Wilhelm-Busch-Museum Hannover: Walter Trier - Künstler und Fußballenthusiast

Walter Trier, Der Champion, Lithographie, 1919, © Foto: Atrium Verlag

Die "Berliner Secession" zeigte im Herbst 1928 eine mit knapp achthundert Exponaten enorm reich und außerordentlich prominent bestückte Ausstellung zum Thema "Humor in der Malerei".

Neben Arbeiten von Adrian Ludwig Richter, Adolf von Menzel, Daniel Chodowiecki, Johann Gottfried Schadow, Karl Spitzweg und Moritz von Schwind waren dort zeitgenössische Maler wie Max Liebermann, Lyonel Feininger, Oskar Kokoschka, Emil Nolde zu sehen, aber auch Künstler wie Otto Dix, George Grosz, Rudolf Schlichter, Hans Baluschek, Paul Klee und Walter Trier, der mit 21 Exponaten besonders stark vertreten war.

Die modernen Künstler gehörten dabei ganz unterschiedlichen Kunstrichtungen an, etwa dem Impressionismus, Expressionismus, dem Dadaismus und der Neuen Sachlichkeit. Seit Georg Friedrich Hartlaub diesen Begriff 1923 in die Kunstgeschichte eingeführt hat, wurden immer wieder neue Formen und Abwandlungen dieses Realismus konstatiert. Es ist die Rede vom Magischen, Klassischen, Illustrativen, Dinglichen und Romantischen Realismus oder auch vom Neorealismus, Verismus, Neoverismus und Surrealismus. Ein "grotesker Realismus" aber, als die komische Variante der Neuen Sachlichkeit, wurde bislang noch nicht beschrieben.

Dabei zählen Komik und Groteske in Literatur, Theater, Film und Musik längst zu anerkannten Kunst- und Darstellungsformen, die gerade in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit drastischen Übertreibungen, sinnloser Situationskomik oder verzerrenden Bewegungen arbeiteten. Im Unterschied aber zu den Dadaisten, deren programmatische Kunst sich durch einen provozierend sozialkritischen, bitter ironischen bis aggressiv zynischen Touch auszeichnet, und den Vertretern der Neuen Sachlichkeit, deren Sujets und Stimmungen zumeist von Isolation, Hoffnungslosigkeit und Düsternis beherrscht werden, versuchte Walter Trier mit seinen konsequent optimistischen Grotesken, quasi durch die Hintertür der Harmlosigkeit, die dialektische, subversive Natur des Komischen zu nutzen. Dabei reicht die Skala seiner Komik von unbeschwerter, geistreicher Unterhaltung bis hin zu bissiger Ironie. Wie kein zweiter beherrschte er den Spagat zwischen allgemeinmenschlicher Komik und hochspezieller Gesellschaftskritik. Obwohl er damit beim zeitgenössischen Publikum enormen Erfolg erntete, nahm die seriöse Kunstgeschichtsschreibung beinahe ein Jahrhundert lang kaum Notiz von seinen Arbeiten. Auch weil er eben schon sehr früh zu jenen Künstlern gehörte, "die sich unter Verzicht auf Würde unseriös geben", wurde er von der Kritik "nicht gerne mit dem Mantel der Würde behangen", wie es ein Zeitgenosse sehr diplomatisch ausdrückte. Tatsächlich haftet bis heute an Walter Trier und seinem Werk der Unernst wie ein Makel. Dabei befand ein kanadischer Kunstkritiker in seinem Nachruf 1951: "Walter Trier may well become known to history as the Chaplin of our art world."

Geboren 1890 in Prag, studierte Walter Trier zunächst an der Prager Kunstakademie und wechselte mit nur siebzehn Jahren an die Münchner Kunstakademie, wo er 1909 bei Franz von Stuck erfolgreich abschloss. Noch im selben Jahr veröffentlichte er seine ersten Arbeiten im "Simplicissimus" und in der "Jugend" und wird 1910 von den Verlegern Hermann Ullstein und Dr. Otto Eysler nach Berlin abgeworben. Seit 1911 war Walter Trier im "Verband deutscher Illustratoren", seit 1925 Mitglied der "Berliner Secession" und 1929 wurde er zum zweiten Vorsitzenden des "Verbandes der Pressezeichner" gewählt. 1936 floh die jüdische Familie Trier nach London. Nach Erhalt der britischen Staatsbürgerschaft zog Walter Trier mit seiner Frau Helene 1947 weiter nach Kanada wo er bereits 1951 in seinem Atelier in Collingwood/Ontario verstarb.

Walter Trier, Die Astlochgucker, Gouache, 1925, © Foto: Atrium Verlag

Noch vor dem Ersten Weltkrieg in Berlin mit seinen "lyrischen Intermezzi, seinem gezeichneten Feuilleton" zum Star der Pressezeichner avanciert und als "Optimist der zweischneidigen Zunft" und geschmackvoller Kolorist gefeiert, bezauberte Walter Trier seit 1917 als einfühlsamer Illustrator schließlich zahllose Kinderherzen und hat sich einem großen Publikum bis heute tief eingeprägt. Denn wer kennt sie nicht - all die berühmten Kinderbuchklassiker von Erich Kästner, die von Walter Trier so unnachahmlich illustriert worden waren und bis heute, gegen jeden modischen Trend immun, kaum verändert erscheinen? Damals übrigens, als Erich Kästner Walter Trier kennenlernte, war der Zeichner längst berühmt. Denn seit Anfang des 20. Jahrhunderts hielt Walter Trier mit Vorliebe den Erwachsenen oft und gerne den Spiegel ihrer Eitelkeiten vor. Er war ein exzellenter Beobachter der nicht enden wollenden kleinen menschlichen Schwächen und ein enthusiastischer Chronist seiner Zeit.

Mit seiner einzigartigen Gesellschaftssatire, die als echter Publikumsrenner und -magnet nicht nur in der Tagespresse, sondern auch in verschiedenen überregionalen Magazinen und Büchern erschien, prägte er ein Vierteljahrhundert lang wie kein zweiter die Berliner Presselandschaft. Er zeichnete sie alle: Wilhelm II., Friedrich Ebert, Albert Einstein, Hans Albers, Claire Waldoff, Ringelnatz, Karl Valentin, Marlene Dietrich, Max Schmeling, Charlie Chaplin ... Die Liste der von ihm karikierten Persönlichkeiten liest sich wie das Who's Who der Weimarer Republik und ebenso klangvoll ist die Liste seiner Kollegen in den verschiedenen Zeitungsredaktionen: Tucholsky, Klabund, Brecht, Hesse, Döblin, Roda Roda oder Vicki Baum, Heinrich Zille, Olaf Gulbransson, Lyonel Feininger, George Grosz, John Heartfield oder Tamara de Lempicka. Aber nicht nur das Œuvre von "Deutschlands größtem Zeichnerhumoristen", auch die Biografie dieses in Vergessenheit geratenen Künstlers bietet Unerwartetes. Denn "sein liebster, schönster Besitz war eine Sammlung alten deutschen Spielzeugs. Wenn er die einzelnen Stücke aus den Vitrinen herausholte und zeigte, wurden sie kostbar wie Edelsteine. Dieses Spielzeug nahm er mit, als Hitler kam. ... In London ... sah ich es wieder. Und nun steht es drüben in Kanada. ... Ich kann mir nicht helfen, - wenn die Flucht dieses deutschen Humoristen, mit seiner Spielzeugsammlung, diese Flucht vor der vollkommenen Humorlosigkeit, und das heisst vor der vollendeten Grausamkeit, nicht ein sinnbildlicher Vorgang ist, dann gibt es überhaupt keine Sinnbilder", klagte Erich Kästner in seinem Nachruf.

Walter Trier hatte neben dem Spielzeug noch eine weitere Leidenschaft aus seiner Kindheit bewahrt: Fußball. Ein ehemaliger Weggefährte erinnerte sich, dass ihm, selbst als Student der Münchner Kunstakademie, ein Pferderennen oder ein Fußballwettspiel viel wichtiger war als der Besuch einer Gemäldegalerie. Und Journalisten, die er damals schon zuweilen in seinem blauen Ski- oder Leichtathletikanzug zum Interview empfing, überlieferten, dass Trier es auch als arrivierter Zeichner immer noch schrecklich fand, "wenn auf der Straße jemand Fußball spielt und mit der Spitze anstatt mit der Seite 'kickt'." Er sei schließlich nicht nur Künstler, sondern auch ein "Skifreund, bitte, und Fußballenthusiast!"

Die große Retrospektive "Walter Trier - Politik, Kunst, Reklame", die vom 11. Juni bis 3. September 2006 im Wilhelm-Busch-Museum Hannover, stattfindet, zeigt erstmals die zentralen Arbeiten aus seinem Gesamtwerk. Präsentiert werden nicht nur die weltberühmten Buchcover der Kästner'schen Kinderromane, sondern auch die unzähligen unbekannten Buch- und Pressezeichnungen - hier überraschen vor allem seine Karikaturen gegen Nazi-Deutschland -, Reklame- und Gebrauchsgraphiken sowie einige freie Arbeiten. Die Exponate stammen vorwiegend aus Privatsammlungen, aber auch aus der Art Gallery of Ontario in Toronto. Noch nie öffentlich gezeigte Originale lassen das turbulente Berlin der "Goldenen Zwanziger", seine Politiker und die Prominenz Revue passieren.

Antje Neuner-Warthorst


Weitere Ausstellungsstationen: Museum Burg Wissem, Troisdorf, Januar - April 2007, und Museum Haus Ludwig, Saarlouis, Mai - September 2007.
Zur Ausstellung erscheint ein reich bebilderter Katalog im Atrium Verlag, Zürich. Ausstellung und Katalog wurden erarbeitet von Dr. Antje Neuner-Warthorst.


AsKI-Newsletter KULTUR lebendig 2/2006

.

xxnoxx_zaehler