Städelsches Kunstinstitut - Neuerwerbung: Sir Thomas Lawrence, Portrait der Kinder von Lord George Cavendish, 1790

Logo marbach

Sir Thomas Lawrence (1789-1830), Bildnis der Kinder des Lord George Cavendish, 1790, Dauerleihgabe der Adolf und Luisa Haeuser-Stiftung, Foto: Städelsches Kunstinstitut

Zaghaft und doch entschlossen - so stapft das kleine Mädchen an der Hand ihrer Brüder dem Betrachter entgegen. Umhüllt von duftig-zarten Spitzen, richtet sie ihren neugierigen Blick aus dem Bild.

1790, im Alter von erst 21 Jahren, schuf Thomas Lawrence das Portrait im Auftrag des Lord Cavendish. Für diese Aufgabe war der als Wunderkind geltende Maler in besonderer Weise berufen, denn der Ruhm des zunächst vorwiegend mit Zeichnungen und Pastellen hervorgetretenen Künstlers gründete auf seiner besonderen Begabung zur Bildnismalerei. Das Cavendish-Portrait als sein erstes repräsentatives Kinderportrait enthält alle Merkmale, die Lawrences Ruhm als Maler von lebendigen und zugleich scharf beobachteten Portraits begründeten: Durch das große Format erhält das Gemälde eine raumfüllende Präsenz. Die anspruchsvolle Wirkung steht in spannungsvollem Kontrast zu der lebendig erzählten Kinderszene: Die beiden Brüder stehen ihrer mutig wirkenden Schwester bei ihren ersten Gehversuchen bei. Kaum merklich aus dem Gleichgewicht geraten, wird sie von ihren Brüdern sicher gehalten. Eine anrührende, zärtliche Innigkeit und Zuneigung geht von den Geschwistern aus. Erstmalig stellt Lawrence hier sein spezielles Interesse für einfühlsam beobachtete Kinderszenen unter Beweis. Zugleich ist das Cavendish-Portrait ein exzellentes Beispiel für die unkonventionelle Malweise, die Lawrence zu einem der bedeutendsten englischen Maler des frühen 19. Jahrhunderts machte: Charakteristisch ist der für die Zeit ungewöhnlich flüssige und spontane, beinahe unbekümmerte Farbauftrag, die den fast autodidaktischen Maler auszeichnet.

Das Portrait der Kinder von Lord George Cavendish, das sich bis 1999 in Familienbesitz befand, wurde noch im Jahr seines Entstehens in der Royal Academy ausgestellt. Im folgenden Jahr wurde Lawrence in die Royal Academy aufgenommen und 1792, nach dem Tod von Joshua Reynolds, zum ersten Maler des Königs George III. Nicht nur hinsichtlich seines Renommees als wichtigster Portraitmaler seiner Zeit bestehen
Parallelen zu dem gleichfalls in England tätigen Anthonis van Dyck. Wie der Flame seinerzeit stellte auch Lawrence die natürliche Darstellung von Kindern und eine genaue Beobachtung ihrer Verhaltensweisen in den Mittelpunkt vieler seiner Bildnisse. Sein unmittelbares Vorbild war jedoch sein Lehrer Reynolds, dem er in der Wiedergabe der Portraitierten in einer parkähnlichen englischen Landschaft folgte. Diese unterstreicht wirkungsvoll die Ungezwungenheit von Kindern in der Natur.

Mit dem Kinderportrait von Lawrence eröffnet das Städel den neuen Sammlungsbereich englischer Malerei und tritt damit neben München und Berlin, den in Deutschland bislang einzigen Museen mit nennenswerten Beständen. Zugleich erweitert es die durch Werke von Tiepolo, Bellotto und Watteau im Städel hervorragend vertretenen Bestände des 18. Jahrhunderts.

Der Erwerb dieses bedeutenden Gemäldes ist der Adolf und Luisa Haeuser-Stiftung für Kunst- und Kulturpflege zu verdanken, die damit dem Städelschen Kunstinstitut eine weitere ihrer "Kostbarkeiten" als Dauer-Leihgabe überlässt.

 

AsKI KULTURBERICHTE 1/2002

.

xxnoxx_zaehler