Zur Geschichte der Graphischen Sammlung im Städelschen Kunstinstitut: Die Ära Johann David Passavant

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Petrus Christus, Der Falkner, 1445-50, Silberstiftzeichnung, Foto: Ursula Edelmann, Städelsches Kunstinstitut Frankfurt/M.

Die Graphische Sammlung im Städelschen Kunstinstitut wird von Ende Oktober 1994 bis Anfang Februar 1995 im Rahmen einer Dokumentation ihrer Entstehungsgeschichte eine Auswahl von Meisterzeichnungen, Graphiken und Büchern des 15. bis 19. Jahrhunderts zeigen.

Damit soll die Ära Johann David Passavants gewürdigt werden, der als Instituts-Inspektor von 1840-1861 den Sammlungen des Städel ihre konzeptionellen Grundlagen gab. Mit Exponaten der Graphischen Sammlung und der Bibliothek stellt die Ausstellung Sammlungsbestände in den Brennpunkt, deren historische Struktur und Bedeutung einem breiteren Publikum - anders als in der ständig präsenten Gemäldegalerie - weitgehend verborgen geblieben sind.

Mit seiner Stiftung hatte Johann Friedrich Städel 1816 einen Sammlungsauftrag hinterlassen, der einen qualitativen Ausbau des nun öffentlichen Kunstbesitzes vorsah. Daraus ergab sich erstmalig die Aufgabe, Akquisitions- und Arbeitskriterien zu entwickeln. Inhaltlich war hier insofern Neuland zu betreten, als weder die Funktion des öffentlichen Museums verbindlich definiert war, noch irgendwo konzeptionelle Sammlungsstrukturen zur Orientierung vorlagen. Wenngleich in der historischen Situation eine fachliche Kompetenz für die Bewältigung eines derartigen Problems nicht umrissen war, so werden in der kompIizierten Biographie Passavants (1787-1861) die Konturen einer solchen doch zunehmend erkennbar. Am Ende gelingt ihm durch das Entfernen von Werken minderer Qualität aus dem Bestand und gezielten exquisiten Ankäufen die Entwicklung eines Museums von europäischem Rang.

Dabei muß gesehen werden, daß sich Passavant die Aufgabe als reiner Praktiker zu eigen machte. Akademisch nicht geschult, sondern durch seine Herkunft zum Kaufmannsstand bestimmt, scheiterte er in diesem Beruf ebenso wie in dem anschließend selbst gewählten eines Malers im Kreise der Nazarener. Durch die Bekanntschaft mit dem Dresdner Kunstgelehrten und Schriftsteller Karl Friedrich von Rumohr 1818 in Italien und seine Freundschaft mit dem Frankfurter Historiker Johann Friedrich Böhmer wurde Passavants Interesse an der Kunst und seinem noch dilettantischen Forschungseifer ein qualifizierter Umgang aufgezeigt. Rumohr wies ihn auf die Notwendigkeit der eigenen Anschauung eines Kunstwerkes und seiner historischen Einordnung mit Hilfe schriftlicher Quellen in Archiven und Bibliotheken hin. Böhmer, der als Mitarbeiter der Monumenta Germaniae Historica", der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde, in den Archiven die Regesten der Kaiser- und Königsurkunden erstellte, eröffnete Passavant die wissenschaftlichen Methoden.Raphael Aktstudie zur Disputa, um 1510, Federzeichnung, Foto: Ursula Edelmann, Städelsches Kunstinstitut Frankfurt/M.

So gerüstet konnte sich Passavant zwischen 1828 und 1839 der Erforschung von Raphaels Leben und Werk widmen. Er bereiste in den zehn Jahren alle wichtigen öffentlichen und privaten Sammlungen im In- und Ausland. Sein umfangreiches Material führte zu einer Fülle von Veröffentlichungen auf ganz unterschiedlichen Gebieten der Kunstgeschichte. Aufsätze zu Zuschreibungs- und Datierungsfragen der frühen niederländischen Malerei erschienen ebenso wie ein Kunstführer durch die bedeutendsten Sammlungen in England. Passavant erwarb sich auf diesen Reisen eine für die damalige Zeit ungewöhnlich große Denkmälerkenntnis, die ihm eine Sicherheit im Urteil gab. Sie kam später dem Städel bei seinen spektakulären Ankäufen zugute. Außerdem gewann er bei Kollegen und Gelehrten im In- und Ausland große Achtung. Seine Meinung zu vielfältigen Problemen in der sich neu entwickelnden Wissenschaft war gefragt, wovon eine umfangreiche Korrespondenz in der Frankfurter Stadt- und Universitätsbibliothek zeugt. 53-jährig erlangte Passavant 1840 die Stellung des Inspektors des Städelschen Kunstinstituts und damit die Verantwortung für die Sammlungen. Seine über Jahrzehnte gewonnenen Kenntnisse und Erfahrungen ermöglichten es ihm nun, den bisher nur unwesentlich veränderten Bestand des Stifters nach kunsthistorischen Maßstäben nachhaltig zu strukturieren.

Passavant begann seine Tätigkeit mit der Revision des Vorhandenen. Die Handzeichnung reduzierte er um etwa 1000 Blatt auf ca. 4000 Stücke. Seine genaue Kenntnis des Materials und das Wissen um die Desiderate wurden in eine konzeptionelle Einkaufsstrategie umgesetzt. Gemäß der von ihm formulierten Intention des öffentlichen Museums, eine Entwicklung der Kunst beispielhaft aufzuzeigen, bemühte sich Passavant um Ergänzung und Schließung von Lücken. Seiner geistigen Herkunft aus dem Kreis der Nazarener entspricht die zahlenmäßige Überlegenheit von Zeichnungen früher italienischer und deutscher Künstler um die Protagonisten Raphael und Dürer. Aber auch bei den alten Niederländern, von denen er für die Gemäldegalerie beispiellose Erwerbungen sichern konnte, besetzte er wichtige Positionen, etwa mit der Silberstiftzeichnung eines "Falkners", die er für ein Werk van Eycks hielt, die neuerdings jedoch Petrus Christus zugeschrieben wird.

Seine zweifellos spektakulärsten Ankäufe unternahm er auf der Versteigerung der Sammlung des Königs Wilhelm II. von Holland im August 1850 in Den Haag. Dessen großer Bestand an überwiegend italienischen Handzeichnungen stammte aus dem Besitz des englischen Porträtisten und berühmten Sammlers Sir Thomas Lawrence. Passavant kannte von früheren Studien die zum Teil ungesicherten Blätter so gut, daß er gegen eine große Konkurrenz und vor allem finanzielle Überlegenheit acht Blätter von Raphael ersteigern konnte, darunter kapitale Entwürfe zu den Fresken in den Stanzen. Darüber hinaus erwarb er bei dieser Gelegenheit weitere Zeichnungen italienischer Künstler wie Pontormo, Correggio, Sebastiano del Piombo oder der Carracci. Durch sichere Beurteilung von zeichnerischer Qualität gelang es ihm allein mit diesen Erwerbungen, die Entwicklung der Zeichnung in Italien vom 15. bis zum 17. Jahrhundert auf höchstem künstlerischen Niveau im Städel zu dokumentieren.

Das gleiche gilt für den Bestand der altdeutschen Abteilung: Mit mehreren Zeichnungen Dürers und seiner Zeitgenossen wie Hans Baldung Grien, Hans Holbein oder Albrecht Altdorfer sind die Protagonisten dieses Kunstkreises vertreten. Passavants persönliches Interesse an den Anfängen der Kupferstichkunst veranlaßte ihn zusätzlich zum Erwerb von seltenen Zeichnungen der frühen Stecher, so des Meisters ES oder Martin Schongauers. Daß er zudem eine große Sympathie für seine nazarenischen Malerfreunde hegte, hat beträchtliche Auswirkungen auf die Bestandsentwicklung gehabt.

Eine Sammlung, die ihrer Idee nach kunsthistorisch umfassend dokumentieren sollte, ließ jedoch persönliche Vorlieben nur bedingt zu. Entsprechend bemühte sich Passavant, auch künstlerische Entwicklungen zu veranschaulichen, die in seiner Zeit unpopulär waren. Mit mehreren Werken Watteaus, Bouchers und Fragonards ist auch die französische Schule des 18. Jahrhunderts in einer öffentlichen deutschen Sammlung schon früh außerordentlich gut vertreten.

Meister ES, Mädchen mit einem Blumenzweig um 1460, Federzeichnung, Foto: Ursula Edelmann, Städelsches Kunstinstitut Frankfurt/M.

Der zweite Teil der Ausstellung ist der Graphik gewidmet. Mehr als von irgendeiner anderen Abteilung des Instituts wurde von dem öffentlichen Kupferstichkabinett eine enzyklopädische Vollständigkeit erwartet.

Dementsprechend war Passavant einerseits daran gelegen, das Oeuvre der wichtigsten graphisch tätigen Künstler wie Schongauer, Dürer, Mantegna, Marc-Anton und Rembrandt vollständig zu wissen. Die Komplettierung stand hierbei vor der Qualität des Einzelabzuges. Folgerichtig sind die Drucke der wichtigsten Künstler zwar in der Sammlung vorhanden, aber nicht in durchgehend guten Abzügen. Gleichwertig wurde die Reproduktionsgraphik beurteilt, sowohl in der Virtuosität des Stechers als auch in der Verbreitung von bedeutenden Werken der Kunstgeschichte. Den Schülern der dem Institut angeschlossenen Kunstschule, aber auch dem öffentlichen Publikum sollte ein Gesamtbild der ganzen Kunst und ihrer Entwicklungsgeschichte zugänglich gemacht werden.

Daß Passavant auch bei diesem Unternehmen gewisse Vorlieben entwickelte, etwa für die Kupferstiche des Gerard Edelink in Paris und seiner deutschen Nachfolger Johann Georg Wille und Georg Friedrich Schmidt, oder für die englischen Meister der Schabkunst, vornehmlich Raphael Morghen und seine Blätter nach den Gemälden Raphaels, verwundert nicht. Den Ausbau der Sammlung mit Reproduktionsstichen verfolgte Passavant mit nahezu naturwissenschaftlicher Konsequenz, indem er gleichermaßen auch die ersten Photographien nach Raphaelzeichnungen aus dem Besitz des englischen Königs inventarisierte. Kurz vor seinem Tod erschien 1860 der erste von sechs Bänden über die Anfänge des Holzschnitts und Kupferstichs in Italien und Deutschland und ihre frühesten, biographisch weitgehend noch unbekannten Vertreter. In der Folge dieses langjährigen Unternehmens konnte dem Kupferstichkabinett eine Anzahl von seltenen Abzügen dieser frühen Monogrammisten zugeführt werden, die Passavant für Studienzwecke zunächst privat erworben hatte, um sie später dem Institut zu schenken. Eine Auswahl von 50 Graphiken der unterschiedlichen kunsthistorischen Schulen vom 15. bis zum 19. Jahrhundert soll Passavants Umgang mit diesem Medium verdeutlichen.

Enger als heute war die Verbindung von Kupferstichkabinett und Kunstbibliothek, wo Kupferstichfolgen und Galeriewerke aufbewahrt wurden. Auch die Bibliothek wurde unter Passavant konsequent ausgebaut. Einerseits erweiterte er den vorhandenen Bestand im Sinne des Sammelns um seltene alte Bücher. Wichtiger und weitsichtiger noch aber war sein engagierter Einsatz für den Erwerb neuerer wissenschaftlicher Veröffentlichungen, wodurch er den Vorstellungen einer sich entwickelnden Kunstwissenschaft und seiner eigenen Forschungsvorhaben Rechnung trug. Um diesen Aspekt der Institutsgeschichte zu belegen, präsentiert die Ausstellung in einem dritten Teil einige ausgewählte bibliophile Kostbarkeiten, die bis heute den Rang der Institutsbibliothek begründen. Damit soll die Ära Johann David Passavants gewürdigt werden, der als Instituts-Inspektor von 1840-1861 den Sammlungen des Städel ihre konzeptionellen Grundlagen gab. Mit Exponaten der Graphischen Sammlung und der Bibliothek stellt die Ausstellung Sammlungsbestände in den Brennpunkt, deren historische Struktur und Bedeutung einem breiteren Publikum - anders als in der ständig präsenten Gemäldegalerie - weitgehend verborgen geblieben sind.

Mit seiner Stiftung hatte Johann Friedrich Städel 1816 einen Sammlungsauftrag hinterlassen, der einen qualitativen Ausbau des nun öffentlichen Kunstbesitzes vorsah. Daraus ergab sich erstmalig die Aufgabe, Akquisitions- und Arbeitskriterien zu entwickeln. Inhaltlich war hier insofern Neuland zu betreten, als weder die Funktion des öffentlichen Museums verbindlich definiert war, noch irgendwo konzeptionelle Sammlungsstrukturen zur Orientierung vorlagen. Wenngleich in der historischen Situation eine fachliche Kompetenz für die Bewältigung eines derartigen Problems nicht umrissen war, so werden in der kompIizierten Biographie Passavants (1787-1861) die Konturen einer solchen doch zunehmend erkennbar. Am Ende gelingt ihm durch das Entfernen von Werken minderer Qualität aus dem Bestand und gezielten exquisiten Ankäufen die Entwicklung eines Museums von europäischem Rang.

Dabei muß gesehen werden, daß sich Passavant die Aufgabe als reiner Praktiker zu eigen machte. Akademisch nicht geschult, sondern durch seine Herkunft zum Kaufmannsstand bestimmt, scheiterte er in diesem Beruf ebenso wie in dem anschließend selbst gewählten eines Malers im Kreise der Nazarener. Durch die Bekanntschaft mit dem Dresdner Kunstgelehrten und Schriftsteller Karl Friedrich von Rumohr 1818 in Italien und seine Freundschaft mit dem Frankfurter Historiker Johann Friedrich Böhmer wurde Passavants Interesse an der Kunst und seinem noch dilettantischen Forschungseifer ein qualifizierter Umgang aufgezeigt. Rumohr wies ihn auf die Notwendigkeit der eigenen Anschauung eines Kunstwerkes und seiner historischen Einordnung mit Hilfe schriftlicher Quellen in Archiven und Bibliotheken hin. Böhmer, der als Mitarbeiter der Monumenta Germaniae Historica", der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde, in den Archiven die Regesten der Kaiser- und Königsurkunden erstellte, eröffnete Passavant die wissenschaftlichen Methoden.

So gerüstet konnte sich Passavant zwischen 1828 und 1839 der Erforschung von Raphaels Leben und Werk widmen. Er bereiste in den zehn Jahren alle wichtigen öffentlichen und privaten Sammlungen im In- und Ausland. Sein umfangreiches Material führte zu einer Fülle von Veröffentlichungen auf ganz unterschiedlichen Gebieten der Kunstgeschichte. Aufsätze zu Zuschreibungs- und Datierungsfragen der frühen niederländischen Malerei erschienen ebenso wie ein Kunstführer durch die bedeutendsten Sammlungen in England. Passavant erwarb sich auf diesen Reisen eine für die damalige Zeit ungewöhnlich große Denkmälerkenntnis, die ihm eine Sicherheit im Urteil gab. Sie kam später dem Städel bei seinen spektakulären Ankäufen zugute. Außerdem gewann er bei Kollegen und Gelehrten im In- und Ausland große Achtung. Seine Meinung zu vielfältigen Problemen in der sich neu entwickelnden Wissenschaft war gefragt, wovon eine umfangreiche Korrespondenz in der Frankfurter Stadt- und Universitätsbibliothek zeugt. 53-jährig erlangte Passavant 1840 die Stellung des Inspektors des Städelschen Kunstinstituts und damit die Verantwortung für die Sammlungen. Seine über Jahrzehnte gewonnenen Kenntnisse und Erfahrungen ermöglichten es ihm nun, den bisher nur unwesentlich veränderten Bestand des Stifters nach kunsthistorischen Maßstäben nachhaltig zu strukturieren.

Passavant begann seine Tätigkeit mit der Revision des Vorhandenen. Die Handzeichnung reduzierte er um etwa 1000 Blatt auf ca. 4000 Stücke. Seine genaue Kenntnis des Materials und das Wissen um die Desiderate wurden in eine konzeptionelle Einkaufsstrategie umgesetzt. Gemäß der von ihm formulierten Intention des öffentlichen Museums, eine Entwicklung der Kunst beispielhaft aufzuzeigen, bemühte sich Passavant um Ergänzung und Schließung von Lücken. Seiner geistigen Herkunft aus dem Kreis der Nazarener entspricht die zahlenmäßige Überlegenheit von Zeichnungen früher italienischer und deutscher Künstler um die Protagonisten Raphael und Dürer. Aber auch bei den alten Niederländern, von denen er für die Gemäldegalerie beispiellose Erwerbungen sichern konnte, besetzte er wichtige Positionen, etwa mit der Silberstiftzeichnung eines "Falkners", die er für ein Werk van Eycks hielt, die neuerdings jedoch Petrus Christus zugeschrieben wird.

Seine zweifellos spektakulärsten Ankäufe unternahm er auf der Versteigerung der Sammlung des Königs Wilhelm II. von Holland im August 1850 in Den Haag. Dessen großer Bestand an überwiegend italienischen Handzeichnungen stammte aus dem Besitz des englischen Porträtisten und berühmten Sammlers Sir Thomas Lawrence. Passavant kannte von früheren Studien die zum Teil ungesicherten Blätter so gut, daß er gegen eine große Konkurrenz und vor allem finanzielle Überlegenheit acht Blätter von Raphael ersteigern konnte, darunter kapitale Entwürfe zu den Fresken in den Stanzen. Darüber hinaus erwarb er bei dieser Gelegenheit weitere Zeichnungen italienischer Künstler wie Pontormo, Correggio, Sebastiano del Piombo oder der Carracci. Durch sichere Beurteilung von zeichnerischer Qualität gelang es ihm allein mit diesen Erwerbungen, die Entwicklung der Zeichnung in Italien vom 15. bis zum 17. Jahrhundert auf höchstem künstlerischen Niveau im Städel zu dokumentieren.

Das gleiche gilt für den Bestand der altdeutschen Abteilung: Mit mehreren Zeichnungen Dürers und seiner Zeitgenossen wie Hans Baldung Grien, Hans Holbein oder Albrecht Altdorfer sind die Protagonisten dieses Kunstkreises vertreten. Passavants persönliches Interesse an den Anfängen der Kupferstichkunst veranlaßte ihn zusätzlich zum Erwerb von seltenen Zeichnungen der frühen Stecher, so des Meisters ES oder Martin Schongauers. Daß er zudem eine große Sympathie für seine nazarenischen Malerfreunde hegte, hat beträchtliche Auswirkungen auf die Bestandsentwicklung gehabt.

Eine Sammlung, die ihrer Idee nach kunsthistorisch umfassend dokumentieren sollte, ließ jedoch persönliche Vorlieben nur bedingt zu. Entsprechend bemühte sich Passavant, auch künstlerische Entwicklungen zu veranschaulichen, die in seiner Zeit unpopulär waren. Mit mehreren Werken Watteaus, Bouchers und Fragonards ist auch die französische Schule des 18. Jahrhunderts in einer öffentlichen deutschen Sammlung schon früh außerordentlich gut vertreten.

Der zweite Teil der Ausstellung ist der Graphik gewidmet. Mehr als von irgendeiner anderen Abteilung des Instituts wurde von dem öffentlichen Kupferstichkabinett eine enzyklopädische Vollständigkeit erwartet.

Dementsprechend war Passavant einerseits daran gelegen, das Oeuvre der wichtigsten graphisch tätigen Künstler wie Schongauer, Dürer, Mantegna, Marc-Anton und Rembrandt vollständig zu wissen. Die Komplettierung stand hierbei vor der Qualität des Einzelabzuges. Folgerichtig sind die Drucke der wichtigsten Künstler zwar in der Sammlung vorhanden, aber nicht in durchgehend guten Abzügen. Gleichwertig wurde die Reproduktionsgraphik beurteilt, sowohl in der Virtuosität des Stechers als auch in der Verbreitung von bedeutenden Werken der Kunstgeschichte. Den Schülern der dem Institut angeschlossenen Kunstschule, aber auch dem öffentlichen Publikum sollte ein Gesamtbild der ganzen Kunst und ihrer Entwicklungsgeschichte zugänglich gemacht werden.

Daß Passavant auch bei diesem Unternehmen gewisse Vorlieben entwickelte, etwa für die Kupferstiche des Gerard Edelink in Paris und seiner deutschen Nachfolger Johann Georg Wille und Georg Friedrich Schmidt, oder für die englischen Meister der Schabkunst, vornehmlich Raphael Morghen und seine Blätter nach den Gemälden Raphaels, verwundert nicht. Den Ausbau der Sammlung mit Reproduktionsstichen verfolgte Passavant mit nahezu naturwissenschaftlicher Konsequenz, indem er gleichermaßen auch die ersten Photographien nach Raphaelzeichnungen aus dem Besitz des englischen Königs inventarisierte. Kurz vor seinem Tod erschien 1860 der erste von sechs Bänden über die Anfänge des Holzschnitts und Kupferstichs in Italien und Deutschland und ihre frühesten, biographisch weitgehend noch unbekannten Vertreter. In der Folge dieses langjährigen Unternehmens konnte dem Kupferstichkabinett eine Anzahl von seltenen Abzügen dieser frühen Monogrammisten zugeführt werden, die Passavant für Studienzwecke zunächst privat erworben hatte, um sie später dem Institut zu schenken. Eine Auswahl von 50 Graphiken der unterschiedlichen kunsthistorischen Schulen vom 15. bis zum 19. Jahrhundert soll Passavants Umgang mit diesem Medium verdeutlichen.

Enger als heute war die Verbindung von Kupferstichkabinett und Kunstbibliothek, wo Kupferstichfolgen und Galeriewerke aufbewahrt wurden. Auch die Bibliothek wurde unter Passavant konsequent ausgebaut. Einerseits erweiterte er den vorhandenen Bestand im Sinne des Sammelns um seltene alte Bücher. Wichtiger und weitsichtiger noch aber war sein engagierter Einsatz für den Erwerb neuerer wissenschaftlicher Veröffentlichungen, wodurch er den Vorstellungen einer sich entwickelnden Kunstwissenschaft und seiner eigenen Forschungsvorhaben Rechnung trug. Um diesen Aspekt der Institutsgeschichte zu belegen, präsentiert die Ausstellung in einem dritten Teil einige ausgewählte bibliophile Kostbarkeiten, die bis heute den Rang der Institutsbibliothek begründen. Es erscheint ein ausführlicher Katalog mit Aufsätzen und Abbildungen aller Exponate.

Dr. Hildegard Bauereisen
wiss. Mitarbeiterin der Graphischen Sammlung
des Städelschen Kunstinstituts, Frankfurt/M.

 

AsKI KULTURBERICHTE 2/1994

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