Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal : 20 Jahre Museum für Sepulkralkultur in Kassel

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Schluß jetzt! Das Plakat zur Ausstellung Museum für Sepulkralkultur 1992 © Museum für Sepulkralkultur, Kassel 2012

Blickt man auf die letzten 20 Jahre zurück, so haben sich in dieser Spanne die Welt im Großen und die Bestattungskultur im Kleinen stark verändert. Das Museum für Sepulkralkultur war natürlich nicht der Auslöser für diesen Wandel, auch nicht in der Bestattungskultur, aber es hat sich ebenfalls sehr verändert.

Gar nicht mal vom Äußeren, das immer noch zur Straßenseite hin etwas abweisend wirkt, aber in seiner Arbeitsweise und seinen Zielsetzungen.

Wer hätte noch vor 10 Jahren daran gedacht, dass im sepulkralen Ambiente des Museums nun recht regelmäßig Kindergeburtstage gefeiert, Kürbisse für Halloween geschnitzt und Forscherspiele arrangiert werden? Die Fokussierung auf die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen macht am ehesten deutlich, dass das Museum seine Aufgabe, Museum zu sein, sehr ernst nimmt.

Vergiss mein nicht – Der Museumskoffer Museum für Sepulkralkultur 2006, Foto: Museum Für Sepulkralkultur Kassel 2012

Es ist in erster Linie Teil eines kulturellen Angebots in Kassel und Nordhessen, das sich freilich auch an Erwachsene wendet - oder am besten an beide, an Familien mit Kindern. So war es jüngst zu sehen, als im Museum für Sepulkralkultur der Dia de los Muertos, das mexikanische Totenfest gefeiert wurde. Als es auf Mitternacht zuging, schlummerten schon manche Kinder auf den ausgebreiteten Kissen, während die Erwachsenen zu den Klängen der Mariachi-Band zu tanzen begonnen hatten. Tage zuvor hatten die mexikanischen Kinder ihre Ofrendas im Museum aufgebaut und dazu gleich ihre deutschen Schulkameraden mitgenommen, um ihnen zu zeigen, wie sehr man Oma geliebt hat und nun fröhlich an sie denkt: Gelungene Kulturarbeit!

Mittlerweile gibt es im Jahreslauf viele Veranstaltungen im Museum, die zwischen fröhlich und besinnlich, zwischen informativ und unterhaltsam wechseln. Und es ist gut zu spüren, das eine geht wie das andere, wenn man sich immer wieder auf die neue Situation einstellt. So darf hier auch getrauert werden, wenn sich jeweils am 2. Sonntag im Dezember verwaiste Eltern zum Worldwide-Candle-Lighting im Museum treffen. Dass es so gekommen ist, ist freilich nicht selbstverständlich: Elterntränen, Kinderlachen, Expertenvorträge, Kleinkunsttöne, Konzertantes und manches mehr, alles unter einem Dach, worunter man vor 20 Jahren das „Totenmuseum am Kasseler Weinberg" beherbergt sah. Es ist kein totes Museum geblieben, und das hat viele Gründe. Wir sind auf viele Menschen getroffen, die uns Leben eingehaucht haben, die uns Mut gemacht haben, die strengen Pfade wohltemperierter Pietät auch zu verlassen.

Allen voran sind in der Rückschau die Kollegen von der Caricatura zu nennen, die uns ermutigten, gleich eine unserer ersten Ausstellungen mit Augenzwinkern zu präsentieren: „Schluß jetzt!" hieß die Ausstellung, aber das war erst der Anfang. Selbst Kabarett war nach dem Erfolg der Karikaturen möglich. Rainer Pause trat als rheinischer Funeral-Entertainer schon vor 15 Jahren das erste Mal im Museum auf. Ebenfalls wegweisend war die Zusammenarbeit mit dem Team vom Stapferhaus in der Schweiz, das 1999 mit seiner Ausstellung „Last minute" so unbefangen an das Thema heranging, wie wir es bis dahin nicht gewagt hatten. Doch wurde „Last minute" auch in Kassel ein Erfolg, der uns offenbarte, wir dürfen uns näher an das Thema heranwagen, wir sollen es sogar. Wir können es sogar mit Kindern: Das durften wir lernen vom FEZ Berlin-Wuhlheide, deren kindgerechte Ausstellung „Erzähl mir was vom Tod!" selbst Vorschulkinder ins Museum führte. Heute gibt es mehrere sepulkrale Museumskoffer mit dem schönen Namen „Vergiss mein nicht" an etlichen Stellen in Deutschland, die Kindern und Jugendlichen einen Besuch des Museums ermöglichen, ohne nach Kassel kommen zu müssen.

In der Zusammenarbeit mit dem Naturkundemuseum in Kassel haben wir es dann schließlich sogar gewagt, in der Mumienausstellung 2009 erstmals menschliche, sterbliche Hüllen zu zeigen - und die Besucherinnen und Besucher haben diese Begegnung mit Mumien ganz überwiegend positiv wahrgenommen. Die genannten Beispiele für museale Projekte, die wir gemeinsam mit anderen durchführen durften, bilden nur einen kleinen Ausschnitt aus den vielen Begegnungen, die das Kasseler Totenmuseum lebendig hielten. Freilich darf nicht außer Acht gelassen werden, dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter selbst neugierig waren und bereit, auch ungewohnte Wege zu gehen. Das Museum für Sepulkralkultur war und ist für mich und wahrscheinlich für die meisten der KollegInnen immer ein Museum, und doch zugleich mehr als ein Museum, ein Ort, der Menschen zusammenführt, unterschiedlichste Menschen aus unterschiedlichsten Gründen mit unterschiedlichsten Gefühlen und Stimmungslagen.

Das soll nicht bedeuten, wir hätten unsere Pflichtübungen musealer Standards vernachlässigt, aber es darf schon betont werden, dass in der musealen Trias von Sammeln, Bewahren und Erschließen im Museum für Sepulkralkultur das Erschließen den Schwerpunkt bildet. In der Vermittlung von Inhalten, sei es beim unterhaltsamen Eltern-Kind-Nachmittag, auf einer Tagung oder durch die Publikation wissenschaftlicher Arbeiten, sehe ich schon die Hauptaufgabe unseres Hauses. Seine museale Sammlung ist kein Selbstzweck, sondern dient der Kommunikation und erschließt manche Sachverhalte einfach schlüssiger als das nur geredete Wort. Und so werden auch die Feste, die im Museum für Sepulkralkultur veranstaltet werden, nicht um ihrer selbst willen gefeiert, sondern sind selbst Teil der Kommunikation und Vermittlung von Inhalten. Auch hier bleibt die Ausrichtung am Inhalt des Museums immer oberste Instanz.

Am 24. Januar 2012 jährte sich zum 20. Mal die feierliche Eröffnung des Museums für Sepulkralkultur, am Festakt Anfang Februar nahmen VertreterInnen aller Zuwendungsgeber teil. In seinem Grußwort erklärte Kulturstaatsminister Bernd Neumann, das Museum für Sepulkralkultur sei „Ausdruck und Spiegel gesellschaftlichen Wandels" und betonte weiter, dass sich das Museum „mit vielen Aktionen und Workshops in den vergangenen Jahren verstärkt der museumspädagogischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen zugewandt" habe. Themen wie Tod, Trauer und Bestattung seien „fester Bestandteil unserer Kultur", dies zu zeigen, sei „kulturelle Bildung im besten Sinne".

Noch heute sind es der Bund, das Land Hessen, die Stadt Kassel und die beiden großen Kirchen, die den laufenden Betrieb des Museums finanzieren. Dass sie dabei bleiben für die nächsten Jahrzehnte, wünscht sich das dankbare Geburtstagskind.

Reiner Sörries

AsKI KULTUR lebendig 1/2012

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