Max-Reger-Institut, Karlsruhe : ‘Enfant terrible‘ und ‘letzter Riese‘. Max Reger zum 150. Geburtstag

Foto: Max-Reger-Institut

Den „letzten Riesen in der Musik" soll Paul Hindemith Max Reger (1873–1916) einmal genannt haben. Eine bemerkenswerte Bezeichnung, bedenkt man, dass Reger in nur wenig mehr als zwanzig Schaffensjahren zwar ein weite Gattungsbereiche umspannendes Œuvre vorgelegt hatte und vor dem Ersten Weltkrieg als meist aufgeführter lebender Komponist neben Richard Strauss galt, wenige Jahrzehnte nach seinem Tod aber nur mehr oder weniger kleine Ausschnitte aus seinem Werk im Konzertleben präsent blieben – allen voran die Orgelmusik.

Geboren wurde Johann (Baptist) Joseph Maximilian Reger am 19. März 1873 in einem kleinen Ort im Fichtelgebirge, aufgewachsen ist er in Weiden in der Oberpfalz – fernab der musikalischen Zentren seiner Zeit. Sein Studium bei Hugo Riemann führte ihn nach Wiesbaden, wo er erste Lieder, Klavier- und Kammermusikwerke veröffentlichte; nach seinem Militärdienst kehrte er 1898 überschuldet und krank in seine Heimatstadt Weiden zurück. Von dort aus begann er, sich vor allem als freischaffender Komponist unerhört avancierter Orgelwerke, etwa seiner sieben großen Choralphantasien oder der B–A–C–H-Phantasie und Fuge op. 46, einen Namen zu machen. Wirtschaftlich und künstlerisch konsolidiert konnte er 1901 nach München übersiedeln. Hier etablierte er sich rasch auch als gefragter Kammermusiker und Liedbegleiter und wurde 1905 als Kompositionslehrer an die Akademie der Tonkunst berufen.

Stichvorlage von Max Regers Bach-Bearbeitung ‘Präludium und Fuge in Es dur‘ BWV 552 für Klavier RWV Bach-B1, Foto: Max-Reger-Institut

Seinen Durchbruch als »Enfant terrible der deutschen Kammermusik« (Reger über sich selbst) markiert ein handfester Skandal beim Tonkünstlerfest des Allgemeinen Deutschen Musikvereins in Frankfurt a.M. im Frühjahr 1904: Vom Flügel aus soll Reger während der Aufführung seiner Violinsonate C-Dur op. 72, in die die Tonfolgen s-c-h-a-f-e und a-f-f-e vielfach eingewoben sind, auf missliebige Kritiker gedeutet haben. Fortan war er als Interpret in eigener Sache im gesamten Reichsgebiet gefragt und „wohnhaft auf der Eisenbahn", um eine Aufführungstradition für seine oft komplexen Werke zu begründen. 1907 wechselte Reger als Universitätsmusikdirektor und Professor für Komposition nach Leipzig, wo neben Kammermusik nun insbesondere auch Orchester- und chorsinfonische Werke entstanden. Von 1911 bis 1914 leitete er die unter Hans von Bülow, Strauss und Fritz Steinbach berühmt gewordene Meininger Hofkapelle. Mit ihr unternahm er ausgedehnte Konzertreisen – nicht zuletzt, um in immer rascherer Folge entstehende Orchesterwerke vorzustellen. Nach seinem gesundheitlich bedingten Rücktritt als Generalmusikdirektor zog Reger 1915 nach Jena. Er starb am 11. Mai 1916 in Leipzig.

Max Reger mit der Sängerin Gertrud Fischer-Maretzki, Max-Reger-Institut, Foto: E. Hoenisch

Max Reger verstand sich stets als „extremen Fortschrittsmann", zugleich reflektiert sein umfangreiches Schaffen große Bereiche der abendländischen Musikgeschichte – ohne in irgendeiner Weise eklektizistisch zu sein. In seiner Musik verbinden sich klassisch-romantische und barocke Formen sowie ein gediegener, meist vielstimmiger und motivisch dichter Satz mit einem beherrschenden Ausdruckswillen. Regers moderne, eigentümliche Tonsprache ist dabei geprägt durch häufig chromatisierte und asymmetrische, mitunter durch Fortspinnung kleiner Zellen gewonnene Melodiebildungen und durch eine sehr bewegliche und schweifende Harmonik – beides Merkmale, die bereits seine Zeitgenossen als Elemente einer musikalischen Prosa erkannten. Reger komponierte zeitlebens Lieder und Chöre sowie Klavier- und insbesondere Kammermusik – bezeichnend ist aber, dass er sich seinen Ruf als avantgardistischer Neutöner zunächst vor allem im Bereich der seinerzeit unmodernen Orgelmusik erwarb. Sein Eintreten für die Königin der Instrumente hat ihm früh den Ruf eines „modernen Bachs" eingetragen. Die Reihe seiner großen Orchesterwerke nahm dagegen erst mit der „Sinfonietta in A-Dur" op. 90 verhältnismäßig spät ihren Anfang und schließt in gewissem Sinn an sein Orgelschaffen an.

Reger muss viel gebracht werden

„Wenn mir ein Stück von Reger bevorsteht, kriege ich immer etwas Herzklopfen, denn man weiß nie, was da kommen wird [...]; bald schreibt er unschuldsvoll wie ein zulpendes Kind, bald wieder so, daß man meint, die Ausführenden seien irrsinnig geworden", bekannte ein zeitgenössischer Kritiker 1905. Die große Wandlungsfähigkeit und die extremen Ausdrucksbereiche von Regers Tonsprache beschäftigten 1922 auch Arnold Schönberg:

„Reger muß meines Erachtens viel gebracht werden, [...] weil er viel geschrieben hat [...] und [weil] man noch immer nicht Klarheit über ihn besitzt (Ich halte ihn für ein Genie.)".

Max Reger beim Reger-Fest zusammen mit Ehepaar Paul und Kläre Ruh und Hermann Grabner neben einem Auto, Max-Reger-Institut, Foto: Kurt Neufeldt

Das Reger-Jahr 2023 hält mit seinen bundesweit und international zahlreichen Veranstaltungen gute Gelegenheiten bereit, Regers Werke in ihrer Breite und Fülle kennen zu lernen. Nicht nur die biografischen „Reger-Orte", wie Leipzig, München, Meiningen, Wiesbaden oder Weiden, sondern auch viele andere Städte beweisen mit eigenen Konzerten und Veranstaltungsreihen eine lebendige Reger-Pflege vor Ort. Ein Schwerpunkt der Aktivitäten des Max-Reger-Instituts (MRI) liegt naturgemäß in Karlsruhe – mit eigenen Konzerten und durch Kooperationen, etwa mit der Badischen Staatskapelle und den städtischen Kantoraten, mit einer Ausstellung zur Künstlerfreundschaft Regers und Karl Straubes in der Badischen Landesbibliothek, mit dem 9. Europäischen Kammermusikwettbewerb in der Musikhochschule und mit einer großen Werkschau „AUF Reger" im Herbst, die rund 300 Mitwirkende zusammenführen wird.

Motiv der Briefmarke: Agostino Raff, Max Reger/Organo, 1969, Mischtechnik auf Leinwand

Das MRI unterstützt auch überregional Künstler und Veranstalter z.B. durch Vorträge bei Symposien oder besonderen Konzertveranstaltungen. Erfolgreich gestartet ist der online-Kalender zum Reger-Jahr im Max-Reger-Portal: www.maxreger.info/reger150  Das Portal bietet Veranstaltern die Möglichkeit, ihre Reger-Aktivitäten überregional darzustellen; als Serviceangebot des MRI stehen hier auch das Logo zum Jubiläumsjahr, Vorlagen für Rollup-Ausstellungen oder Einführungstexte zur Verfügung. Vor allem lädt das Portal mit seiner Klanggalerie, einer Biografie und Bildergalerie auch zum Stöbern ein.

„Klarheit über Reger" zu gewinnen, ist heute leichter möglich denn je...

Dr. Alexander Becker
Institutsleitung,
Max-Reger-Institut - Elsa-Reger-Stiftung

AsKI kultur leben 1/2023

 

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