Publikation: Erdmut Wizisla, Benjamin und Brecht. Die Geschichte einer Freundschaft

„Es wird Dich interessieren, daß sich in letzter Zeit sehr freundliche Beziehungen zwischen Brecht und mir herausgebildet haben, weniger auf dem beruhend, was er gemacht hat und wovon ich nur die Dreigroschenoper und die Balladen kenne als auf dem begründeten Interesse, das man für seine gegenwärtigen Pläne haben muß.“
Walter Benjamin an Gershom Scholem in einem Brief vom 24. Juni 1929
[gemeint sind u.a. Brechts Keuner-Geschichten und das „Lesebuch für Städtebewohner“]

Die Freundschaft zwischen Walter Benjamin und Bertolt Brecht gehört zu den ästhetisch und politisch folgenreichen des vergangenen Jahrhunderts. Noch immer geht von ihr eine magische Anziehungskraft aus. Benjamin wertete sie als „Konstellation“. Hannah Arendt nannte die Freundschaft „einzigartig“, „weil in ihr der größte lebende deutsche Dichter mit dem bedeutendsten Kritiker der Zeit zusammentraf.“ Andere Freunde Benjamins teilten dieses Urteil nicht. Ihr Argwohn hat zu Fehldeutungen geführt, die sich bis heute in der Forschung halten.

Erdmut Wizisla, Autor der Publikation „Benjamin und Brecht. Die Geschichte einer Freundschaft“ und Leiter sowohl des Brecht- wie des Benjamin-Archivs in Berlin (zur Stiftung Archiv der Akademie der Künste gehörend), sichert in seinem Buch die Spuren dieser Begegnung und räumt dabei Vorurteile aus dem Weg. Zahlreiche unveröffentlichte Dokumente ermöglichen neue Wertungen. Erstmals analysiert werden die Gesprächsprotokolle des Zeitschriftenprojekts „Krise und Kritik“ (1930/31), die dem Band als Reproduktionen beigegeben sind. Eine biographische Skizze schildert die persönliche Nähe, die sich im Exil bewährte. Anhand von Briefen, Tagebuchaufzeichnungen und Notizen werden die Themen der Zusammenarbeit aufbereitet (Kriminalliteratur, eingreifendes Denken, Schreiben im Exil, Trotzki und Stalin, Kafka, Baudelaire). Eigene Kapitel widmen sich sowohl Benjamins Arbeiten über Brecht als auch Brechts Äußerungen über Benjamin, darunter den Epitaphen. Anders als Laotse fand Benjamin, schrieb Brecht 1948 an Karl Thieme, „keinen Grenzwächter, der ihn auch nur hätte passieren lassen“.

In einer sehr lesenswerten und die Arbeit von Wizisla ebenso lobenden Rezension von Momme Brodersen („Wenigstens missverstehen. Erdmut Wizisla über Bertolt Brecht und Walter Benjamin“, Süddeutsche Zeitung, 13.4.2005, S. 16) heißt es, der Autor habe „nicht nur das Terrain für neue Interpretationen Brechts vorbereitet. Vielmehr gewinnt erst so dessen letzte, schon postume Hommage an Benjamin wirklichen Gehalt: Nach der Lektüre der Thesen ‚Über den Begriff der Geschichte’ meinte Brecht, die kleine Arbeit sei ‚klar und entwirrend (trotz aller metaphorik und judaismen)’, und er denke ‚mit schrecken daran, wie klein die Anzahl derer’ sein werde, die bereit seien, ‚Benjamin wenigstens mißzuverstehen’.“

Die Lektüre des Werkes von Wizisla sei, so Brodersen, „alles andere als zähflüssig oder gar schwierig“, es lese sich „über weite Strecken spannend und temporeich“ und erschüttere „viele vermeintliche Gewissheiten über den einen wie den anderen Protagonisten“. Ein vorbildliches Werk, erarbeitet mit „Akkuratesse, Kompetenz und vor allem Liebe“, so der Rezensent abschließend.


Erdmut Wizisla, Benjamin und Brecht. Die Geschichte einer Freundschaft
Mit einer Chronik und den Gesprächsprotokollen des Zeitschriftenprojekts „Krise und Kritik“.
Suhrkamp Verlag (suhrkamp taschenbuch 3454), Frankfurt am Main 2004

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