Spott und Respekt – Die Justiz in der Kritik: Ausstellung im Reichskammergerichtsmuseum Wetzlar

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Reichskammergerichtsmuseum in Wetzlar, Foto: Stadt Wetzlar

Wer entscheiden muss, polarisiert - dies ist eine These, die erklären könnte, weshalb insbesondere Juristen seit Jahrhunderten das Motiv sowohl respektvoller als auch respektloser Darstellungen gewesen sind. Dass dies kein Thema ist, dass nur für Juristen von Interesse war und ist, zeigt sich gerade an der steten Zunahme der kritischen Zeichnungen, Grafiken und Illustrationen im Laufe der Zeit.

Im historischen Gebäude des Reichskammergerichtsmuseums wird zum Jubiläum der Gesellschaft für Reichskammergerichtsforschung eine Ausstellung gezeigt, die einen großen Bogen von frühen kritischen Darstellungen etwa in Totentänzen bis zu den Satirezeitschriften der Wilhelminischen Zeit und der Weimarer Republik spannt. 83 Exponate zeigen, was Zeichnern, Stechern und Malern in 500 Jahren zu Juristen, Justitia und der Jurisprudenz Böses eingefallen ist. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet das Gebäude des Museums im 18. Jahrhundert einem der Bestechung überführten Assessor gehörte.

Honoré Daumier. Les Blanchisseurs. Le bleu s’en vas mais ce diable de rouge tient comme du sang. (Die Weißwäscher. Das Blau geht ‘raus, aber dies verteufelte Rot klebt wie Blut.) kolorierte Lithografie, 1832, Privatsammlung, Foto: Axel Schneider

Wie kein zweites Gericht hat auch das Reichskammergericht als höchstes Gericht des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation in Fragen des Zivilrechtes und des Öffentlichkeitsrechtes polarisiert. Schon zu Zeiten seiner Existenz, aber auch bis weit in das 20. Jahrhundert hinein, war es vor allem als langsam, bestechlich, intransparent, unterbesetzt und überarbeitet verrufen - eine Missachtung der beachtlichen friedensstiftenden Rechtsprechung, wie man heute weiß.

Gleichzeitig sind die genannten Anschuldigungen in den 83 in Wetzlar gezeigten Werken immer wieder anzutreffen, so dass sich ein Katalog der Vorwürfe erstellen ließe.

Wenn der Jurist, so könnte man meinen, sich oder auch andere nicht gerade herausreden will, wie es der Fürsprech in den Totentänzen vergeblich versucht, als der Tod ihn holen kommt, ist er bestechlich oder aber nur durch hohe Zahlungen zum Arbeiten zu bewegen. So zeigt ein Stich in Rodericus Zamorensis' „Spiegel des menschlichen Lebens" den Richter, der gleich nach beiden Seiten die Hand aufhält.

Pieter de Bloot, der im Jahr 1628 ein Anwaltsbüro malte, in dem sich vor den Advokaten bereits lange Schlangen von Recht-suchenden gebildet haben, verdeutlicht zusätzlich gleich noch schriftlich, wie teuer der Prozess für den Kläger werden kann. „Wer um eine Kuh prozessieren will", steht sinngemäß auf Niederländisch auf einem Zettel am Pult des Advokaten, „kann gleich noch eine mitbringen."

Dass die Kritik an den Juristen sehr negative Folgen haben kann, wenn diese in mächtigen Positionen sind, hat unter anderem Honoré Daumier am eigenen Leib erfahren. Wegen einer Karikatur des Königs zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, musste er 1832 schließlich eine mehrmonatige Haftstrafe antreten, als er unter anderem den Oberstaatsanwalt Jean-Charles Persil karikierte, wie er mit verkniffenem Gesicht versucht, die rote Farbe aus der Tricolore zu waschen. Der fiktive Kommentar, mit dem Daumier Innenminister d'Argout und Regierungschef Soult den Versuch Persils kommentieren lässt, ist bitterböse: „Das Blau geht zwar 'raus, aber dieses teuflische Rot klebt wie Blut."

Dies nimmt Bezug darauf, dass die drei die brutale Niederschlagung des Weberaufstandes in Lyon bewirkt hatten und ist gleichzeitig eine Kritik an ihrer Königstreue. Würde ihnen das Herauswaschen gelingen, so eine Interpretationsmöglichkeit, würde die Flagge nur noch aus dem bourbonischen Weiß bestehen.

Mangelnde Unabhängigkeit von der Politik hat schließlich auch in wilhelminischer Zeit Karikaturisten bewegt. Das zeigen ausgestellte Hefte des Simplicissimus. Ausgemergelt und weltfremd oder aber dick und auf die Wahrung ihres Status Quo bedacht sind die Anwälte, Richter und Referendare dort. Neben die Darstellung von Typen tritt vor allem die Darstellung von Rechtsirrtümern und Justizskandalen.

Wie unterhaltsam die beißende Kritik sein kann, liegt auf der Hand. Deutlich wird in dieser Jubiläumsausstellung aber auch, dass jede einzelne Darstellung vor dem Hintergrund ihrer Zeit viel mehr über die Rechtsgeschichte aussagt, als dem heutigen Betrachter scheinen mag. Dies aufzudecken hat sich die Ausstellung zum Ziel gemacht.

Eva Fußwinkel


Spott und Respekt - die Justiz in der Kritik
24.09.2010 bis 31.01.2011
Veranstaltungsort
Reichskammergerichtsmuseum, Hofstatt 19, Wetzlar
Öffnungszeiten
Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr
Eintritt
Einzeleintritt Erwachsene 5,00 Euro
Gruppen ab 10 Personen 4,00 Euro
Einzeleintritt Kinder & Jugendliche 6 - 17 Jahre, Azubis, Studenten 2,50 Euro
Gruppen Kinder & Jugendliche ab 10 Personen 1,50 Euro
Familienticket (2 Erwachsene mit bis zu 3 Kindern) 7,00 Euro
Homepage der Gesellschaft für Reichskammergerichtsforschung:
www.reichskammergericht.de

 

AsKI KULTUR lebendig 2/2010

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