Max-Reger-Institut / Elsa-Reger-Stiftung, Karlsruhe: 60. Gründungsjubiläum - Geschichte und Aufgaben des Max-Reger-Instituts

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Alte Karlburg Durlach, heute Sitz des Max-Reger-Instituts, Foto: MRI Karlsruhe

Als sich Elsa Reger während der Besatzungszeit nach dem Zweiten Weltkrieg entschloss, ein Max-Reger-Institut zu gründen, war sie von zweierlei Grundgedanken bestimmt.

Zum einen befürchtete sie, dass durch die Aufteilung in Besatzungszonen (und, wie sich später bestätigen sollte, die deutsch-deutsche Teilung) das Meininger Max-Reger-Archiv, das 1920 in Jena eröffnet und bereits 1922 ins Weimarer Schloss umgesiedelt worden war, ihr nicht mehr zugänglich sein würde. Und zum anderen wollte sie eine Institution gründen, die sich, aktiver als das Reger-Archiv, für ihre Sache einsetzen sollte. Ihre Sache, das war die Pflege und Erforschung von Regers Werken, die Sammlung der über Jahrzehnte verteilten Manuskripte und der Aufbau eines weltweiten Beziehungsnetzes. Zur Verwirklichung dieser Ziele ernannte sie in der Stiftungsurkunde des Max-Reger-Instituts 1947 eine Phalanx von korrespondierenden und Ehren-Mitgliedern in aller Welt. Als Stiftung angelegt, besaß diese Stiftung allerdings weder Manuskripte (die Elsa Reger, so sie ihr verblieben waren, verkauft oder verschenkt hatte) noch eine Bibliothek, Erinnerungsstücke oder Ähnliches (einen Großteil ihrer Regeriana hatte sie bereits dem Reger-Archiv überschrieben). Selbst das Stiftungsvermögen erwies sich als fiktiv: Das Institut sollte von den internationalen Tantiemen leben, die während des Zweiten Weltkriegs naturgemäß nicht flossen und auch faktisch danach lange nicht ausgezahlt wurden. Privatvermögen besaß Elsa Reger, die 1944 in München ausgebombt worden war, zum Zeitpunkt ihres Todes nicht mehr.

Immer Reger, Carus-VerlagGründungstag war der 25. Oktober 1947, nicht nur Elsa Regers siebenundsiebzigster Geburtstag, sondern auch ihr fünfundvierzigster Hochzeitstag. Zwar hatte das Institut keine eigenen Räumlichkeiten (und dies sollte sich lange Zeit kaum ändern - von einer Dachkammer wurde es zur anderen verschoben, stets auf die Gnade der Vermieter angewiesen), doch wurde bereits seit Anbeginn Wert auf den Aufbau einer eigenen Sammlung gelegt. Diese Investition in die Zukunft war stets wichtiger als die adäquate Honorierung der Mitarbeiter, deren Einsatz vielfach Reger'sche "Accord-Arbeit" widerspiegelt(e).

Schon rund einen Monat nach Institutsgründung hatte sich Elsa Reger mit dem von ihr eingesetzten Institutsleiter Erich H. Mueller von Asow entzweit, der bereits zur ersten Kuratoriumssitzung im Dezember 1947 nicht mehr eingeladen wurde. Neuer Kuratoriumsvorsitzender wurde Professor Dr. Hans Mersmann, ein der Moderne äußerst aufgeschlossener Musikwissenschaftler, der sich als Leiter des Deutschen Volksliedarchivs profiliert hatte und kurz zuvor Direktor der Kölner Musikhochschule geworden war. Bis zu seinem Tod 1971 stand Mersmann dem Kuratorium vor, gefolgt von Professor Dr. Günther Massenkeil (Ordinarius für Musikwissenschaft in Bonn, 1972-1997) und Professor Dr. Siegfried Schmalzriedt (Ordinarius für Musikwissenschaft in Karlsruhe, seit 1997). Die Geschäftsführung des Instituts übernahm 1948 das Kuratoriumsmitglied Dr. Ottmar Schreiber, dessen Aufgabe es wurde, aus dem Nichts ein Institut aufzubauen und dies auf nebenamtlicher Basis. Mehr als dreißig Jahre stand Ottmar Schreiber dem Institut vor. Er ließ es sich 1980, vierundsiebzigjährig und selbst schon schwer krank, nicht nehmen - unterstützt von seiner Frau und Mitarbeiterin - das Großprojekt Reger in seinen Konzerten abzuschließen: ein Werk, das über jedes von Reger durchgeführte Konzert Auskunft gibt und als Nachschlagewerk bis heute Gültigkeit hat.

Seit 1973 stand ihm, ebenfalls auf Teilzeitbasis, Dr. Susanne Popp zur Seite, die von ihm 1981 die Institutsleitung übernahm. Nachdem in den 1970er-Jahren die Konzertaktivitäten des Instituts verstärkt worden waren, erschien 1982 der erste monografische Briefband, fanden 1983 die erste selbstständige Ausstellung statt (in der Kölner Stadtbibliothek) und 1984 ein Reger-Symposium in Zusammenarbeit mit dem Bezirk Oberfranken. Als studentische Hilfskraft begann 1979 Susanne Shigihara im Max-Reger-Institut, und die "beiden Susannen" wurden in der Folge als energiegeladenes, überzeugendes, wissenschaftlich hoch qualifiziertes Duo bekannt. 1983 wurde Susanne Shigihara nach ihrer Promotion wissenschaftliche Mitarbeiterin, zunächst ebenfalls auf Teilzeitbasis. Diese Situation konnte erst verbessert werden, als 1986 nach Ablauf des Urheberrechtsschutzes die Umwandlung des zuvor selbstfinanzierten Instituts zu einem öffentlich geförderten erforderlich wurde. Diese Umstellung brachte naturgemäß eine erneute Erweiterung des Aufgabenspektrums mit sich. Bereits 1985 hatte man aus der Enge der bisherigen Institutsräume von maximal 48 qm in rund doppelt so große Räumlichkeiten in der Poppelsdorfer Allee ziehen können, nur wenige Meter vom Bonner Hauptbahnhof entfernt. Daneben bewirkte die konsequente Erweiterung der Sammlung in allen Bereichen - Autographen in Original und Fotokopie, Notendrucke, Bildarchiv, Programmsammlung und Bibliothek, um nur einige zu nennen - eine stetig wachsende Fachkompetenz.

Die ‘beiden Susannen‘: Susanne Popp und Susanne Shigihara, © Max-Reger-Institut / Elsa-Reger-Stiftung, KarlsruheAls Institutsleiterin gelang es Susanne Popp durch Risikobereitschaft und diplomatisches Geschick mehrfach, das Institut aus drohenden Krisen stets gestärkt hervorgehen zu lassen - so auch 1996, als nach dem Berlin-Beschluss dem ohnehin schon äußerst knapp ausgestatteten Bonner Institut die Mittel noch weiter drastisch gekürzt wurden. In Anbetracht der wissenschaftlichen Reputation und der wertvollen Sammlung des Instituts entschlossen sich das Land Baden-Württemberg und die Stadt Karlsruhe, das Max-Reger-Institut ab 1996 in die öffentliche Förderung zu nehmen. Auf der Grundlage einer gesicherten Existenz, durch Kooperation mit Universität und Musikhochschule sowie durch die mittlerweile anerkannte wissenschaftliche Reputation konnte sich das Institut, das schon längst zu der Reger-Forschungsstätte weltweit geworden war, seitdem zu einer Institution entwickeln, die auch wissenschaftliche Großprojekte in Angriff nimmt. 1999 wurde Dr. Jürgen Schaarwächter als wissenschaftlicher Mitarbeiter Nachfolger von Susanne Shigihara. Durch seine Tätigkeit erfolgte die Digitalisierung der Bestände sowie der Bestandskataloge und somit die Vorbereitung für die Anforderungen des 21. Jahrhunderts.

Seit 2001 finanziert die Deutsche Forschungsgemeinschaft das Doppelprojekt "Reger-Werk-Verzeichnis / Reger-Briefe-Verzeichnis". 2008 werden eine Ausgabe von Orgelwerken, Liedern und Chören sowie Bearbeitungen Regers in die Förderung der Union der Akademien der Wissenschaften (Musikwissenschaftliche Editionen) aufgenommen. Mitarbeiter an diesen Projekten sind (seit 2001) Dr. Stefanie Steiner und Alexander Becker M.A. sowie (2001 bis 2004) Dr. Katrin Eich und (seit 2004) Dr. Christopher Grafschmidt. Das Reger-Briefe-Verzeichnis betreuen seit Anfang 2008 Dr. Agnes Michalak und Dr. des. Stefan König.

Seit der Gründung des Instituts ist die Autographensammlung (freilich gänzlich ohne Elsa Regers Zutun) stetig gewachsen, vielfach unterstützt durch großzügige Sponsoren - neben Privatpersonen u.a. die Bundesregierung; die Kulturstiftung der Länder; die Ernst von Siemens-Stiftung; die Stiftung Kunst und Kultur des Landes Nordrhein-Westfalen; die Ernst-Poensgen-Stiftung; die Stiftung van Meeteren; die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die Badische Beamtenbank. 2003 wurde dem Institut das komplette, über vier Jahrzehnte aufgebaute BrüderBuschArchiv zugestiftet, dem eine 2007 neu gestaltete Gedenkstätte in Siegen angehört.

Neben einer umfangreichen Sammlung an Fotos, Konzertprogrammen und Notendrucken sowie einer umfassenden Bibliothek und Tonträgersammlung besitzt das Max-Reger-Institut mittlerweile rund 200 Notenmanuskripte Regers (im Sicherheitstresor der Badischen Landesbibliothek gelagert), rund 2400 Originalbriefe und -postkarten Regers sowie möglichst alle anderwärts bekannten Originalhandschriften Regers in Fotokopie bzw. Mikrofilm. Das Archiv ist digital erschlossen und steht dem Musikforscher, dem Musiker und dem interessierten Laien gleichermaßen offen, stets verbunden mit, falls gewünscht, fachkundigem Rat. Viele Musiker haben so neues Repertoire entdeckt oder erkannt, dass die zur zeit erhältliche Reger-Gesamtausgabe in hohem Maße problematisch ist, viele junge Musikwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler haben Themen für Magisterarbeiten oder Dissertationen gefunden, die später in der institutseigenen Schriftenreihe veröffentlicht wurden.

Neben der Forschungstätigkeit und der Erschließung des Archivs gehörte die Vermittlung von Regers Leben, Schaffen und Persönlichkeit von Anbeginn zu den Hauptanliegen des Max-Reger-Instituts, im Sinne einer "angewandten Musikwissenschaft" in verständlicher Sprache. Ausstellungen sind mittlerweile europaweit gefragt und teilweise monatelang zu sehen (u.a. Mozarteum Salzburg; Goethe-Institut Paris; Royal College of Music London; Staatstheater Stuttgart; Conservatorio Statale di Musica "G. Rossini" Pesaro). Kongresse und Vorträge gehören ebenso dazu wie stets intensive Kooperationen unterschiedlichster Art bei Reger-Festen (u.a. in Bonn, Dortmund, Essen, Giengen, Hamm, München, Saarbrü-cken, Weiden) und Reger-Nächten (in Darmstadt, Karlsruhe, München). Sowohl in Bonn als auch in Karlsruhe haben sich zahlreiche ausgesprochen fruchtbare Kooperationen entwickelt, so dass ein Ziel erreicht werden konnte: die Zurückführung der Werke Regers ins "normale" Konzertrepertoire und nicht mehr nur als für sich stehende Sonderereignisse. In Institutskonzerten zu Gast waren seit den 1970er Jahren u.a. der Cellist Siegfried Palm (lange Jahre Kuratoriumsmitglied), die Pianisten Siegfried Mauser und Markus Becker (der Regers komplettes Klavierwerk einspielte), das Klavierduo Yaara Tal & Andreas Groethuysen (die 1999 und 2004 zwei Reger-Uraufführungen spielten) sowie die Mezzosopranistin Frauke May mit ihrem Begleiter Bernhard Renzikowski (die seither drei Reger-CDs eingespielt haben), aber auch die Sängerinnen Christiane Oelze und Christa Ludwig, der Geiger Ulf Hoelscher, der Cellist Julius Berger, die Pianisten Aloys Kontarsky und Bruno Canino sowie das Tel Aviv Quartet. Besonders die enge Kooperation mit der Hochschule für Musik Karlsruhe soll hier genannt werden: Professoren (Wolfgang Meyer, Klarinette, und Nachum Erlich, Violine) und Studierende sind gleichermaßen "Reger-infiziert". Seit 2004 findet in Karlsruhe ein (seit 2005 Europäischer) Kammermusikwettbewerb der Hochschule in Kooperation mit dem Max-Reger-Institut und der Stadt Karlsruhe statt, bei dem ein Regerwerk in der ersten Runde Pflicht ist.

Auch nicht zu vergessen sind die zahlreichen Veröffentlichungen in Konzertprogrammen und Tonträger-Booklets, die gleichfalls die Kenntnis von Regers Werk und Persönlichkeit vertiefen und so das Interesse an ihm weiter fördern sollen - die Zusammenarbeit reicht hier von Japan bis nach Schweden. Das Bildarchiv steuert regelmäßig Abbildungen bei. Die Zahl der Kooperationspartner über die Jahrzehnte reicht - neben den "üblichen" Partnern, wie Städten, Musikhochschulen, Kantoraten oder Orgelakademien - von den Jeunesses Musicales Deutschland bis zum Ökumenischen Kirchentag Berlin, der Gelsenkirchen-Stiftung bis zur Casa di Goethe, vom Gewandhaus zu Leipzig bis zur Bayerischen Akademie der Schönen Künste. Enge Verbindungen bestehen zur Max-Reger-Sammlung in Weiden und zum Max-Reger-Archiv in Meiningen. Auch zur Reger Foundation of America und natürlich zur Internationalen Max-Reger-Gesellschaft e.V. (Letztere 1999 in den Räumen des Max-Reger-Instituts gegründet) bestehen engste Verbindungen: Susanne Popp ist Vorstandsmitglied beider Institutionen. Die Verbindung zu den Brüdern Busch wurde vertieft durch die Wahl Jürgen Schaarwächters zum kooptierten Vorstandsmitglied des Freundeskreises der Busch-Brüder e.V. Siegen.

Durch das intensive Engagement aller Beteiligten hat sich das Max-Reger-Institut, seit 1985 Mitglied im Arbeitskreis selbständiger Kultur-Institute e.V. - AsKI, in sechzig Jahren aus dem Nichts nicht nur zu der zentralen Reger-Forschungsstätte entwickelt, sondern auch zu einem florierenden Institut mit reichem Archiv und reichhaltigen Möglichkeiten. Seit 1998 repräsentativ in der Alten Karlsburg in Karlsruhe-Durlach untergebracht, stellt sich die Institutsleiterin Prof. Dr. Susanne Popp mit ihrem Team tatkräftig den kommenden Herausforderungen.

AsKI-Newsletter KULTUR lebendig 1/2008

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