Goethe-Museum, Düsseldorf: Weimar und die weite Welt der Mode

Verschiedene Bände des „Journals des Luxus und der Moden“. Aufgeschlagen: der orangefarbene Umschlag der Einzelhefte sowie Abbildungen einer Dame mit Samt-Tunika und eines Pariser Bibliothekssekretärs aus Mahagoni mit Verzierungen aus Bronze, Februar 1809;  Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, Foto: Barbara Steingießer

Dass Weimar nicht nur eine Stadt der Klassik, sondern auch eine Bauhaus-Stadt ist, weiß man spätestens seit den großen Feiern zum 100-jährigen Bestehen der Kunstschule. Aber was hat Goethes Weimar mit der internationalen Modewelt zu tun?

„Orange hat, als Mode-
Farbe, schon beynahe wieder
das Nacarat [Feuerrot]
und Coquelicot [Mohnrot] verdrängt".

Zitate wie dieses verraten, dass es beim guten Ton der Mode auf Nuancen ankommt. Und zwar nicht erst, seit es den „Fashion Color Report" des Pantone Color Institutes gibt. Das Zitat stammt aus der ersten deutschen Modezeitschrift, deren erstes Heft im Januar 1786 erschien – in dem Jahr, in dem in Deutschland die letzte Kleiderordnung erlassen wurde. Eben diese Kleiderordnungen waren es gewesen, mit denen die Stände über Jahrhunderte per Gesetz scharf und für alle sichtbar voneinander abgegrenzt wurden. Ein Verständnis von Mode im heutigen Sinne als freier Ausdruck der Individualität wurde erst in einer Zeit des gesellschaftlichen Umbruchs möglich.

Illustration aus dem ‘Journal des Luxus und der Moden‘: Dame mit Mausselin-Turban und Kaschmir-Schal, Februar 1803; Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, Foto: Barbara Steingießer

Das Magazin, das ab dem zweiten Jahrgang unter dem Titel „Journal des Luxus und der Moden" Furore machte, war über Jahrzehnte hinweg das erfolgreichste journalistische Unternehmen Deutschlands. Dass es brandneu war, konnte man schon auf den ersten Blick erkennen. Die Hefte machten durch einen flammend orangefarbenen Umschlag auf sich aufmerksam, der von da an mit den Begriffen ,Luxus' und ,Mode' assoziiert wurde. Und das rund 150 Jahre bevor der französische Lederwarenhersteller Hermès ein solches Orange als Firmenfarbe erneut mit Luxusgütern in Verbindung brachte.

Das „Journal des Luxus und der Moden" war mit seinen handkolorierten Druckgrafiken die erste Illustrierte Deutschlands. Es berichtete in der mediengeschichtlich wegweisenden Verbindung von Text und Bild nicht nur über die neuesten Damen- und Herrenmoden aus Paris, London und Wien, aus Italien sowie aus den deutschen Messestädten und Kurorten, sondern war auch Lifestyle-Magazin. Entsprechend dem Plural des Wortes ,Mode' (aus frz. mode: Art) im Zeitschriftentitel behandelte es nicht nur im engeren Sinne die zum Zeitpunkt des Erscheinens bevorzugte Art, sich zu kleiden, zu frisieren und zu schminken, sondern mit einem weiter gefassten Begriff auch andere Gegenstände oder Tätigkeiten, die gerade ,à la mode' waren. So informierte das Journal regelmäßig über Tischkultur, Einrichtungstrends und Gartenarchitektur, über Erfindungen für den Haushalt, über die neuesten Kutschen und Schlitten, über Literatur und Theater, glanzvolle politische Ereignisse, Reisen und ferne Länder sowie über Modespiele und Gesellschaftsklatsch.

Illustration aus dem ‘Journal des Luxus und der Moden‘: Le Diable (Diabolo), Modespiel in Paris, Oktober 1812; Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, Foto: Barbara Steingießer

In den gut vier Jahrzehnten seines Erscheinens von 1786 bis 1827 veröffentlichte das „Journal" 12.000 Textbeiträge und 1.500 Abbildungen auf 40.000 Druckseiten. Und weil es trotz der wechselvollen Zeit zwischen Revolution und Restauration Bestand hatte und mit kritischem Blick die gesellschaftlichen Veränderungen in Europa registrierte, ist es heute auch eine bedeutende kulturhistorische Quelle.

Im Bestand des Goethe-Museums Düsseldorf sind nicht nur die 42 Jahrgänge des Journals nahezu komplett überliefert, sondern zur Sammlung gehören auch zahlreiche Gegenstände der angewandten Kunst, wie sie in der Zeitschrift vorgestellt wurden, so zum Beispiel Schmuck und Accessoires, Möbel, Silber, Porzellan und Glas. Daher lag es nahe, in einer Sonderausstellung zusammen mit dem Lifestyle-Magazin der Goethezeit auch Modeartikel von damals zu präsentieren und diese Objekte wiederum Luxusprodukten von heute gegenüberzustellen.

Illustration aus dem ‘Journal des Luxus und der Moden‘: Junge Pariser Dame im Negligé (Reisekleid) mit einem Parasolombré (Sonnenschirm), Juni 1791; Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, Foto: Barbara Steingießer

Überraschenderweise hatte das „Journal des Luxus und der Moden" seinen Verlagssitz nicht etwa in einer Metropole wie Berlin oder in einer Messestadt wie Leipzig oder Frankfurt, sondern in der kleinen Residenz Weimar, die man gemeinhin als Klassikerstadt fernab vom modischen Puls der Zeit wähnt. Gegründet wurde es von dem Verleger Friedrich Justin Bertuch (1747–1822), der ein erfolgreicher Geschäftsmann und fleißiger Netzwerker war. Zum Mitherausgeber konnte er Georg Melchior Kraus (1737–1806), den Direktor der fürstlichen Zeichenschule, gewinnen, der zugleich die kunstvollen Bildtafeln entwarf. Die Informationen über das Neueste vom Neuen aus den Modezentren Europas beschafften den Herausgebern Korrespondenten im In- und Ausland. So wurde ein Kosmopolitismus der Mode auch von der Provinz aus möglich.

Zunächst aber mussten Bertuch und Kraus Vorurteilen vorbeugen und Angriffe abwehren, um ihr neues Projekt zu rechtfertigen. Die Weimarer Dichter und Denker fürchteten einen Siegeszug der Oberflächlichkeit. Wenn Goethe später auch selbst Beiträge im „Journal des Luxus und der Moden" veröffentlichte und dessen Anzeigenteil dazu nutzte, für eigene Publikationen zu werben, so war es ihm doch ein rotes Tuch: „Es ist aber als wenn alles geistreiche diesen feuerfarbenen Einband flöhe", schrieb er im Januar 1796 an Schiller.

Illustration aus dem ‘Journal des Luxus und der Moden‘: Englisches Silberwerk: silberne Teekanne und silbernes Senfkännchen mit elfenbeinernem Löffel, September 1799; Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, Foto: Barbara Steingießer

Bereits im Vorwort zum ersten Heft sprechen die Herausgeber die zu erwartenden Vorwürfe direkt an: Luxus, davon seien ihre Gegner überzeugt, „ist die Pest der Staaten!", schreiben sie. „Er verschwendet den reinen Ertrag zu unfruchtbaren Ausgaben [...]; lößt alles Gefühl für Moralität und Ehre auf; [...] zerrüttet den Wohlstand der Familien, und liefert dem Staate Schaaren Bettler!" Aber Bertuch und Kraus zitieren ebenso auch die Befürworter: „Luxus, sagt der Finanzier und Technolog, ist die reichste Quelle für den Staat; der allmächtige Hebel der Industrie, und das kräftigste Triebwerk der Circulation. Er [...] schafft Künste, Wissenschaften, Handel und Gewerbe [...] und bewirkt Genuß und Glück des Lebens!" Ihr Journal, davon waren Bertuch und Kraus überzeugt, sei ein geeignetes Mittel, um den negativen Entwicklungen neuer Trends entgegenzuwirken, denn es könne das ästhetische Urteilsvermögen seiner Leserinnen schärfen und sie vor Modetorheiten bewahren.

„Man traue ihr keine große Beharrlichkeit zu", schreibt das Journal 1823 über die Mode. „Ihr Wesen und innerstes Streben ist Wandlung, Steigerung. Sie will Extreme, jetzt das Größte, dann das Kleinste und so bei dem Weiten und Engen [...], Bunten und Farblosen, Verhüllten und Entblößten [...]." Beständig ist die Mode nur in ihrer Unbeständigkeit – damals wie heute. Aber noch etwas ist gleich geblieben, seit die erste deutsche Illustrierte mit ihrem feuerfarbenen Auftritt die Modewelt entflammte: „Damen von Geschmack [...] richten sich nicht nach der Mode [...]. Sie ahmen nicht nach, sie erfinden."

 Dr. Barbara Steingießer | Kuratorin am
Goethe-Museum, Düsseldorf


Goethe-Museum Düsseldorf/
Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung
Luxus & Lifestyle – Weimar und die weite Welt

26. Oktober 2021 bis 20. Februar 2022

www.goethe-museum.de
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog

AsKI kultur leben 2/2021

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