Deutsche Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen, Berlin: LORIOT. DIE HOMMAGE

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LETZTE MELDUNG, 1971, Vicco von Bülow als Nachrichtensprecher, © SWR (SDR), Hugo Jehle

Im Lebenswerk von Vicco von Bülow, vor allem in seinen Arbeiten für das Fernsehen, treffen sich die singulären Leistungen eines großen Künstlers mit der Alltagskultur der Bundesrepublik und den Biographien ihrer Bürger.

Diesen Zusammenhang in einer umfassenden, in dieser Größenordnung bisher nicht da gewesenen Schau aufzuzeigen, ist ein Ziel der Ausstellung LORIOT. DIE HOMMAGE.

Die Ausstellung im Museum für Film und Fernsehen wird im November 2008 eröffnet, zu von Bülows 85. Geburtstag. Sie wird, vor allem aus dem Privatarchiv des Künstlers, zahlreiche, zum Teil noch nie ausgestellte Originalzeichnungen und Objekte präsentieren. Wie sich diese Arbeiten, die zunächst nach dem Zweiten Weltkrieg für unterschiedliche Printmedien entstanden, später mit denen für das Fernsehen verbinden, dann aber auch mit denen für das Kino und – als Exkurs – schließlich mit von Bülows weniger bekannten Operninszenierungen, das wird ein weiteres zentrales Thema der Ausstellung sein.

Bis Ende März 2009 wird das Museum für Film und Fernsehen gewissermaßen zu „Loriots Land“: Das Foyer, das Treppenhaus, alle vier Etagen und das Atrium des Filmhauses am Potsdamer Platz werden bespielt. Die Ausstellung beginnt mit den beiden Themen, die exemplarisch festhalten, was Vicco von Bülow am Beispiel des Verhältnisses von Mann und Frau einerseits und Mensch und Tier andererseits auf immer neue Weise in seinem Werk durchspielt: dass sich nämlich die komischen Seiten des Lebens aus einer Aneinanderreihung von mehr oder minder kleinen Missverständnissen ergeben, denen wir am Ende – tragisch, doch irgendwie tröstlich zugleich – wohl nicht entkommen können; und dass es dabei nur minimaler Veränderungen im alltäglichen Umgang miteinander bedarf, um aufzudecken wie sehr hinter unseren Ordnungen und Gewohnheiten die Gegenwelten und das Chaos lauern – ein Hund nimmt seinen Herrn an die Leine, ein Ehepartner den anderen, ganz zu schweigen von dem Beziehungsdesaster, das kaputte Fernsehapparate oder zu hart gekochte Eier anrichten können.

Die „Galerie Loriot“ schließt mit dem bekannten Porträtzyklus „Große Deutsche“, der von Albrecht Dürer über Johann Wolfgang von Goethe bis zu Thomas Mann reicht, und in dem sich die Kunst und die Kunstparodie des Zeichners mit den malerischen Ausflügen des Vicco von Bülow verbünden. Zu sehen sind hier zudem noch nie gezeigte Miniaturen, die erst in jüngster Zeit entstanden sind, „Loriotsierungen“ des Hieronymus Bosch, Pablo Picasso, René Magritte zum Beispiel.

Bevor die Besucher in das Zentrum der Ausstellung gelangen, das sich mit dem Leben und Werk Vicco von Bülows befasst, erhalten sie in einer Art Werkstatt Einblicke in die Produktionsbedingungen seiner Arbeiten für das Fernsehen. Sie können Bühnenbilder betreten, etwa das Apollo-Studio zur Landung der Möpse auf dem Mond oder das Wohnzimmer des Lotto-Gewinners Erwin Lindemann, verworfene Zeichenentwürfe und Trickfilmfolien besichtigen und die originale Trickfilmkamera aus dem legendären „Studio Loriot“ am Starnberger See.

Phasenzeichnung „Auf der Rennbahn”, CARTOON 18 (SDR, 02.01.1972) Privatarchiv Vicco von Bülow – © Vicco von BülowDer zentrale Raum der Ausstellung stellt Vicco von Bülow zusammen mit frühen Familienfotografien an den Anfang einer chronologischen Reise durch sein Leben und Werk. Er erzählt unter anderem von der Karriere des Nashorns Reinhold im „Sternchen“ und davon, wann die Männer und Frauen des Zeichners erstmals zu ihren Knollennasen kamen. Wie diese dann zusammen mit ihrem Meister den Bildschirm eroberten und wie er ihnen wiederum mit listigem Blick im Kino höchstpersönlich Konkurrenz zu machen versuchte.

Verehrer und Kritiker kommen zu Wort, prominente und unbekannte, wichtige Weggefährten und berühmte Partner und Kollegen, Stars der nationalen und internationalen Kulturszene, auf die Vicco von Bülow im Laufe seiner Karriere traf und mit denen er immer wieder, auch außerhalb des Fernsehens, zusammenarbeitete – etwa bei seinen Inszenierungen der Opern „Martha“ und „Der Freischütz“, die im Modell und Bühnenbildentwurf in der Ausstellung zu sehen sein werden. In diesen Kontext gehört aber auch die Sehnsucht des kleinen Mannes, einmal ganz groß rauszukommen, unvergesslich festgehalten in der furiosen Loriot-Figur „Der Heimdirigent“. In der Mitte des Raumes: die beiden im Original erhaltenen Sofas, rot und grün, von denen aus Vicco von Bülow die Sendereihen „Cartoon“ und „Loriot“ moderierte.

Der Weg durch das Werk Vicco von Bülows führt immer wieder durch die Geschichte der Bundesrepublik, die der ehemaligen DDR in Spuren inbegriffen, und deren Fernsehgeschichte. Deshalb taucht Loriot auch in den Räumen der „Ständigen Ausstellung Fernsehen“ auf: im „Spiegelsaal“ des Museums als Fernsehfahnder Eduard Zimmermann („Aktenzeichen XY“), als Bernhard Grzimek („Ein Herz für Tiere“) oder als Dietmar Schönherr und Vivi Bach („Wünsch Dir was“) sowie im „Zeittunnel“, der die politische Geschichte des Fernsehens dokumentiert, als phrasendreschender Bundestagsabgeordneter. Die „Programmgalerie“, in der alle Sendungen in ganzer Länge abgerufen werden können, enthält das gesamte Oeuvre von Loriot nebst allen mit ihm geführten Interviews. Wenn die Besucher am Ende die Ausstellung verlassen, hoffen wir, dass ihnen wenigstens für einen kurzen Moment die so genannte Realität so komisch vorkommt wie Vicco von Bülow.

Begleitet wird die Ausstellung von zahlreichen Veranstaltungen, unter anderem von einem Symposium „Zum Lachen“ in Kooperation mit dem Einstein Forum in Potsdam.

Peter Paul Kubitz und Gerlinde Waz

 

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