Sonderausstellung im Literaturarchiv Sulzbach-Rosenberg: Elefantenrunden. Walter Höllerer und die Erfindung des Literaturbetriebs

Die Elefantenuhr, Ein Geschenk von Siegfried Unseld zu Walter Höllerers 60. Geburtstag, Foto: Patricia Preuß, Literaturarchiv Sulzbach-Rosenberg

Der Elefant ist sein Wappentier geworden. Jahrelang arbeitete Walter Höllerer an seinem Roman "Die Elephantenuhr", unzählige Elefantenpostkarten bekam er in dieser Zeit von befreundeten Autorinnen und Autoren zugeschickt.

Ingeborg Bachmann redete ihn in ihren Briefen gar mit "lieber Elefant" an. Und Siegfried Unseld trieb für Höllerers 60. Geburtstag tatsächlich eine Elefantenuhr aus Porzellan auf. 

Diese kann man noch bis zum 29. März 2006 in Sulzbach-Rosenberg in einer Sonderausstellung zu Walter Höllerer als Blickfang bewundern, zusammen mit vielen Briefen, Manuskripten und Büchern, aber auch Filmen von Lesungen, die Walter Höllerer in den 60er Jahren in Berlin veranstaltete. Er lud - zunächst für seine Studenten an der Technischen Universität, dann für alle Berliner, so sie in der überfüllten Kongresshalle Platz fanden - junge deutschsprachige, aber auch internationale Autorinnen und Autoren zu seiner Lesungsreihe "Literatur im technischen Zeitalter" ein und brachte Leben in das kulturell ausgehungerte Berlin: John Dos Passos, Nathalie Sarraute, Alain Robbe-Grillet, Heimito von Doderer, Max Frisch, Paul Celan, Ingeborg Bachmann und andere präsentierte er in moderierten Lesungen, einer damals neuen Form der Literaturveranstaltung. Und das vor laufenden Kameras und live im Programm der ARD ausgestrahlt. In Zeiten des Kalten Krieges holte er den amerikanischen Autor Lawrence Ferlinghetti und den russischen Lyriker Andrej Wosnessenski zu einer gemeinsamen Lesung in das geteilte Berlin. Die Filmaufnahmen sind erhalten, und so kann man sich in der Ausstellung bis zu einstündige Aufzeichnungen dieser Lesungen ansehen. Interessant sind diese Aufnahmen auch in medienhistorischer Hinsicht: Nicht nur die nervöse Ingeborg Bachmann scheut den Blick in die Fernseh-Kameras. Im Winter 1964/1965 präsentierte Höllerer "Modernes Theater auf Kleinen Bühnen" mit dem "Living Theater" aus New York und dem "Prager Theater am Geländer", 1965/1966 "Veränderung im Film" mit Pier Paolo Pasolini und anderen Regisseuren. Auch diese Reihen wurden in der ARD ausgestrahlt.

Dass dem Erfinder des Literaturbetriebs bei diesen öffentlichen Aktivitäten nicht allzu viel Zeit zum Rückzug für sein eigenes Schreiben blieb, wundert einen nicht. Seine Gedichtbände, ihre Entstehung und das Gespräch darüber mit Autoren wie Georg Britting und Günter Eich finden in der Ausstellung den ihnen gebührenden Platz. Der erste Gedichtband "Der andere Gast" erschien 1952 und erfuhr große Beachtung. Höllerer wurde in den 50er Jahren in einem Atemzug mit Lyrikern wie Paul Celan und Ingeborg Bachmann genannt. Im Buchhandel ist erstaunlicherweise keiner der insgesamt fünf Gedichtbände mehr erhältlich.

Zur Ausstellung, die Helmut Böttiger zusammen mit Lutz Dittrich, Literaturhaus Berlin, konzipierte, ist ein Katalog erschienen (14 Euro). Darin sind auch einige Gedichte Walter Höllerers abgedruckt.

 

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