marmor gehauenen Replik in Berlin, betrachtet, der sieht Maecenas persönlich vor sich, und kann sich von diesem klugen Gesicht anregen lassen, ihm nachzueifern.

Bernard Andreae

AsKI-Newsletter KULTUR lebendig 2/2007

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