Neues Museum Weimar der Klassik Stiftung Weimar: Hinaus in die Natur! Barbizon, die Weimarer Malerschule und der Aufbruch zum Impressionismus

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Jean-Francois Millet, Kuhhirtin, 1852 Musée du monastère royal de Brou, Ville de Bourg-en-Bresse, © Foto: Musée du monastère royal de Brou, Ville de Bourg-en-Bresse

Unsere heutige Sehnsucht nach unberührter Natur ist angesichts der drohenden Folgen des globalen Klimawandels und der ungehemmten Erschließung der natürlichen Ressourcen groß.

Doch schon ab Mitte des 19. Jahrhunderts hatte sich in Frankreich eine Bewegung entwickelt, die die Künstler in Scharen aus ihren städtischen Ateliers auf das Land ziehen ließ, um sich „en plein air" der Schönheit und Unberührtheit der freien Natur zu vergewissern. Dabei suchten die Künstler nicht mehr das erhabene und pittoreske Motiv, wie zuvor auf der traditionellen Grand Tour durch die Alpen und Italien, sondern das Ursprüngliche und Einfache in der nahen Umgebung und im bäuerlichen Leben.

Mit ihrer genauen Beobachtung der atmosphärischen Erscheinungen der unterschiedlichen Tages- und Jahreszeiten wurden sie auch zu Wegbereitern des Impressionismus. In Barbizon, einem Dorf am Rande des Waldes von Fontainebleau unweit von Paris, bildete sich um Jean-François Millet, Gustave Courbet, Camille Corot, Charles-François Daubigny, Théodore Rousseau u.a. ein Mittelpunkt der Freilichtmalerei, der zahllose Künstler aus anderen europäischen Ländern anzog.

Diesem Phänomen widmet sich eine umfangreiche Ausstellung der Klassik Stiftung Weimar zum 150. Jubiläum der Gründung der Weimarer Kunstschule (noch bis 30. Mai 2010). Die Ausstellung macht die Rolle der Weimarer Landschaftsmalerei im Beziehungsgeflecht zwischen Frankreich, den Niederlanden und Deutschland deutlich. Mit einer hochkarätigen Auswahl von etwa 200 Werken aus internationalen und deutschen Museen sowie aus Privatsammlungen stellt die Ausstellung in thematischen Kapiteln sowohl das prägende Vorbild der Schule von Barbizon als auch die Vermittlerrolle der Haager Schule um Jozef Israëls, Willem Roelofs, die Gebrüder Maris und Anton Mauve für die Verbreitung der neuen Wirklichkeitserfassung in der „paysage intime" vor. Wie die neue Freilichtmalerei in Deutschland aufgenommen wurde und zur Gründung von Künstlerkolonien in Willingshausen, Dachau oder Goppeln führte, zeigt die Ausstellung mit einer Auswahl von bedeutenden Werken der Düsseldorfer Malerschule um Johann Wilhelm Schirmer, Eugène Gustav Dücker, Carl Seibels und der Münchner Malerschule um Eduard Schleich, Adolf Heinrich Lier, Hans Thoma und dem Leibl-Kreis.

Paul Baum, Vorfrühling – Am Lottenbach vor Weimar, 1885, Sammlung Sander  © Foto: Sammlung Sander

Dass in Weimar diese fortschrittliche Landschaftsmalerei dank der Vermittlung von Lehrern wie Franz von Lenbach (s. Titelbild dieser Ausgabe) und Albert Brendel so früh wie kaum an einer anderen deutschen Kunstakademie Fuß fassen konnte, ist das Hauptthema der Ausstellung. Tatsächlich fielen hier die neue Anschauung von der Bedeutung des Naturstudiums und der realis-tische Blick auf die unmittelbare Umgebung auf besonders fruchtbaren Boden. So bildete sich um Karl Buchholz, Paul Baum, Theodor Hagen, Leopold von Kalckreuth, Ludwig von Gleichen-Russwurm und Christian Rohlfs eine Gruppe von Landschaftsmalern, die als „Weimarer Malerschule" von Mitte der 1870er Jahre an in Deutschland eine führende Rolle in der Entwicklung einer naturnahen realistischen Freilichtmalerei spielte. Die Stimmungsmalerei der Franzosen führte in Weimar zu einem besonderen und unverwechselbaren Ton von bewusster Reduktion und Melancholie. Nach dem Vorbild des Waldes von Fontainebleau entwickelte sich das Webicht, ein kleines lichtes Wäldchen zwischen Weimar und Tiefurt gelegen, und das Kirschbachtal zu den Lieblingsmotiven der Weimarer Malerschule.

Ein weiterer maßgeblicher Entwicklungsschub fand um 1890 statt, als in Weimar französische impressionistische und neoimpressionistische Werke von Claude Monet, Camille Pissarro und Henri Martin erstmalig in Deutschland öffentlich vorgestellt wurden. Eine Auswahl dieser Gemälde wird nun erneut nach Weimar geholt und hier zusammen mit Werken derjenigen Weimarer Maler präsentiert, die die impressionistische Malweise so früh wie an keinem anderen Ort in Deutschland adaptierten. In diesem Ausblick zeigt sich, dass Weimar in den 1890er Jahren - bereits vor der Ankunft Harry Graf Kesslers - ein Zentrum impressionistischer Landschaftsmalerei war, das noch bis zur Jahrhundertwende ausstrahlte und Studenten wie Max Beckmann ansprach, der hier von 1900 bis 1903 studierte.

Die Ausstellung wird von einem umfangreichen Rahmenprogramm begleitet, das neben Vorträgen und Kuratorenführungen auch Exkursionen zu den beliebtesten Motiven der Weimarer Künstler und ihren Ateliers in Weimar sowie ein Malatelier für Besucher im Neuen Museum anbietet.

Im Kerber Verlag erscheint begleitend zur Ausstellung ein umfangreicher Katalog mit vertiefenden Texten renommierter Kunst-historiker, die einen neuen Blick auf die Weimarer Malerschule und ihre internationalen Verbindungen werfen (ca. 340 Seiten, 200 Farbabbildungen, Museumsausgabe ca. 35,- €/ Buchhandelsausgabe ca. 45,- €).


Neues Museum Weimar
Markt 10
Tel. 03643 | 545-400
Fax 03643 | 419816
info@klassik-stiftung.de
www.klassik-stiftung.de/weimarer-malerschule
Parallel findet vom 11. April bis 21. Mai 2010 im Druckgrafischen Museum Pavillon-Presse eine Kabinettausstellung über den Weimarer Radierverein statt (Informationen: www.pavillon-presse.de).

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