Museum Brot und Kunst – Forum Welternährung, Ulm : Essen als Bekenntnis

Egidius Mengelberg, Das letzte Abendmahl, 1834, Kopie nach Leonardo da Vinci, Öl auf Leinwand, Museum Brot und Kunst, Foto: Micha Wolfson, UlmEssen ist mehr ist als bloße Nahrungsaufnahme. Es ist familiäre Tradition, kulturelle Heimat, Repräsentation und manchmal auch ein Experiment. Essensrituale, -vorschriften und -einschränkungen können ganz bewusste religiöse, politische oder weltanschauliche Bekenntnisse sein.

Ein prominentes Beispiel aus dem westlichen Kulturkreis ist das christliche Abendmahl, welches das frühchristliche Gemeinschaftsmahl auf Brot und Wein reduziert und ritualisiert: Gläubige verleiben sich den Zuspruch Gottes ein und bekennen, indem sie Brot und Wein essen und trinken, ihren Glauben.

Schon früh hat sich das Abendmahl als eigenes Bildmotiv entwickelt, vor allem Leonardo da Vincis berühmte Fassung ist fest in unserem visuellen Gedächtnis verankert. Unzählige Varianten dieser Darstellung wurden bis in die Gegenwart geschaffen, transportieren heute aber zum Teil Fragen und Bekenntnisse ganz anderer Art. Die Ausstellung, die das Museum Brot und Kunst in diesem Frühjahr zeigt, möchte einige davon vorstellen. Sie nimmt aber auch jüdische und islamische Riten, Nahrungsmittel und Speisevorschriften mit in den Blick. Sie betrachtet die zumindest in der Reformbewegung vor 100 Jahren quasireligiösen Ausprägungen des Vegetarismus. Und gibt weiteren, ganz individuellen Essensbekenntnissen Raum, welche die Diversität unserer Gesellschaft abbilden.

Abendmahl

Leonardo da Vincis Abendmahl ist in einer Kopie von Egidius Mengelberg aus dem Jahr 1834 in der Schau vertreten. Das Gemälde führt uns vor Augen, wie stark unsere Vorstellung vom letzten gemeinschaftlichen Mahl Jesu mit seinen Jüngern von dieser Darstellung geprägt ist. Moderne und zeitgenössische Werke, die als Leihgaben gewonnen werden konnten, stellen die vertraute Szene aber auch in Frage, interpretieren sie neu, überraschend und gelegentlich schockierend – so z. B. das Abendmahl von Harald Duwe (1978), bei dem Jesus nicht mit am Tisch sitzt, sondern als zerteilte Leiche auf den Tellern liegt. Weitere Perspektiven eröffnen Arbeiten von Anna und Bernhard Blume, Timm Ulrichs, Horst Wackerbarth oder Hermann Nitsch.

Von weiteren, thematisch passenden Kunstwerken begleitet, werden die unterschiedlichen Bekenntnisse, mit denen sich die Ausstellung beschäftigt, auf fünf „Tischen" präsentiert:

Alles Koscher

Beim letzten Abendmahl feierte Jesus mit seinen Jüngern Pessach, das an den Auszug der Israeliten aus Ägypten erinnert und mit dem Sedermahl beginnt. Nicht nur jüdische Feste sind mit ritualisierten Mahlzeiten und traditionellen Lebensmitteln verbunden, auch im Alltag kennt der jüdische Glaube zahlreiche Speisevorschriften, die sich auf die Herstellung und Zubereitung der Nahrungsmittel auswirken.

Bill Bernbach, You don’t have to be Jewish…, New York, 1967, Farboffset, Foto: Museum Brot und Kunst

Die wichtigsten Regeln und Feiertage werden in der Ausstellung mit ihrer Geschichte und aktuellen Bedeutung erklärt. Kunstwerke, rituelle Gegenstände und Belegstücke aus dem Alltag gehören in diesen Zusammenhang.

 Halal und haram

Was im Judentum als „koscher" (d. h. rituell rein und geeignet) bezeichnet wird, ist im Islam „halal" (d. h. erlaubt). Auch hier gibt es Speisevorschriften, die im Alltag zu beachten sind. Von herausragender religiöser Bedeutung ist der Fastenmonat Ramadan, der vom allabendlichen Fasten­brechen begleitet und mit einem genussreichen Fest (Zuckerfest) beendet wird.

Julius Matuschik, Iftar (Fastenbrechen) bei der Gemeinde „Al Falah“, Berlin, 2019, Fotografie, © Julius Matuschik

Deutlich findet hier das Bekenntnis im gemeinschaftlichen Essen und vorausgehenden Fasten seinen Ausdruck. Traditionelle Speisen und Gegenstände, künstlerische Fotografien und persönliche Statements machen dies in der Ausstellung nachvollziehbar.

Brot und Wein

Bedeutenden christlichen Feiertagen im Jahreslauf gehen ebenfalls Fastenzeiten voraus. Allgemein bekannt ist die 40-tägige Fastenzeit vor Ostern. Nicht mehr praktiziert wird hingegen das Fasten im Advent als Vorbereitung auf das Weihnachtsfest. Während es im Christentum im eigentlichen Sinne keine Speisevorschriften gibt, ist beim Fasten der Verzicht auf bestimmte Lebensmittel (z. B. Fleisch), fettreiche und süße Speisen geboten.

Mit fast jedem Fest lässt sich ein spezielles Gebäck verbinden. Eine besondere Vielfalt besteht beim Weihnachtsgebäck. Das gebackene Osterlamm versinnbildlicht den Opfertod Jesu, den der Gläubige an- und in sich aufnimmt. Die Essenz dessen findet sich beim Abendmahl in Brot und Wein wieder. Gezeigt werden hier Gebäckmodel und Brotstempel ebenso wie liturgisches Gerät.

 Keep calm go vegan

Die Lebensreformbewegung an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert hatte zu einer Verbreitung vegetarischer und veganer Ernährungs- und Lebensweisen geführt. Diese nahm in einigen Gruppierungen quasi religiöse Züge an, die ihre eigenen Erlöserfiguren hervorbrachten. Heute ist der Verzicht auf Fleisch und andere tierische Produkte wieder Ausdruck einer bewussten Haltung, die nicht nur die eigene Gesundheit, sondern auch das Wohlergehen von Tieren und Pflanzen sowie den Schutz von Ressourcen im Blick hat. Damit ist das Bekenntnis zum Vegetarismus oder Veganismus in besonderer Weise politisch motiviert. Historische wie aktuelle Zeugnisse lassen Kontinuitäten und Veränderungen deutlich werden.

Von der Steinzeit bis zum Weltuntergang

In unserer stark individualisierten Gesellschaft können Bekenntnisse und Weltanschauungen ganz persönlichen Bedürfnissen angepasst werden. Dies spiegelt sich nicht zuletzt in der Fülle von Ernährungsratgebern und Kochbüchern wider, die auffallend häufig Heilsversprechen (Gesundheit, Schönheit, Sicherheit etc.) mit sich führen. Von der Steinzeit-Diät, die in eine verlorene Ursprünglichkeit zurückführen will, über Fast Food und Lieferdienste, die Unkonventionalität und American way of life versprechen, bis hin zur Prepper-Bewegung, die sich mit dem Horten von Vorräten auf den Krisenfall vorbereitet.

Dwight Eschliman, The Douglass Family, New York Times Magazine, 2012, Fotografie, © Dwight Eschliman

Da neben und zwischen diesen sehr gegensätzlichen Entwürfen viele weitere denkbar sind, werden an diesem Tisch in einem interaktiven Angebot alle Besucher und Besucherinnen aufgefordert, ihr eigenes Bekenntnis zu Ernährungsweise und Essensritualen abzulegen.

Auch das Begleitprogramm zur Ausstellung lädt mit Führungen, Vorträgen und einem interreligiösen Podium zur Begegnung und zum Austausch über die verschiedenen Bekenntnisse ein. Hierfür konnte das Museum Brot und Kunst jüdische, islamische und christliche Gemeinden in Ulm als wichtige Kooperationspartner gewinnen. Ein besonderer Höhepunkt wird ein Fastenbrechen mit Food-Designern aus Jordanien sein, die in Amman über Food-Systems geforscht haben.

Dr. Marianne Honold |
Programm und Pressearbeit,
Museum Brot und Kunst


Museum Brot und Kunst / Forum Welternährung, Ulm
Essen als Bekenntnis
3. April bis 19. Juni 2022
www.museumbrotundkunst.de
Zur Ausstellung erscheint ein
kosten­loses Begleitheft

AsKI kultur leben 1/2022

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