Neues Mitglied im AsKI: Jüdisches Museum Franken in Fürth, Schnaittach und Schwabach

Das Jüdische Museum Franken in Fürth:Torakrone, © JMF, Foto: Richard Kraus, Nürnberg;

Geschichte und Gegenwart jüdischen Lebens
Franken war eine bedeutende Wiege jüdischer Geschichte und Kultur in Süddeutschland. Heute blicken wir auf eine fast tausendjährige jüdische Geschichte zurück, in der sich vielfältige und bedeutende kulturelle Traditionen entwickelten, mit großen Gelehrten, eigenen religiösen Riten, fränkisch-jüdischen Dialekten, besonderen kulinarischen Gebräuchen, erstaunlich vielen Synagogenbauten und über hundert jüdischen Friedhöfen.

In diese beeindruckende jüdische Geschichte und Kultur gibt das Jüdische Museum Franken vor allem durch seine Museumsgebäude faszinierende Einblicke. Alle Häuser befinden sich in historischen Baudenkmälern aus dem 16. bis 18. Jahrhundert. Sie besitzen begehbare Laubhütten und Ritualbäder, die bis heute erhalten geblieben sind. Zusammen mit den umfangreichen Sammlungen von Judaika und Alltagsgegenständen vermitteln die Museen ein plastisches Bild des jüdischen Lebens in Franken – vom städtisch geprägten bis hin zum ländlichen Milieu, von seinen Anfängen bis heute. Alle drei Orte waren auch selbst wichtige jüdische Zentren ihrer umliegenden Region mit Rabbinatssitz und Distriktsverwaltung, Talmudschulen und bedeutenden Synagogen.

 Das Jüdische Museum Franken in Fürth

Unter den Schuhen knirscht es hörbar, es wird dunkler und deutlich kühler, es riecht feucht und erdig. Der Weg zur historischen Mikwe (Ritualbad) im Keller des Fürther Museums ist abenteuerlich. Die Bebauung des Grundstücks reicht bis 1400 zurück, als ein Jude namens Chusiel
das Anwesen kauft. Ab dem 15. Jahrhundert war das Museumsgebäude als Wohnhaus fest im Besitz verschiedener jüdischer Familien. Die prominenteste war die Familie Fromm, die das Gebäude prachtvoll umbauen ließ und das Ritualbad im Keller errichtete. Spätere jüdische Eigentümer ergänzten das Anwesen um einen Anbau und ein Häuschen mit zwei Laubhütten aus dem 18. und aus dem 19. Jahrhundert, die noch intakte Kassettendecken und eine historische Dachöffnung aufweisen.

Das Jüdische Museum Franken in Fürth: Blick in die Dauerausstellung, © JMF, Foto: Annette Kradisch, Nürnberg

Die Hausgeschichte spiegelt eindrucksvoll wider, welche Bedeutung Fürth vom 16. bis ins 19. Jahrhundert als jüdisches religiöses Zentrum für Süddeutschland innehatte. Seit 1528 siedelten sich nach der Vertreibung aus den Reichsstädten überwiegend wohlhabende jüdische Familien in Fürth an, die die hohe Steuerlast tragen konnten. Mit besonderen Rechten ausgestattet, entwickelte sich die jüdische Gemeinde Fürth fortan zum wichtigsten jüdischen Zentrum Süddeutschlands mit mehreren prachtvollen Synagogen und zahlreichen Betstuben, bedeutenden Talmudschulen und einem regen jüdischen Stiftungswesen.

Das Jüdische Museum Franken in Fürth: Blick in die Dauerausstellung, © JMF, Foto: Annette Kradisch, Nürnberg

Im historischen Gebäude präsentiert das Museum seit 1999 in seiner vom Wiener Architekten Martin Kohlbauer gestalteten Dauerausstellung Judaika und Alltagsgegenstände wie auch multimediale und virtual reality-Installationen. Dabei stellt das Museum die Geschichte der Juden in Fürth und Franken – von den Anfängen in den mittelalterlichen Reichsstädten bis zur Gegenwart – in einem Spannungsfeld zwischen Heimat und Exil, Tradition und Anpassung, Vernichtung und Neubeginn dar.

Das Jüdische Museum Franken in Fürth: Erweiterungsbau, © JMF, Foto: Annette Kradisch, Nürnberg

Ergänzt wurde das Jüdische Museum Franken 2018 um einen Erweiterungsbau der ARGE Gatz, Kunz und Manz mit einem Wechselausstellungs- und Veranstaltungssaal, einer Studienbibliothek, Café und Museumsgarten wie auch Büro- und Depoträumen. Die äußere Erscheinung des neuen Baus präsentiert sich in Proportion, Materialität und Rhythmus der Fassade als besonderer Baustein in der Fürther Innenstadt, der dem repräsentativen Charakter eines Museums in diesem einstigen Jerusalem jüdischen Lehrens und Lernens in Süddeutschland gerecht wird. Innen wird der Erweiterungsbau ergänzt durch an prominenten Stellen angebrachte Textarbeiten der Nürnberger Künstlerin Dagmar Buhr.

 Das Jüdische Museum Franken in Schnaittach

Das Jüdische Museum Franken in Schnaittach wurde 1996 in einem in Deutschland einzigartigen Bauensemble eröffnet. Der Gebäudekomplex besteht aus einer 1570 erbauten Synagoge, einer im 18. Jahrhundert erweiterten Frauenschul sowie einem Rabbiner- und Vorsängerhaus mit einem Ritualbad.

Das Jüdische Museum Franken in Schnaittach:Blick auf das Museumsgebäude, © JMF, Foto: Annette Kradisch, Nürnberg

In Schnaittach lebten seit Ende des 15. Jahrhunderts jüdische Familien im Schutz der Ganerbenherrschaft. Seit dem 16. Jahrhundert bildete Schnaittach mit den umliegenden jüdischen Gemeinden in Ottensoos, Forth und Hüttenbach eine Verwaltungsgemeinschaft. In Schnaittach befand sich der Rabbinatssitz, eine Talmudschule und der jüdische Friedhof für die umliegenden Gemeinden. Seine größte Blütezeit erlebte der Ort im 17. und 18. Jahrhundert, im 19. und 20. Jahrhundert wanderten viele Juden und Jüdinnen in größere Städte oder nach Übersee aus.

Das Jüdische Museum Franken in Schnaittach: Synagoge, © JMF, Foto: Annette Kradisch, Nürnberg

Im Novemberprogrom 1938 verhinderte der Hafnermeister und Heimatmuseumsbetreiber Gottfried Stammler das Ab­brennen der Synagoge und des angrenzenden Rabbiner­hauses, weil er neue Räume für das Schnaittacher Heimatmuse­um be­nötigte. Fortan präsentierte er seine Sammlung im Rabbinerhaus. In der Synagoge stellte er christliche Sakralgegenstände aus. In die ehemalige Toranische platzierte er eine Madonnen­figur. Während des Nationalsozialismus beteiligte sich Stammler an der Enteignung jüdischen Eigentums. Er sammelte Judaika, lagerte sie im Heimatmuseum und präsentierte sie zum Teil in der Ausstellung. Mitte der 1950er-Jahre musste er den größten Teil seiner Sammlung der Jewish Restitution Successor Organization übergeben. Der verbliebene Rest wurde 1996 in die Sammlung des Jüdischen Museums Franken in Schnaittach aufgenommen, das in seiner Dauerausstellung die problematische Sammlungs­geschichte erzählt.

Das Jüdische Museum Franken in Schnaittach: Mikwe (Ritualbad), © JMF, Foto: Annette Kradisch, Nürnberg

Das Jüdische Museum Franken in Schwabach

Das Jüdische Museum Franken in Schwabach wurde 2015 im einem ehemals jüdischen Wohnhaus in der Syna­gogengasse eröffnet. Neben der Vermittlung jüdischen Lebens in Schwabach steht im Zentrum der Dauerausstellung eine historische Laubhütte, die im Jahr 2000 bei Sanierungsarbeiten zufällig entdeckt und gerettet wurde. Ihr Erbauer war der Kaufmann und Mohel (Beschneider) Moses Löw Koppel, der das Wohnhaus Ende des 18. Jahrhunderts erworben hatte.

Jüdisches Museum Franken in Schwabach: Historische Laubhütte, © JMF, Foto: Annette Kradisch, Nürnberg

Moses Löw Koppels Laubhütte gilt heute als ein Kleinod europäisch-jüdischen Kulturerbes. Nur wenige am ursprünglichen Ort erhaltene Laubhütten in Bayern mit erhalten gebliebenen figürlichen und floralen Dekorationsmalereien sind heute bekannt. Das Außergewöhnliche an den figürlichen Darstellungen ist das Motiv einer Hasenjagdszene, das bisher nur aus hebräischen Drucken, Fayencen und Textilien bekannt ist: Es spiegelt eine ­Mnemotechnik wider, die für das Merken von Gebetsreihenfolgen im Judentum wichtig war. Darüber hinaus wurde der gejagte Hase mit den Jahrhunderten zu einem Symbol des jüdischen Volkes, das immer wieder von Ort zu Ort verfolgt und vertrieben wurde.

Jüdisches Museum Franken in Schwabach: Blick in die Ausstellung, © JMF, Foto: Annette Kradisch, NürnbergDie Dauerausstellung des Jüdischen Museums Franken in Schwabach wird um den musealen Raum „Synagogengasse", in der sich das heutige Museumsgebäude befindet, ergänzt. In der Synagogengasse befinden sich viele historische Gebäude wie etwa Synagoge, Rabbinerhaus, Lehrhaus und Häuser jüdischer Hoffaktoren und Familien. Eine kostenlose App lädt dazu ein, dieses einstige jüdische Zentrum Schwabachs zusätzlich zum Museumsbesuch zu erkunden.

Alle drei Häuser präsentieren jährliche wechselnde Ausstellungen und organisieren Veranstaltungen und pädagogisch Bildungs- und Vermittlungsangebote, in denen Einzelaspekte zur Geschichte und Gegenwart jüdischen Lebens vertieft werden.

Das Museum wird von einem 1990 gegründeten Verein getragen, dem der Bezirk Mittelfranken, die Stadt Fürth, der Landkreis Nürnberger Land, die Marktgemeinde Schnaittach und seit 2008 die Stadt Schwabach angehören.

 Daniela F. Eisenstein |
Direktorin Jüdisches Museum Franken


Jüdisches Museum Franken in Fürth

www.juedisches-museum.org

Königstraße 89
90762 Fürth

Postanschrift
Postfach 2055
90710 Fürth

Tel.: 0911-950988-0
E-Mail: info@juedisches-museum.org

Jüdisches Museum Franken in Schnaittach
Museumsgasse 12-16
91220 Schnaittach

Jüdisches Museum Franken in Schwabach
Synagogengasse 10a (rückwärtiger Eingang)
91126 Schwabach

 

AsKI kultur leben 1/2022

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