Winckelmann-Museum, Stendal: Amarna. Die neue Metropole im Alten Ägypten, ihre Tempel, Häuser und Paläste

Christian Tietze: Modell des Gehöfts des Generals Ramose, Repro aus: Amarna. Lebensräume - Lebensbilder - Weltbilder, hrsg. von C. Tietze 2010

„Ich errichte Achet-Aton für Aton, meinen Vater, an diesem Platz ... ich baue Achet-Aton auf der Seite des Sonnenaufgangs, an einer Stelle, die er sich selbst bereitet hat und die für ihn durch ein Gebirge umrahmt ist."

So steht es auf den zunächst vier ca. 10 m hohen Gründungsstelen geschrieben, die der Pharao Amenophis IV. / Echnaton (Regierungszeit ca. 1351-1334 v. Chr.) am Ostufer des Nils in seinem fünften Regierungsjahr in den anstehenden Fels schlagen ließ. Die Stadt Achet-Aton (übersetzt: Horizont des Aton) hatte der Pharao innerhalb von drei Jahren zu seiner Residenzstadt ausgebaut, in der er nun mit seiner Gemahlin Nofretete lebte und regierte.

Zu dieser Zeit nannte sich Amenophis IV. dem Gott Aton zu Ehren in Echnaton (übersetzt: Aton wohlgefällig) um. Gegen den Widerstand der Amun-Priester von Theben erklärte er Aton zum höchsten Gott des Reiches und baute ihm nicht nur in seiner Residenzstadt prächtige Tempel. Seine religiösen Reformen, die vor allem auch die Macht und das Vermögen der Amun-Priester beschnitten, beeinflussten in starkem Maße die Literatur und die Kunst und brachten einen eigenen unverwechselbaren Stil, die Amarna-Kunst, hervor. Die heutige Bezeichnung für die archäologische Fundstätte Amarna und die nach ihr benannte Kunstepoche leitet sich von einem Dorf al-Amaria oder dem Beduinenstamm Beni Amran ab.Kleiner Tempel des Aton in Tell el-Amarna, Ägypten, Foto: Winckelmann-Museum, Stendal

Die Grenzstelen beschreiben anschaulich den Gründungsakt der Stadt, die in Mittelägypten etwa auf dem halben Weg zwischen den Zentren Theben in Oberägypten und Memphis in Unterägypten liegt. Im Verlauf der Bauzeit kamen weitere Grenzstelen dazu, die auch am Westufer des Nils die vor allem landwirtschaftlich genutzten Flächen zur Versorgung der Residenzstadt mit einbezogen. Die insgesamt 15 Grenzstelen gaben zugleich die Ausdehnung der Stadt vor und sind ein einzigartiges Zeugnis für eine planmäßig angelegte Stadt. Die Residenzstadt bestand jedoch nur etwa zwei Jahrzehnte. Schon der Sohn Echnatons, Tutanchaton, der ca. dreieinhalb bis vier Jahre nach dem Tod seines Vaters den Thron bestieg und unter dem Einfluss der Amun-Priester von Theben seinen Namen in Tutanchamun änderte, verlegte die Residenz von Amarna nach Memphis. Spätestens unter Pharao Haremhab, der ab 1319 v.Chr. über Ägypten herrschte, wurde Achet-Aton zerstört.

Für Archäologen sind solche kurzfristigen Besiedlungen wissenschaftlich besonders reizvoll, geben sie doch ein authentisches Bild städtischen, sozialen und kulturellen Lebens einer bestimmte Epoche wieder, ohne durch spätere Siedlungsphasen überlagert zu sein. Durch die Zerstörung der Stadt blieben ihre Reste lange Zeit verborgen. Erst 1714 entdeckte der französische Jesuitenpater Claude Sicard (1677-1726) die Grenzstele A in Amarna auf seiner Reise durch Ägypten, die ihn u.a. nach Abydos, Edfu und Philae führte. Über seine Reise und zahlreiche Denkmäler berichtete er in den Lettres édifiantes et curieuses de la Société de Jésus. 1738 und 1741 folgten Frederick Norden und Charles Perry, die Tell el-Amarna besuchten, doch erst 1798/99 wurde die Stadtanlage durch die französische Expedition unter Napoleon entdeckt.

Büste der Nofretete, Ägyptische Abteilung im Neuen Museum Berlin, Foto: Franz Fechner, BonnSeit dem haben immer wieder archäologische Untersuchungen des antiken Stadtgebietes stattgefunden, die zahlreiche Funde zu Tage brachten. Der Spektakulärste davon ist zweifelsohne die Büste der Königin Nofretete, die am 6. Dezember 1912 bei Ausgrabungen der Deutschen Orient-Gesellschaft unter Leitung von Ludwig Borchardt in Haus P 47,2, der Werkstatt des Oberbildhauers Thutmoses, entdeckt wurde.

In jüngster Zeit konzentrierten sich die Forschungen vor allem auf die Anlage der Stadt. Neben den Tempeln und Palastanlagen schenkte man dabei vor allem auch den Wohnhäusern von höheren Beamten und Handwerkern sowie der Arbeitersiedlung besondere Beachtung. Ziel dieser systematischen Untersuchung des Stadtgebietes war es ein authentisches Bild vom Leben in der Stadt vor 3300 Jahren zu gewinnen. Zudem brachten sie neue Erkenntnisse über das wirtschaftliche, soziale und kulturelle Zusammenleben der ca. 50.000 Einwohner der Metropole. Im Zentrum der Stadt am Ostufer befanden sich der Palast, der rechtwinklig zum Nil orientiert war, nördlich schlossen sich der große Aton-Tempel und südlich der kleine Aton-Tempel an. In der nördlichen Vorstadt befand sich ein weiterer Palast, der durch eine breitere Straße mit dem Palast- und Tempelbezirk im Zentrum verbunden war. Im Süden und Norden befanden sich Häuser hoher Beamter, Priester, Tempeldiener und Handwerker. Das Stadtgebiet war durch ein nahezu rechtwinkliges Straßennetz gegliedert. Etwas abgelegen war das Wohngebiet der Arbeiter. Die Bauern, die die Felder am Westufer bewirtschafteten, lebten dort in aus vergänglichem Material errichteten Behausungen, von denen nichts erhalten ist.

König Echnaton unter dem Strahlen-Aton, Staatliche Museen zu Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung, Foto: Jürgen LiepeDie Ausstellung im Winckelmann-Museum veranschaulicht an neun Palast-, Tempel-, Haus-, Werkstatt- und Gehöftmodellen das Leben in der antiken Metropole am Nil, die für kurze Zeit der Mittelpunkt einer Hochkultur war. Die Architekturmodelle wurden unter der Leitung des Architekten und Bauforschers Christian Tietze erstellt, der viele Jahre in Ägypten tätig war. Neben einer Vorstellung des Aton-Tempels, des Palasts und des Anwesens des General Ramose gewähren sie auch einen Blick in die Werkstatt des Thutmoses. Der Bildhauer beschäftigte etwa 34 bis 50 Arbeiter und Gesellen - sein Gehöft lag unweit von dem des Generals Ramose, in einem Viertel, das der Oberschicht vorbehalten war.

Originale Funde aus Amarna und Gipsabgüsse vervollständigen das Bild. Möglich wurde dies dank der Leihgaben des Ägyptischen Museums der Staatlichen Museen zu Berlin, des Roemer-Pelizaeus Museums Hildesheim, der Gipsformerei der Staatlichen Museen zu Berlin und privater Leihgeber, insbesondere Christian Tietze.

Dr. Stephanie-Gerrit Bruer

Direktorin des
Winckelmann-Museums Stendal

 


Amarna. Die neue Metropole im Alten Ägypten, ihre Tempel, Häuser und Paläste

Sonderausstellung

18. Oktober 2015 bis 28. Februar 2016

 

 

AsKI KULTUR lebendig 2/2015

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