"Kultur Urlaub" - 7. Tourismustag der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag

Unter der kenntnisreichen, warmherzigen und engagierten Leitung der tourismus-politischen Sprecherin der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag, Brunhilde Irber, tagten rund 120 Teilnehmer aus der ganzen Bundesrepublik am 29. Juni 2004 im Alten Rathaus von Potsdam.

Die fünfzehn Referenten und zwei Moderatoren boten einen weiten Fächer zum Thema "Kultur und Urlaub". ,Kultur hat Konjunktur' und taucht u. a. als Schlagwort in dem Wort Kulturtourismus auf. Was sind die Gründe für das wachsende Interesse und die steigenden Umsätze in dieser Branche, gerade auch nach SARS und 11. September? ,Kultur' definiere sich nicht mehr ausschließlich als reine Bildung, sondern als ein lebendiger und wandelbarer Begriff und umfasse im gesellschaftlichen Dialog, vom Gemälde in einem Museum über eine Opernaufführung, auch Events, etwa Musicals, Festivals oder Festspiele, aber auch Erlebnisgastronomie. Neben Naturschönheiten werde Kultur so immer breitfächriger und zusehends mehr ein regional wichtiger Standortfaktor im Tourismus.

Brunhilde Irber führte weiter aus, dass die wachsende gesellschaftliche, aber auch ökonomische Bedeutung von Kultur von der Europäischen Union z. B. in Form eines "Aktionsplans der Gemeinschaft zur Förderung des Fremdenverkehrs" gewürdigt werde, wobei Kulturtourismus erstmals direkt ins politische Blickfeld rücke. Danach investiere die EU jährlich ca. 500 Mio. Euro in die Förderung von Kultur. Oberstes Ziel sei die Schaffung eines europäischen Kulturraumes: eine Plattform zur Zusammenarbeit aller Kulturschaffenden, des kulturellen Austausches, bei Erhalt der Eigenarten und Minderheiten. Dies äußere sich beispielsweise in der 1985 ins Leben gerufenen Aktion ,Europäische Kulturhauptstadt' - ein Gewinn, darin sei man sich einig, für alle nominierten Städte. Rechtsrahmen sollten den Zugang zu Finanzmitteln erleichtern. Der Beitrag der Kulturbranche an Einkommen und Arbeitsplätzen sei sehr hoch angesetzt. Eine wichtige Möglichkeit zur Stärkung sei die Verknüpfung von Kultur und Tourismus. Trotz der offensichtlichen Synergien scheuten sich die Betroffenen vor der praktischen Zusammenarbeit - Sorgen bezüglich der Kommerzialisierung und der Besucherströme aus Angst vor dem Verlust von Authentizität und der Ruinierung von Kunstwerken würden dabei immer wieder angeführt.

Die Impulsreferate von Matthias Platzeck, Ministerpräsident des Landes Brandenburg; MinDir. Dr. Knut Nevermann, Abteilungsleiter BKM; Dr. Ditmar Staffelt, Parlamentarischer Staatssekretär BMWA; und Tilo Braune, Präsident des Deutschen Tourismusverbandes gaben Zahlen und Fakten bereits erfolgreicher Bemühungen und solcher, die wünschenswert wären.

Matthias Platzeck präsentierte Potsdam als eine der Bewerberstädte zur ,Kulturhauptstadt Europas' mit ihren Sehenswürdigkeiten, wie zum Beispiel Holländerviertel und Russischer Kolonie, als Schmelztiegel europäischer Ideen. Umfrageergebnisse belegten überdies die gelungene Aktion ,Lust auf Na Tour', eine Berlin-Brandenburgische Kombination von Kultur und Natur.

Knut Nevermann eröffnete seine Rede mit einem launigen Hinweis, weshalb man eigentlich reise. Dazu verwies er - als Entscheidungsträger bei der BKM unter anderem auch Förderer der Casa di Goethe in Rom, einer unmittelbaren Tochtereinrichtung des AsKI - auf Goethes viel zitierte Italienische Reise und gab zu bedenken, es gebe neben der Kunst noch andere Gründe zu reisen, angefangen von Schlechtwetterbesuchen in Museen bis hin zur, wie bei Goethe, Flucht vor dem Alltag. Bezüglich der Summen, die der Bund für Kultur ausgebe, kritisierte er die vielen "Zwischenstufen", nämlich die Verbände, und betonte, dass doch die Künstler und deren Kreativität die oberste Priorität aller Förderung haben sollten. Er wies auf die gemeinschaftliche Verantwortung von Bund, Ländern und Kommunen für die Kulturförderung hin, verwies auf die Richtlinienkompetenz und zeigte auf, in welchen Bereichen der Bund fördert. Die Verbindung von Kultur - Wirtschaft - Tourismus sei ein wichtiger Verbund, der sich auch gerade in Berlin als ,Schaufenster zur Welt' bei den Bewerberstädten zur Kulturhauptstadt Europas wie auch bei den Kultur-Freundschaftsprojekten zeige: Deutschland Russland 2003/2004, Deutschland Polen 2005/2006 gefolgt von Ungarn und China.

Dr. Ditmar Staffelt stellte sechs Thesen vor, die er mit eindrucksvollen Fakten und einem aufschlussreichen Zahlenwerk untermauerte:

  • Der Trend zum ,Kulturtourismus nimmt zu', was weltweit nicht nur Bildungstourismus beinhaltet, sondern historische Sehenswürdigkeiten, Kunst, Theater, Festivals, Welterbe, Events gleichermaßen. In Deutschland haben 2002 rund 6 % der Reisenden eine kürzere, 9 % eine längere Kulturreise gemacht. 77 % haben in den letzten 3 Jahren kulturelle und historische Sehenswürdigkeiten besucht. Das Reiseland Deutschland wird entdeckt: 60 % aller Reisen finden im Inland statt. Der tourismusbezogene Inlandskonsum beträgt rd. 135 Mrd. Euro, das sind mehr als 12 % der gesamten Konsumausgaben privater Haushalte in Deutschland. Tourismus und kultureller Markt stärken sich gegenseitig. Dies gilt insbesondere für strukturschwache Regionen, dort begünstigt Kulturtourismus nachhaltig den wirtschaftlichen Erfolg.
  • Tourismus bedeutet Dienstleistungsbranche Trotz SARS und 11. September wächst diese Branche zur bedeutendsten Dienstleistungsbranche mit 2,8 Mio. direkt oder indirekt Beschäftigten und 104.000 Ausbildungsplätzen. Auch der verhaltene Aufwärtstrend in 2003 darf nicht über den harten Preiskampf hinwegtäuschen und macht die Erschließung neuer Märkte nötig.
  • Entwicklung in den neuen Bundesländern erfolgreich Bund-, Länder- wie auch EU-Förderungen sorgten für eine Verdopplung der bundesdeutschen Übernachtungszahlen in den neuen Ländern 1992-2003 von 10,1 % auf 20,2 %. Die Förderungen des Kulturbereichs sind eng mit dem Kulturtourismus verknüpft, wie z. B. der vom Bund in den neuen Ländern 1991 mit rund 4,8 Mrd. Euro geförderte städtebauliche Denkmalschutz.
  • Kulturtourismus - wichtiger Wirtschaftsfaktor Die kulturelle Vielfalt in Deutschland in Zahlen: über 2,5 Mio. Musik-, Tanz- und Kunstveranstaltungen; über 6.000 Museen; über 360 öffentliche und private Theater, rd. 12.250 Volksfeste u. a. m. Die 27 UNESCO-Welterbestätten in Deutschland mit ihrem ganzjährigen Angebot steigern den Städtetourismus ebenso wie die zahlreichen thematisch orientierten Kulturwege, etwa Straße der Backsteingotik, Route der Industriekultur, Straße der Weserrenaissance, Deutsche Fachwerkstraße. Wissenschaftliche Untersuchungen ergaben: Kulturtouristen geben deutlich mehr aus, rd. 980,- Euro/Person/Reise, als Normal-Touristen. Der Reiseverkehr aus den Nachbarländer steigt, nicht zuletzt bedingt durch die exzellente touristische und kulturelle Infrastruktur.
  • Kooperation im Kulturtourismus intensivieren Vermarktungs- und Entwicklungskonzepte müssen den Bedürfnissen der Menschen hinsichtlich Alter, Bildung und Einkommen innerhalb der Vielfalt der deutschen Kulturlandschaft Rechnung tragen: Die Verbindung von Sehenswürdigkeiten, kulturellem, evtl. sportlichem Erlebnis + Erholung/Wellness ist in zahlreichen Bundesländern zu sog. Packages geschnürt zu buchen. Dennoch ließen sich die Verknüpfungen kultureller Einrichtungen mit touristischen Aktionen noch verbessern und intensivieren.
  • Marketing für Kulturen gewinnt an Bedeutung Die Deutsche Zentrale für Tourismus e.V. (DZT), Beethovenstr. 69, 60325 Frankfurt/M. 069/97464-0, Fax 069/751903, wirbt seit über 50 Jahren im Auftrag der Bundesregierung für das Reiseland Deutschland. Ihr professionelles Marketing im In und Ausland und ihre koordinierende Funktion zwischen den Marketingorganisationen der Bundesländer, den Tourismusverbänden und den Wirtschaftsunternehmen macht sie zu einem wichtigen Ansprechpartner für Ratsuchende. Im Mittelpunkt steht seit Jahren die Vermarktung des kulturellen Erbes, der Sehenswürdigkeiten und Events in Deutschland. Im Rahmen von sog. Themenjahren wirbt die DZT im Ausland für das Kulturland Deutschland: ,200 Jahre Rheinromantik' (2002), ,Musikland Deutschland' (2003/2004).
  • Unter www.germany-tourism.de findet man Weiteres für die Planungen, z. B. eine Broschüre mit ,Zahlen - Fakten - Daten' 2004. So sind bei der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) die Themen 2005 ,Polen', danach ,Ungarn' und ,China' anvisiert, in der DZT sind es Themenjahre und weitere Großevents.
    • 2005:
      • Erholung für die Familie sowie lebendige Stadt
      • 200. Todestag Friedrich Schillers
      • Weltjugendtag/Papstbesuch in Köln
      • Einweihung der Frauenkirche Dresden
    • 2006:
      • FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Deutschland
      • 250. Geburtstag von Wolfgang Amadeus Mozart
      • Ferienstraßen in Deutschland
    • 2007:
      • Kunst und Kulturland Deutschland
      • documenta 12 (Leiter Roger M. Buergel) Kassel
    • 2008:
      • Schlösser und Parks sowie Romantisches Deutschland
      • Stadtfeste in Deutschland: vom größten Schützenfest bis zum schönsten Weihnachtsmarkt;
    • 2009:
      • Deutschland mitten in Europa sowie Land der Regionen und Städte
      • 20 Jahre Fall der Mauer
    • 2010:
      • Kulturstädte Deutschlands
      • 200 Jahre Oktoberfest, München
      • 41. Oberammergauer Passionsspiele.
  • Diese Themen sollen vielfältige Möglichkeiten zur eigenen Präsentation bieten. Seit 2002 arbeitet die DZT mit der Österreich-Werbung in einer länderübergreifenden Kooperation beispielsweise bei der Vermarktung des UNESCO-Weltkulturerbes zusammen.

Im Anschluss an die Impuls-Referate wurde in zwei Podien diskutiert. Unter der Moderation von Johann W. Wagner, Tourismusdirektor in Lübeck, diskutierten: Kurt-Jürgen Zander, Oberbürgermeister von Köthen in Sachen-Anhalt; Klemens Unger, Kulturreferent der Stadt Regensburg; Dr. Gisela Volz, Volz-Reisen Omnibusunternehmen und Reisebüro Calw-Hirsau; sowie Dr. Klaus A. Dietsch, Pressesprecher Studiosus-Reisen, München.

Kurt-Jürgen Zander berichtete von den Vorzügen und Schwierigkeiten der Stadt Köthen, in der Johann Sebastian Bach von 1717 bis 1723 als Hofkapellmeister der Fürsten von Köthen gewirkt hat. Bei Amtsantritt wurde, so Zander, eine schonungslose Stärken-Schwächen-Analyse sowie die Klärung von Alleinstellungsmerkmalen vorgenommen. Ergebnis war eine Positiv-Liste mit folgenden Schwerpunkten: 1. der Musik- und Bildungstourismus/Johann Sebastian Bach, 2. Köthen als Mekka der Naturheilverfahren, die Stadt Samuel Hahnemanns, des Begründers der Homöopathie, mit Heilgarten, Kongressen zur Fortbildung und 3. eine unversehrte historische Altstadt aus einem Guss. Der Mangel an Größe solle durch Herzlichkeit und Gastfreundschaft gegenüber Besuchern ausgeglichen werden. Gerade Letzteres wurde von allen Referenten als besonders wichtig angesehen.

Gisela Volz beschrieb Deutschland als die ,Mitte Europas' mit einem enormen Fundus an europäischer Kultur- und Geistesgeschichte. Sie fächerte eine Reihe von Themen auf: Literatur (Auf den Spuren von ...), Musik (...-Festspiele), Malerei (Gabriele Münter und der Blaue Reiter ...), Architektur (Straße der Romantik, Bauhaus ...), Religionsgeschichte (Luther, Oberschwäbischer Barock) u. a. Es seien ihrer Erfahrung nach nicht nur die ,wissenshungrigen Bildungsbürger', die die Sehenswürdigkeiten ,vorgeführt' haben möchten, sondern es sollten Reisen und Besuche sein, die alle Sinne ansprechen. Man solle im Angebot einen Traum suggerieren, etwa ,zu Gast bei ...', ihn aber auch unbedingt einlösen. Sog. ,schwere Themen' sollten eingebettet sein in andere sinn- und genussreiche Angebote zum Hören und Schmecken, zum Riechen und Fühlen. Das setze eine ganzheitliche Konzeption voraus: Kultur+Natur+Gastronomie+,Wellness', etwa ,literarische Weinprobe ...', ,Bierbrauen im Kloster ...', ,Blick hinter die Kulissen ...'.

Die Anbieter-Struktur der rd. 6000 Busreiseveranstalter, deren Verbandsvorsitzende sie ist, sei mittelständisch geprägt, nicht mit Massenaufkommen planend, sondern mit Stammkunden. Die Anbieter plädierten gegenüber den Museen seit langem für mehr hilfreiche Hinweise, um Veranstaltungspakete zu ermöglichen. Praktische Dinge wie die Öffnung auch von 17-19 Uhr gehörten ebenso dazu wie die rechtzeitige Bekanntgabe von Themen der kommenden Jahre.

Klemens Unger ist seit 1999 Kulturreferent der Stadt Regensburg und passionierter Führer zu den Schönheiten seiner Stadt. Als Museumspädagoge lege er großes Augenmerk auf die Vermittlungsarbeit der einzelnen Häuser und eine Kulturvermittlung an alle Bürger, gleich welchen Alters und welcher Bildung, gleich ob Bildungsbürger oder bildungsinteressierte Feriengäste, ob Fremde oder heimische Besucher. Eines seiner Credos ist, die Neugier der Besucher aufzugreifen, und er strebe erfolgreich nach der Verbindung von ,Kunst und Kultur', was ganz praktische Handhabbarkeiten voraussetzt, wie weitergehende Öffnungszeiten, erleichterte Buchungs- und Orientierungsmöglichkeiten, ein vielfältiges, an Zielgruppen orientiertes Programm, auch das Inszenieren von ,Besuchen bei einer historischen Person' innerhalb von Stadtführungen beispielsweise. Die Variabilität von Angeboten, ähnlich einem Baukastensystem, biete gerade in und mit Schulen große Akzeptanz. Seine ungewöhnlichen Angebote, etwa ,Schüler öffnen ein Museum' samstags von 16 bis 20 Uhr, zeigten Erfolge.

Klaus A. Dietsch fragte nach Lust oder Last des Reisens und charakterisierte Studienreisen als den Inbegriff des Kulturtourismus. Seine Zahlen dazu verdeutlichten, dass rd. 7 Mio. Deutsche sich für ,Kulturtouristen' halten, rund 3 Mio. davon ,studienreisen-affin' sind, nur ein gutes Drittel davon (300.000) den ,harten Kern' bilden, der regelmäßig eine Studienreise bucht. Laut ,Reiseanalyse' wollen immer mehr Menschen in ihrem Urlaub etwas ,Sinnvolles' tun - wobei Städtereisen und Kultururlaube überdurchschnittliche Zuwächse verzeichnen; laut der Forschungsgruppe Tourismus (EMNID-Umfrage) dominiert das Interesse an den kulturellen und natürlichen Besonderheiten eines Reiseziels deutlich vor der Spaßorientierung (71 % zu 29 %), also Inhalte statt nur Sonne. Gerade die Billigflüge fördern neue Zielgebiete wie Städtereisen und Kurzurlaube. Dabei forderte auch Dietsch, wie seine Kollegen, intelligente Inszenierungen von Kultur - Klasse statt Masse bei der Wahl von Objekten.

In einer zweiten Runde stellte der Moderator Dieter Hütte, TMB Tourismus-Marketing Brandenburg, sein Aufgabenspektrum, "die Bedeutung des Kulturtourismus im Tourismusmarketing Potsdam", vor. Die 1000-jährige, wechselvolle Ge schichte der Stadt, Residenz- und Garnisonsstadt Preußens, Hof-, Militär- und Behördenstadt mit Schloss, Park, Holländerviertel, russischer Kolonie, französischer Kirche und italienischen Turmvillen, seit 1990 UNESCO-Weltkulturerbe, mit einer Vielzahl unterschiedlicher Veranstaltungen bis hin zu Besuchen des Filmparks Babelsberg - das alles ermögliche den Besuchern ein intensives Erleben von Historie. Kultur, so sein Credo, sei nicht ,nebenbei' zu konsumieren, sondern es bedürfe der intelligenten Präsentation in Erlebnispaketen.

Dieter Hütte stellte das zweite Podium vor: Kai Geiger, Inhaber u. Geschäftsführer Art-Cities in Europa GmbH; Horst Kubatschka, SPD-Bundestagsfraktion, AG Kultur und Medien; Norbert Tödter, Deutsche Zentrale für Tourismus; Bettina Probst, Konferenz Nationaler Kultureinrichtungen; Barbara Gessler, Leiterin der EU-Kommission, Bonn.

Aus 10-jähriger Praxis berichtete Kai Geiger über die Mühen, ein Netzwerk aus Kultur- und Tourismusdienstleistern zu schaffen und seine gelungene Plattform dieses Austausches mit www.artcities.com zu initiieren. Er selbst gebe keinen Reisekatalog mehr heraus, sondern informiere zeitnah im Internet, dazu erstelle er aus den zugesandten Informationen der Häuser/Museen etc. ein informatives Package. Die ihm angeschlossenen Einrichtungen zahlten einen Mitgliedsbeitrag für seinen Service, der sich zumeist erst nach zwei bis drei Jahren auszahle. So sei er Partner in Bremen bei der Van Gogh-Ausstellung der Bremer Kunsthalle gewesen. Nicht zuletzt aus dieser Erfahrung heraus rate er allen Veranstaltern, u. a. Preise mit dem Touristunternehmen zu kalkulieren, Konditionen, Optionen rechtzeitig abzusprechen, Termine mittelfristig zu planen und auch schon als Arbeitstitel anzugeben. Überdies empfehle er seinen Kunden, ihn auf die Tourismusbörsen zu begleiten, um selbst zu erfahren, wonach die Messebesucher immer wieder fragen, was für sie wichtig scheint und oft im Gegensatz zu dem steht, was in der Museumsleitung wichtig erscheint.

Bettina Probst informierte über das sog. Blaubuch, das, 2001 als Zusammenstellung der "kulturellen Leuchttürme" konzipiert, die Grundlage der Institute wurde, die zur ,Konferenz Nationaler Kultureinrichtungen' zusammengeschlossen worden waren.
Prof. Dr. Paul Raabe habe die 23 Mitgliedsinstitute evaluiert und sie im Bewusstsein der Politik und des öffentlichen Interesses verankert. Knapp 7 Mio. Besucher konnten diese Institute verzeichnen und böten damit ein sehr großes touristisches Potenzial. Das Besuchermarketing sei noch nicht optimiert und teile sich in zwei Bereiche, internationale Ausstellungsprojekte und 23 höchst unterschiedliche Kultureinrichtungen.
Die im ,Osten' liegenden Institute prägten den Zusammenschluss ganz maßgeblich. Der Bund fördere die Region seit 1991 mit über 2 Mrd. Euro. Das historische Erbe, die großartigen Naturlandschaften, seien Pfunde, mit denen sich noch stärker ,wuchern' ließe. Die UNESCO-Weltkulturerbestätten beispielsweise hätten Mühe, Besucher mit touristischen Angebotspaketen zu gewinnen. Die Verzahnung von Kultur, Wirtschaft und Politik, die zu tragfähigen Allianzen und damit zu Konzepten führen könnte, werde noch viel zu wenig genutzt. Den Instituten mangele es an Erfahrung, an Strukturen und Planungssicherheiten, letztlich an Geschäftssinn, während es den Tourismusbehörden oft an Phantasie, Kreativität und Weitblick fehle für Maßnahmen, die sehr nahe liegen. Diese Defizite könnten von keiner Seite allein behoben werden, was mit Welcome-City-Cards oder Regio-Cards u. ä. nicht allein zu bewältigen sei. Die ,Konferenz nationaler Kultureinrichtungen' setze auf verstärkten Austausch von Touristikern, Reiseveranstaltern und Behörden, die nicht nur auf den Verbund und deren Gemeinschaftsausstellungen reflektierten, sondern auch auf die einzelnen Einrichtungen - im Übrigen ein dem AsKI nicht unbekanntes Phänomen. In Workshops der Einrichtungen mit Tourismus-Gesellschaften auf Landes- und Bundesebene sollten diese Probleme gelöst werden, mittels inhaltsbezogener Produkte, etwa thematischer Reisebausteine und Rundreisen, Kunst, Natur, Musik mit Kulinarischem sowie Übernachtungen verschiedener Preisstaffelungen. Dabei sollten Zielgruppenspezifika sowie eine verstärkte Vertretung im Ausland verstärkt ins Auge gefasst werden.

Horst Kubatschka, u. a. stellvertretender Vorsitzender der Enquete-Kommission "Kultur in Deutschland" und Mitglied im Ausschuss für Kultur und Medien sowie im Kunstbeirat des Bundestages, verwies auf die relative Krisensicherheit der Kulturtourismusbranche.
In Zeiten der Globalisierung seien Identifikation und Tradition verstärkt gesucht. Bei rd. 1.250.000 registrierten Denkmälern sei Deutschland mit einem Marktanteil von 58 % das beliebteste Reiseziel der Deutschen. Er sehe in der Zusammenarbeit mit den Nachbarstaaten Wachstumspotentiale im Bereich Kulturtourismus. Die zur Zeit laufenden Vorbereitungen für die Kulturhauptstadt 2010, wo eine von zwei Kulturhauptstädten Europas aus Deutschland kommen wird und Potsdam eine der 17 deutschen Bewerber ist, seien ein Meilenstein dieser Entwicklung. Dies werbe zusätzliche touristische Standortfaktoren und Wachstumsmotoren für eine nachhaltige Weiterentwicklung nicht nur dieser Städte, sondern auch der Regionen ein, was wiederum die Kunst- und Naturschätze sichern helfe.

Zum Thema ,Kultur und Tourismus - Die Aktivitäten der europäischen Union' referierte Barbara Gessler (Leiterin EU-Kommission, Bonn) höchst aufschlussreich. Sie skizzierte mit einer Reihe von Zahlen den Kontext, denn nicht erst seit der EU-Erweiterung sei Tourismus der größte Konsumblock auf dem Weltreisemarkt (450 Mio. Einwohner). Die Pro-Kopf-Ausgaben zeigten: Der Tourismuskonsum betrage 12 %. 2 Mio. Unternehmen seien im touristischen Bereich mit 6 Mio. Angestellten in der Kernindustrie tätig, 18 Mio. hingegen im tourismusnahen Bereich. Die Erwartungen seien mit 3 % Steigerung des Wirtschaftswachstum durchaus positiv, was - so Frau Gessler - bis zu 3 Mio. zusätzliche Jobs bis 2010 bedeute. Besondere Aufmerksamkeit gelte dabei der Altersstruktur der Bevölkerung, da in den folgenden 20 Jahren die Gruppe der über 65-Jährigen rapide ansteigen werde. Reisegewohnt, würden sie dies auch weiterführen, stärker als die Generationen vor ihr. Neben den Herausforderungen durch die steigenden Touristenzahlen an Anpassung von Qualität und Quantität müssten die Ziele der europäischen Aktivitäten klar sein. So solle Tourismus nachhaltig lokale und regionale Wirtschaftsentwicklungen, eine größere Wettbewerbsfähig keit und eine bessere Ausnutzung des EU-Binnenmarktes bringen - dies sei ein Ergebnis der Analysen Stärken/Schwächen und Chancen/ Risiken.

Die Kommissionsphilosophie verbinde vier Elemente untrennbar voneinander für eine Politik in den Bereichen Wettbewerbsfähigkeit, Qualität, Nachhaltigkeit, Tourismusinteresse. Neben den rechtlichen und politischen Grundlagen und 15 Prinzipien der Arbeit im Tourismusbereich erläuterte Barbara Gessler den Bereich Kultur und Tourismus aus ihrer Sicht. So würden 30 % der europäischen Ziele aufgrund ihrer Sehenswürdigkeiten ausgewählt, was durchaus auf 45-50 % steigerungsfähig sei, wenn der Kulturbegriff auf Festivals etc. erweitert werden würde. Kulturelles Erbe, als Ausdruck von Identität, setze in der Praxis einen entsprechenden Bildungs- und Freizeitlevel voraus. Erste Grundlagen habe der Maastrichter Vertrag 1992 (Art.151) gelegt, er setze in der sog. Integrationsklausel auf kulturelle Zusammenarbeit. Daraus seien Strukturfonds erwachsen mit den Zielen: Intervenieren zugunsten des kulturellen Erbes und Tourismus, Integration von kulturellen touristischen Projekten in regionale und lokale Entwicklungsstrategien, Unterstützung von Mainstream-Programmen. Ein Bericht dazu liege seit dem Frühjahr 2004 vor und umfasse die Strukturfonds und Kultur-Förderperioden 1995-1999, in denen eine Übersicht über das Gesamtvolumen, über einzelne Projekte und eine Länderübersicht gegeben werde. Gessler stellte die Forschungsrahmenprogramme vor:
"Stadt von morgen" und "Kulturelles Erbe" ziele auf Schutz, Erhalt und Entwicklung historischen architektonischen Erbes und Zentren mit der Intention der nachhaltigen Stadtentwicklung zum ,Image prägenden Element' einer Stadt und zum Einfluss auf Wohnqualität.
Kultur 2000 - zunächst als Einzelprogramme wie Kaleidoscope, Adriane und Raphael umgesetzt, heute fortgeführt als Rahmenprogramm mit einem Volumen von 167 Mio. Euro verlängert bis 2006, aufgeteilt in: Schutz kulturellen Erbes (1/3 jährlich = 12-13 Mio. Euro), Kulturerbe-Preis, Kulturhauptstadt Europas, Europäischer Kulturmonat, MEDA: Euro-Mittelmeerraum-Partnerschaft etc. Im Anschluss an die Bremer AsKI-Fachtagung vom Mai 2003 in der Kunsthalle Bremen zum Thema ,Kultur und Sightseeing' bot diese Tagung Ansichten, Einsichten und Übersichten zu einem Themenkomplex, der weiter an Attraktivität und Wichtigkeit gewinnt.

Dr. Sabine Jung
Geschäftsführerin des AsKI


Im Zuge der Gestaltung neuer Service-Bereiche für die AsKI-Mitgliedsinstitute verweisen wir auf weitere Beiträge:
1. Die ausführlichen Ergebnisse des 8. Deutschen Verbändekongresses: Moderne Verbandsfinanzierung, Servicequalitäten, 21.+22.6.04, Bonn-Bad Godesberg
2. Der 11. Deutsche Fundraisingkongress 21.-23.04. 2004, Magdeburg
3. Diskussionspapier des Gesprächskreises Kultur der CDU, ,Kulturelle Bildung', Stand Juli 2004 vor dem Hintergrund der Ganztagsschulen-Diskussion und der Überlegungen, was AsKI-Institute, als außerschulische Lernorte, dazu beitragen könnten.

AsKI KULTURBERICHTE 2/2004

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