Museum für Kommunikation Frankfurt: SATT? Kochen | Essen | Reden – dem aktuellen Kochboom auf der Spur

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Bratwurststand in der Frankfurter Allee, Berlin 2003, Museum Für Kommunikation Frankfurt, Foto: Christoph Bucksegen

Ob beim privaten Kaffeeklatsch, Sonntagsbraten, beim Party-Buffet oder Gala Dinner eines Staatsaktes – Anlässe zum Essen sind immer auch solche zum Reden.

Gemeinsame Essen stiften Gemeinschaft, leiten Freundschaften ein – nicht selten geht die Liebe durch den Magen – und sie begleiten den Menschen ein Leben lang vom Fest der Taufe bis zum letzten Abendmahl. Besucher der Ausstellung werden in fünf farblich unterschiedenen Bereichen mit ganz unterschiedlichen Kommunikationsanlässen von Kochen und Essen in Deutschland konfrontiert. Nach Zuhause Essen (Familie), Auswärts Essen (Herberge, Kantine, Restaurant, Take away) und Draußen Essen (Picknick, Imbiss, Grillen), schließt sich der Bereich Öffentlich Essen (Inszenierungen und Medien) und zuletzt Richtig Essen (alternative Ernährungskonzepte, Diäten, im Kloster) an.

Heute ist nicht nur das Essen selbst, schon die Vorbereitung, das Kochen, wird zunehmend Anlass zur Kommunikation. Kein Sendeformat hat in der letzten Zeit einen solchen Hype erlebt wie die Kochshows – angefangen vom eher belehrenden Vorkochen über den unterhaltsamen Promikochtalk bei Kerner/Lanz bis hin zu allen Arten von Kochwettbewerben, gefilmten Dinnern mit Gästen zu Hause. Diese Entwicklung begann, als vor rund 50 Jahren der Fernseher Einzug bei Tisch hielt. Obwohl er ein Kommunikationsmedium ist, bezogen auf das Gespräch am Tisch, ist er ein Kommunikations-Killer. Die Themen werden von der Glotze bestimmt, ein Gespräch wie gewohnt kann nicht stattfinden. In vielen Single-Haushalten ersetzt der Fernseher den Gesprächspartner bei Tisch heute vollständig. Da ist es nur nahe liegend, dass man auch gleich auf der Couch vor dem Gerät isst. Das macht sich ein ganzer Industriezweig zunutze: Convenience-Produkte verkürzen die Zeit der Zubereitung einer Mahlzeit erheblich. Mit Vorliebe werden sie vor dem Fernseher gegessen, wo dann auch noch wirksam Werbung für sie gemacht wird. In drei Multimediainstallationen des Videokünstlers Daniel Kohl sind die Interdependenzen von Fernsehen, Kommunikation und Nahrungsaufnahme anschaulich verarbeitet und für die Besucher aufbereitet worden.

Mahlzeit in den 50er Jahren. Familie mit Fernseher. Foto: Süddeutsche ZeitungWer eine Ausstellung über Essen, Kochen und Kommunikation macht, muss auch über Hunger sprechen. Dabei ist der Mangel keineswegs auf Entwicklungsländer beschränkt. Auch in hoch entwickelten und reichen Gesellschaften ist eine ausreichende Ernährung keineswegs für alle gesichert. Mit Meldungen über Verlust und Niedergang werden wir täglich konfrontiert: In immer weniger Familien werde noch regelmäßig gekocht, das Grundwissen über die Zubereitung von Speisen sei immer weniger verbreitet. Wer unter Einsamkeit leidet, kann auch am Essen und Kochen nur bedingt Freude empfinden. Insofern steckt im aktuellen Medien-Hype auch die Sehnsucht nach neuen, neu belebten Formen des Gemeinschaftserlebnisses bei Tisch.

SATT? ist keine pädagogische Ausstellung über gesunde oder ungesunde Ernährung, auch wenn sie indirekt davon handelt. Die Ausstellung thematisiert das 'Erlebnis Essen und Kochen' als Kommunikationsanlass und dessen Bedeutung. Die Betrachtung ist interdisziplinär. Dabei werden bisweilen überraschende Zusammenhänge bewusst gemacht und die Ausstellung sensibilisiert dafür, welchen zentralen Stellenwert das Essen als soziales und kommunikatives Ereignis hat.

Corinna Engel

AsKI-Newsletter KULTUR lebendig 2/2009

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