Archiv der Akademie der Künste, Berlin: Nachhaltiges Bauen in Berlin. Hugo Härings Architekturpläne

Berlin-Charlottenburg, Goebelstraße, Großsiedlung Siemensstadt, 1929–1931, AdK, Hugo-Häring-Archiv, 1232 LJ 43/4;

Hugo Häring (1882–1958) gehörte der Generation von Architekten an, die unter dem Eindruck zweier Weltkriege mit ihren politischen wie auch gesellschaftlichen Implikationen neue Vorstellungen von moderner Architektur – verstanden als gestaltete Umwelt vom Möbel bis zum Städtebau – formulierten und umsetzten.

Häring gründete u.a zusammen mit Mies van der Rohe 1926 den „Ring" und war 1928 ebenfalls Gründungsmitglied der CIAM (Congrès Internationaux d'Architecture Moderne). Ziel dieser Vereinigungen führender Architekten war die Entwicklung einer zeitgemäßen Stadtplanung und Architektur, die den gewandelten wirtschaftlichen und sozialen Strukturen der Gesellschaft in der Weimarer Republik Rechnung tragen sollte.

Als vehementer Kritiker eines als einseitig verstandenen Funktionsbegriffs jedoch wandte sich Häring von den zunehmend am industriellen Bauen interessierten Vertretern ab und entwickelte eine eigene Theorie des „organischen Bauens", die sein gesamtes Werk durchzog. Ihm war es um das harmonische Verhältnis des Menschen mit der Natur, die er sich zum Vorbild nahm, zu tun, was sich auch in den von ihm selbst gewählten und konsequent verwendeten Begriffen des „organhaften" Bauens oder auch des „Organwerks" niederschlug. Diese metaphorische Begrifflichkeit alleine auf die Formensprache anzuwenden, würde allerdings zu kurz greifen. Denn wichtiger als der Baukörper oder die Fassade war Häring der den spezifischen Erfordernissen der jeweiligen Bauaufgabe angepasste Grundriss – der Raum.

Hugo Häring, AdK, Hugo-Häring-Archiv, 92 F.18

Zahlreiche Varianten von Kleinwohnungen etwa lassen auf eine intensive Auseinandersetzung Härings mit den Fragen nach der Vereinfachung von Arbeits- und Lebensvorgängen und der Gestaltung von flexiblen Raumstrukturen schließen. Er lehnte jede Festlegung der architektonischen Form ab, kritisierte schon früh Le Corbusiers Städtebautheorien und hob dagegen die Ortsspezifik und die damit verknüpfte Wahl des natürlichen Materials hervor. Diese Themen haben an Aktualität nicht verloren, sie nehmen geradezu die Kernpunkte der heutigen Debatten vorweg.

Der vollständig im Baukunstarchiv der Akademie der Künste in Berlin verwahrte Nachlass dokumentiert das umfangreiche Schaffen dieses innovativen Architekten. Von Härings Schaffensjahren (1906–1956) haben sich rund 1700 Entwurfs- und Ausführungspläne von insgesamt 200 Einzelprojekten in unterschiedlicher Überlieferungsdichte erhalten. Das Planmaterial wurde zusammen mit 10,5 Metern Schriftgut und Fotografien, sechs Modellen und fünf Metern Nachlassbibliothek nach seinem Tod 1958 in mehreren Zugängen bis 2011 übergeben. Der Nachlass gehört zusammen mit denen von Hans Scharoun, den Brüdern Luckhardt (mit Alfons Anker), Max und Bruno Taut zum herausragenden Kernbestand des Baukunstarchivs.

Berlin-Mitte, Friedrichstraße, Wettbewerbs­entwurf für ein Hochhaus, 1921/22

Zur Vorbereitung des von der Senatsverwaltung für Kultur und Europa des Landes Berlin geförderten Digitalisierungsprojekts wurde mithilfe von Stichproben (Cluster-Sampling) zunächst der Zustand der Pläne in Hinblick auf die Digitalisierung bewertet. Für Objektzustände mit eingeschränkter Lesbarkeit oder bei denen während der Handhabung im Digitalisierungsprozess mit weiteren Beschädigungen zu rechnen war, wurden konservatorische Sicherungsmaßnahmen festgelegt. Die montierten Pläne wurden zur besseren Handhabung und Lagerung aus ihren Passepartouts gelöst. Mit der Rückführung des Bestands nach der Digitalisierung wird auch die Lagerungssituation verbessert werden.

Die Planung, Koordinierung und Dokumentation aller konservatorischen Maßnahmen vor, während und nach dem Digitalisierungsprozess wird durch den Bereich Bestandserhaltung Akademie intern betreut. Für die Durchführung der Maßnahmen wurden externe Restaurierungsateliers beauftragt. Die Digitalisierung wird von der Technischen Universität Berlin, Architekturmuseum, durchgeführt.

Eine weitere Voraussetzung für die Digitalisierung war die archivische Erfassung des Planmaterials. Der Nachlass war fast vollständig verzeichnet, musste aber einer kritischen Revision unterzogen, ergänzt und korrigiert werden. Von dem Bestand lagen nur vereinzelt Digitalisate vor.

Die Präsentation aller Digitalisate und Metadaten erfolgt in der Archivdatenbank easyDB und nach Abschluss des Projekts zudem im „digitalen Schaufenster" des Archivs im Portal digital.adk.de, das einen niedrigschwelligen Zugang zu den digitalen Beständen bieten und die herausragenden Sammlungen des Archivs sichtbar machen will. In Ergänzung zur vorrangig an ein wissenschaftliches Nutzerpublikum gerichteten Archivdatenbank setzt die Präsentation auf den ästhetischen Reiz der Objekte und will so eine breite Öffentlichkeit erreichen. Der Bestand wird darüber hinaus in die DDB eingepflegt.

Die Pläne und Zeichnungen von Hugo Häring, Vordenker einer humanistischen Architektur der Moderne, stellen nicht nur einen großen Wert für die Architekturgeschichte dar. Sie liefern Impulse für ein neues Verständnis, für einen progressiven und auch mutigen Umgang mit Architektur und regen dazu an, weiter zu forschen, zu denken und zu ent­werfen.

 Dr. Sibylle Hoiman | Leiterin des Baukunstarchivs,
Akademie der Künste, Berlin

 

AsKI kultur leben 2/2021

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