Casa di Goethe, Rom: Ausstellungsreihe „Konstellationen“. Spuren deutscher Geschichten in Rom

In diesem Sinne ist das von Giuseppe Garrera konzipierte Projekt als eine Hommage an Walter Benjamin zu verstehen, an Flânerie und Sammelleidenschaft: Wie im Paris Benjamins gibt es auch in der italienischen Hauptstadt viele Buchstände, Flohmärkte und Wiederverkäufer, bei denen Bibliotheken und Hausrat leidenschaftlicher Sammler enden. Das Projekt „Konstellationen" basiert auf Zufallsentdeckungen bei Streifzügen durch die Ewige Stadt.

In „Konstellation 1" (30. November 2016 – 12. März 2017) waren u.a. seltene Buchausgaben mit Graphiken von Manet und Renoir zu sehen, Originaldrucke von Albrecht Dürer und Francis Bacon, die dem deutschen Maler Ernst Stadelmann (München 1894 – Rom 1972) gehört hatten und darüber hinaus auch Handschriften und seltene Buchausgaben aus der Bibliothek von Ernst Bernhard (Berlin 1896 – Rom 1965). Ernst Bernhard war ein deutscher Psychoanalytiker Jung'scher Schule, der in Rom in der Via Gregoriana 12 wohnte und praktizierte. Zu seinen Patienten zählten u.a. Natalia Ginzburg, Adriano Olivetti und Federico Fellini. Ausgestellt wurden auch unveröffentlichte Briefe des deutschen Wissenschaftlers Reinhard Dohrn (Neapel 1880 – Rom 1962). Reinhards Vater, Anton Dohrn, hatte 1872 die Zoologische Station Neapel ins Leben gerufen, eine international ausgerichtete, in Italien einmalige Institution zur Erforschung der Meeresbiologie. Nach seinem Tod im Jahre 1909 übernahm Reinhard Dohrn für mehr als drei Jahrzehnte ihre Leitung. Seine Amtszeit fiel in äußerst schwierige Jahre, geprägt von den Katastrophen des 20. Jahrhunderts und zwei Weltkriegen – so wurden gleich zweimal Dohrns private Villa und die Zoologische Station beschlagnahmt und ihm anschließend wieder restituiert. Von dem Philosophen Benedetto Croce sehr geschätzt wurde Reinhard Dohrn sogar Ehrenbürger der Stadt Neapel.

In „Konstellation 2" (10. November 2018 – 20. Januar 2019) werden nun ausschließlich von Garrera auf römischen Trödelmärkten erstandene Fundstücke gezeigt, die die künstlerische Arbeit Joseph Beuys' (Krefeld 1921 – Düsseldorf 1986) in Italien dokumentieren: Objekte, Plakate, Postkarten, Einladungskarten, Erinnerungsstücke, Publikationen, Fotografien – auch sie durchweg zufällige Entdeckungen in den Straßen Roms.

Jeder Fund ist gleichzeitig Fragment einer persönlichen Geschichte, einer lebendigen Gegenwart. Die Stücke beleuchten und rekonstruieren besondere Lebenswege in Rom, zeigen Verbindungen auf, erinnern an Begebenheiten, Verlust und Tod. In der Ausstellung wird für jedes Buch, jeden Brief, jede Graphik und jedes Bild der entsprechende Fundort in der Stadt angegeben.

Die Casa di Goethe ist für ein solches Projekt der ideale Ort, geht es doch hier genau darum, Erinnerung an wichtige (Durch)reisende aufzuspüren und zu bewahren: die an den Aufenthalt Goethes in der Via del Corso 18, aber darüber hinaus auch an andere Italienreisende wie den Wanderer Johann Gottfried Seume, an Grand Tour-Künstler, an Touristen oder Auswanderer.

Für uns als Museum hat das Ausstellungskonzept der „Konstellationen" einen besonderen Reiz, sind doch die Themen eng verbunden mit dem genuinen Auftrag einer solchen Institution: Bewahren, erzählen, Bilanz ziehen, erinnern und sich dem Vergessen, der heutigen Acht- und Sorglosigkeit entgegenstellen. Das Nachzeichnen von Lebenswegen, von hinterlassenen Spuren gehört zu unseren Aufgaben. In diesem Fall bewahren die Ausstellungen wichtige Erinnerung an deutsches Leben und Wirken in Rom vor Zerstreuung und Verlust.

Konstellation 1 und 2 zeugen in diesem Sinne ganz besonders von Bestimmung und Leidenschaft eines Museums und aller Beteiligten. Bibliotheks- und Archivrecherchen, die Jagd nach einem Stück auf Auktionen, die Restaurierung einer Seite, das Auffinden nützlicher Informationen, die Bündelung von Kräften, um die Geschichten zu erzählen, der Ausstellungsaufbau – Museumsarbeit ist immer ein spannendes Abenteuer!

Dr. Maria Gazzetti
Leiterin der Casa di Goethe

Casa di Goethe, Rom

Costellazione2 – Beuys: Viaggi in Italia

Recuperi di storie tedesche girando per Roma 10. November 2018 – 20. Januar 2019

www.casadigoethe.it

Zur Ausstellung erscheint beim AsKI auf Italienisch die Publikation von Giuseppe Garrera „Storie di collezionismo da strada. Passaggi e derive per la città di Roma in cerca di tesori", hrsg. von Maria Gazzetti, gestaltet v. Max Renkel
48 Seiten, Preis 7 €
ISBN 978-3-930370-49-8
Zu beziehen über: www.askishop.de

AsKI KULTUR lebendig 2/2018