Neue Mitglieder im AsKI: Stiftung Deutsches Hygiene-Museum

Die Gläserne Frau vor dem Hauptportal (1996), Foto: André Rival

Das Deutsche Hygiene-Museum ist weder ein Science-Center noch ein Spezialmuseum mit einem fest umrissenen Themenspektrum, es ist vielmehr ein Universalmuseum vom Menschen.

Als modernes Wissenschaftsmuseum reflektiert es die Auswirkungen der Wissenschaften für die Gesellschaft des 21. Jahrhunderts. Insbesondere die Bedeutungszunahme der modernen Biowissenschaften, der Genetik und Hirnforschung sowie die sich daraus ergebenden disziplinüberschreitenden Fragestellungen stehen im Mittelpunkt seines Interesses. Das Museum sieht seine Rolle darin, mit seinen Ausstellungen und Veranstaltungen ein unabhängiges öffentliches Forum für den Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft bereitzustellen. Sein Bildungsauftrag ist es, im Sinne des angelsächsischen "public understandig of sciences and humanities" das Verständnis für die Wissenschaften zu fördern. Durch die Faszination, die mit den modernen Wissenschaften verbunden ist, soll jedoch keine unkritische Wissenschaftsgläubigkeit produziert werden; vielmehr möchte das Museum zu einem verantwortungsvollen Umgang mit den Möglichkeiten der modernen Wissenschaften anregen.

Anders als es über Jahrzehnte die Tradition dieses Hauses war, will das Museum also weit mehr, als Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen Kenntnisse über den menschlichen Körper zu vermitteln. Die Aufgabe des Deutschen Hygiene-Museums besteht heute darin, den Menschen in interdisziplinär angelegten Ausstellungen als ein biologisch, psychisch, sozial und kulturell vernetztes Wesen anschaulich und sinnlich begreifbar zu machen. Die in der Ausstellungstätigkeit praktizierte Verschränkung von Natur- und Kulturwissenschaften, die sich heute in der gesamten Wissenschaftslandschaft beobachten lässt, zeigt den Menschen und das Menschliche in neuen, ungewohnten Perspektiven und vielfältigen Zusammenhängen.

Zur Geschichte des Museums
Die Gründung des Deutschen Hygiene-Museums (1912) geht zurück auf eine Initiative des Dresdner Industriellen und Odol-Fabrikanten Karl August Lingner (1861-1916). Lingner hatte 1911 zu den Protagonisten der I. Internationalen Hygiene-Ausstellung gehört, zu der über fünf Millionen Besucher nach Dresden gekommen waren. Diese Ausstellung hatte Informationen zur Anatomie des Menschen, aber auch zu Fragen der Gesundheitsvorsorge, zu Ernährung und Wohnen mit modernsten Techniken und in einer bis dahin unbekannten Anschaulichkeit vermittelt. Während der Weimarer Republik trug das Museum mit seinen allgemeinverständlichen Darstellungsformen, die immer auf dem neuesten Stand der Wissenschaft waren, maßgeblich zu einer Demokratisierung des Gesundheitswesens bei.

Der ‘Sektionsraum‘ in der Themenausstellung ‘Kosmos im Kopf. Gehirn und Denken‘ (2000), Foto: Volker KreidlerZur II. Internationalen Hygiene-Ausstellung 1930 wurde der von Wilhelm Kreis (1873-1955) entworfene neue Museumsbau bezogen, in dem das Museum noch heute seinen Sitz hat. Als größte Attraktion der Ausstellung galt der Gläserne Mensch, in dem sich das Menschenbild der Moderne in der zukunftsgläubigen Verbindung von Wissenschaft, Transparenz und Rationalität materialisierte. Der Gläserne Mensch ist seither zum Leitobjekt des Deutschen Hygiene-Museums geworden und stellt nach wie vor eines seiner markantesten Exponate dar.

Nach 1933 wurden das volksaufklärerische Gedankengut des Museums und seine hoch entwickelten modernen Vermittlungsmethoden in den Dienst der nazistischen Rasse-Ideologie gestellt. Beim Bombenangriff auf Dresden im Februar 1945 wurden große Teile des Museumsgebäudes und wertvolle Sammlungsbestände vernichtet. Während der DDR-Jahre nahm das Museum mit seinem "Institut für Gesundheitserziehung" eine vergleichbare Aufgabe wahr wie in der Bundesrepublik die "Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung". Nach 1991 erhielt das Deutsche Hygiene-Museum als "Museum vom Menschen" eine vollkommen neue Konzep
tion, die mit zeitgemäßen Mitteln an den innovativen Ansatz seiner Gründerjahre anknüpft. In den kommenden Jahren wird das Museumsgebäude, das sich zurzeit in einem beklagenswerten Zustand befindet, durch den Architekten Professor Peter Kulka saniert und weitestgehend in den Originalzustand zurückversetzt.

Die Ausstellungen
Den derzeitigen Arbeitsschwerpunkt des Museums bilden zweifellos die wechselnden Themenausstellungen, die wesentlich zur überregionalen Beachtung des Dresdner Museums beigetragen haben. Die Ausstellungen entstehen in enger Kooperation von Kuratoren und wissenschaftlichen Projektgruppen mit Gestaltern, Künstlern, Technikern, Bühnenbildnern oder Ausstellungsarchitekten. Sie behandeln neueste Forschungsergebnisse aus den Wissenschaften vom Menschen ebenso wie Fragen der Alltagskultur und setzen sich mit gesellschaftspolitischen Problemen oder geistes- und kulturgeschichtlichen Themen auseinander.

Blick in die gemeinsam mit Aktion Mensch e.V. realisierte Themenausstellung ‘Der (im-)perfekte Mensch. Vom Recht auf Unvollkommenheit‘ (2000/2001), Foto: David BrandtBeispielhaft seien genannt: Darwin und Darwinismus (1994), Die Pille. Von der Lust und von der Liebe (1996), Alt & Jung. Das Abenteuer der Generationen (1997), Gen-Welten. Werkstatt Mensch? (1998), Der Neue Mensch. Obsessionen des 20. Jahrhun derts (1999), Kosmos im Kopf. Gehirn und Denken (2000) oder Der (im-)perfekte Mensch. Vom Recht auf Unvollkommenheit (2000). Die Sonderausstellungen der kommenden Jahre werden sich mit den Themen Sexualität sowie dem Verhältnis von Mensch und Tier beschäftigen.

Parallel zum Fortgang der jetzt beginnenden grundlegenden Sanierung des Museumsgebäudes wird in den nächsten Jahren die Dauerausstellung "Mensch", die derzeit vollkommen neu konzipiert wird, in voraussichtlich zwei Etappen eröffnet. Feste Bestandteile der Neuen Dauerausstellung werden sowohl der Garten des Museums als auch ein eigenes Kindermuseum mit Werkstattcharakter sein. Die gegenwärtige ständige Ausstellung beschäftigt sich in komprimierter Form mit Basisthemen des Museums: Sinneswahrnehmung, Ernährung, Sexualität und AIDS sowie der Anatomie und den Funktionen des menschlichen Körpers.

Begleitend zu den Ausstellungen bietet das Deutsche Hygiene-Museum seinen Besuchern ein umfangreiches museumspädagogisches Programm an. Es umfasst Führungen, Aktionen und Veranstaltungen für alle Besuchergruppen, in deren Vordergrund das Ziel steht, durch personelle Interaktion und eigene Körperwahrnehmung Lernen und Erleben zu ermöglichen.

Die Sammlung
Nach der Neukonzipierung des Museums 1991 wurde die vorgefundene Sammlung wissenschaftlich erfasst und mit einem zielgerichteten Sammlungsaufbau begonnen. Zum Sammlungsbestand gehören heute über 20.000 Objekte zur Geschichte der Gesundheitsaufklärung und Gesundheitspflege im Alltag. Wertvolle Altbestände wie etwa die ca. 2.000 Wachsmoulagen oder die augenärztliche Sammlung Münchow, anatomische Modelle und Plakate zählen ebenso dazu wie historische Alltagsgegenstände, z.B. Lichtsaunen, Höhensonnen und Hochfrequenzheilapparate. Seit 1995 wird die Sammlung Schwarzkopf mit mehr als 2.000 Exponaten zur Geschichte der Haar- und Schönheitspflege als Dauerleihgabe aufbewahrt. Neben diesen musealen Objekten betreut das zur Sammlung gehörige Archiv einen umfangreichen Dokumenten- und Bildbestand zur Geschichte des Deutschen Hygiene-Museums. Ein Großteil des Sammlungsbestandes kann augenblicklich bereits über das Internet eingesehen werden. Mit den Exponaten seiner Sammlung beteiligt sich das Museum intensiv am internationalen Leihverkehr und war somit während der letzten Jahre in vielen wichtigen Ausstellungen präsent (z.B. zuletzt "Sieben Hügel" im Berliner Martin Gropius-Bau).

Ein Lockenwickler aus den 30er-Jahren, Exponate der Sammlung ungewöhnlich in Szene gesetzt (1999), Foto: Olaf Martens

Das Forum Wissenschaft

Parallel zu den Ausstellungen organisiert eine eigene Abteilung des Museums, das Forum Wissenschaft, eine große Anzahl von tagesaktuellen Veranstaltungen. In enger Anbindung an die anderen Abteilungen des Museums ergänzen und vertiefen diese Vorträge, Tagungen oder Diskussionsrunden die Inhalte der Themenausstellungen. Das Forum Wissenschaft organisiert darüber hinaus den Wissenstransfer von den nationalen und internationalen Einrichtungen der universitären und außeruniversitären Forschung an das Museum und kooperiert eng mit den wissenschaftspolitischen Institutionen der Bundesrepublik und der EU. Im Jahre 2001 führt das Forum Wissenschaft die "Bürger-Konferenz. Streitfall Gendiagnostik" durch, bei der sich interessierte Laien mit den Konsequenzen dieses gentechnischen Analyseverfahrens auseinandersetzen und auf einer abschließenden Konferenz eine Stellungnahme veröffentlichen werden.

Serviceeinrichtungen

Das Deutsche Hygiene-Museum ist schon immer ein attraktiver, überregional bekannter Veranstaltungsort in Dresden gewesen. In dieser Tradition bietet das Tagungszentrum für externe Veranstaltungen und Kongresse verschiedene Säle und Seminarräume mit einer Kapazität bis zu 250 Sitzplätzen an und stellt seinen Kunden ein umfangreiches Angebot an moderner Veranstaltungstechnik zur Verfügung.

Zum Museum gehört weiterhin eine öffentliche Präsenzbibliothek mit einem Bestand von mehr als 30.000 Medieneinheiten aller Art. Neben Fachpublikationen hält das Medienzentrum auch einen großen Fundus populärwissenschaftlicher Literatur zu verschiedenen Themengebieten sowie Zeitschriften, Videos, CD-ROMs und Internetarbeitsplätze bereit.

Stiftung Deutsches Hygiene-Museum

Nachdem das Museum 1991 in eine nachgeordnete Behörde des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales, Gesundheit und Familie überführt worden war, stellte die 1999 erfolgte Überleitung des Deutschen Hygiene-Museums in eine Stiftung bürgerlichen Rechts eine große Zäsur dar, die jedoch viele Entwicklungsmöglichkeiten eröffnet. Die jetzige Stiftungskonstruktion, an der sich der Freistaat Sachsen, die Landeshauptstadt Dresden, die DKV Deutsche Krankenversicherung AG als Unternehmen der Privatwirtschaft sowie optional auch der Bund beteiligen, stellt einerseits eine innovative zeitgemäße Lösung dar, andererseits aber handelt es sich um eine Rückkehr zu einer Organisationsform des Museums, die in dieser Weise bereits in den zwanziger Jahren bestand.

Die Ausstellung "Kosmos im Kopf. Gehirn und Denken" ist im Jahre 2001 in einer adaptierten Fassung in Mannheim zu sehen: Landesmuseum für Technik und Arbeit, 4. April bis 21. Oktober 2001, Tel. 0621-42989

Christoph Wingender
Leiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit,
Stiftung Deutsches Hygiene-Museum Dresden

AsKI KULTURBERICHTE 1/2001

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