Klassik Stiftung Weimar / Schiller-Museum: Cranach in Weimar

Lucas Cranach d. J., Bildnis Lucas Cranachs d. Ä.  1550, Mischtechnik auf Holz; Galleria degli Uffizi, Florenz, Foto: Galleria degli Uffizi, Florenz

In Weimar werden Biografie, Werk und Wirkung beider Cranachs auf einzigartige Weise nachvollziehbar. Dies zu zeigen, hat sich die Ausstellung „Cranach in Weimar" der Klassik Stiftung Weimar im Schiller-Museum (3. April bis 14. Juni 2015) zum Ziel gemacht.

Bewusst widmet sich die Weimarer Ausstellung beiden Lucas Cranachs und nimmt das Gesamtwerk in den Blick. Nach wie vor ringt die Cranach-Forschung um Kriterien zur Abgrenzung und Unterscheidung der künstlerischen Handschriften von Vater und Sohn. Es bleibt abzuwarten, ob das Jubiläumsjahr Cranachs d. J. hier wesentliche neue Erkenntnisse hervorbringen wird. Denn ein Charakteristikum der Cranach'schen Arbeitsweise und ein wesentliches Erfolgsgeheimnis der Cranach-Werkstatt war es, Werke in einem wieder erkennbaren, einheitlichen Stil zu produzieren und einmal entwickelte Bildthemen über viele Jahrzehnte fortzuführen – unter Verzicht auf eine mögliche Vielfalt künstlerischer Ausdrucksweisen. Die Kontinuität des Cranach'schen Schaffens zeigt sich in Weimar besonders deutlich am Beispiel des Altarretabels der Stadtkirche St. Peter und Paul – einem der bedeutendsten Flügelaltäre der Reformation (vgl. Titelbild dieser Ausgabe von „KULTUR lebendig").

Auf der Mitteltafel befindet sich das berühmteste Porträt Lucas Cranachs d. Ä., lebensgroß zwischen Johannes dem Täufer und Martin Luther. Die Gesichtszüge Cranachs gleichen bis ins Detail dem einzigen eigenständigen und 1550 vollendeten Bildnis des 77-jährigen Künstlers, gemalt von seinem Sohn, das als Leihgabe der Uffizien in der Ausstellung zu sehen ist. Das würdevolle Porträt des betagten Hofmalers entstand sicherlich nicht zufällig im Jahr 1550, dem Jahr, das einen Wendepunkt im Leben Cranachs d. Ä. markierte: Nach beinahe fünf Jahrzehnten des Lebens und Arbeitens in Wittenberg folgte er der Bitte des entmachteten Kurfürsten von Sachsen, Johann Friedrich, ihm in die Gefangenschaft nachzukommen.

Bereits 1547, nach der Niederlage in der Schlacht bei Mühlberg, hatte Johann Friedrich seinen ehemaligen Hofmaler Cranach d. Ä. gebeten, ihm nachzureisen. Damals hatte sich der Künstler mit Krankheit entschuldigt. Dass er 1550 tatsächlich Johann Friedrich nach Augsburg folgte, hatte vermutlich weniger mit Loyalität und Freundschaft – wie eine der vielen Cranach-Legenden des 19. Jahrhunderts lautet – als mit praktischen Erwägungen zu tun. Durch die veränderten Machtverhältnisse hatte auch die Cranach-Werkstatt mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen. Cranach d. Ä. hatte seinen Status als Hofmaler mit festen Bezügen und einer sicheren Auftragslage verloren. Briefe belegen, dass sich Johann Friedrich von Cranach d. Ä. eine große Geldsumme geliehen hatte, um deren Rückgabe sich der Maler nun auch Sorgen machen musste. Schließlich befand sich Wittenberg und damit die Cranach-Werkstatt nicht mehr im Zentrum kursächsischer Macht, sondern, seitdem die Albertiner mit Hauptsitz in Dresden die Kurwürde erhalten hatten, am Rand des neuen Herrschaftsgebiets. All dies war vermutlich entscheidend für den Entschluss Cranachs d. Ä., die Leitung seiner erfolgreichen und überaus produktiven Werkstatt an seinen 34-jährigen Sohn, Lucas Cranach d. J. zu übergeben und nach Augsburg zu ziehen, wo er im Juli 1550 eintraf. Die ihm verbleibende Lebens- und Schaffenszeit war nur noch kurz, aber ereignisreich und produktiv: Im Hoflager Kaiser Karls V. begegneten ihm wichtige Persönlichkeiten wie der kaiserliche Hofmaler Tizian. Von Johann Friedrich erhielt er zahlreiche Aufträge für Werke, die als fürstliche Geschenke oder für die Ausstattung der verbliebenen ernestinischen Residenzen gedacht waren. Im September 1552 schließlich zog er mit seinem Dienstherrn in die neue Hauptresidenz Weimar, wo er am 16. Oktober 1553 als 81-jähriger verstarb und auf dem Jakobsfriedhof beigesetzt wurde. Berühmt wurde die Inschrift der steinernen Grabplatte, die ihn für seine Schnelligkeit und als Künstler rühmt, der von drei Kurfürsten und Herzögen von Sachsen geschätzt wurde.

Lucas Cranach d. Ä., Entwurf für einen Deckenleuchter, um 1530/40, Pinsel in Rußtusche über Kohlevorzeichnung,  Lavierung in Schwarz und Grau (Rußtusche), © Klassik Stiftung Weimar, Museen

Von der engen persönlichen wie beruflichen Bindung des alten Cranach an das ernestinische Fürstenhaus legt auch sein Porträt auf der Mitteltafel des Altarretabels der Stadtkirche Zeugnis ab. Für Aussage und Botschaft des Altargemäldes wurde Cranach d. Ä. von den ernestinischen Auftraggebern eine wichtige Rolle zugewiesen: als „Jedermann" und Zeitgenosse des Betrachters im 16. Jahrhundert, dem der erlösende Blutstrahl der Gnade zuteil wird. Innerhalb des Bildprogramms, das der ernestinischen Selbstbehauptung als Beschützer des „wahren" Glaubens dient, steht Cranach d. Ä. jedoch sicherlich auch für den Künstler, der mit seinen Werken maßgeblich dazu beigetragen hat, die lutherische Lehre im Bild zu verbreiten. Dem Motiv Gesetz und Gnade als Verbildlichung des Kernthemas der Erlösungstheologie Luthers kommt hier eine besondere Rolle zu. Die Entwicklung des Motivs in der Cranach-Werkstatt findet auf der Mitteltafel des Altars 1555 ihren monumentalen Höhepunkt. Zwei Jahre nach dem Tod Cranachs d. Ä. und fünf Jahre nach der Übernahme der Werkstattleitung trat Cranach d. J. in diesem repräsentativen Großauftrag den Beweis für hohe künstlerische Qualität und Kontinuität der Cranach-Produktion an.

Ausgehend von den Motiven und den Aussagen dieses bildkünstlerischen Hauptwerks der Reformation werden in der Ausstellung im Schiller-Museum in den drei großen Kapiteln „Werk und Künstler", „Glaube und Reformator" sowie „Botschaft und Auftraggeber" Themen entwickelt, die zum einen besondere Aspekte des Weimarer Bestandes an Cranach-Werken bilden und zum anderen intensive Einblicke in wesentliche Aufgaben und die Arbeit der Cranach-Werkstatt für den ernestinischen Hof gewähren.

Lucas Cranach d. Ä., Kreuzigung Christi, um 1502/03, Holzschnitt, reich koloriert, Aus Goethes Sammlungen, © Klassik Stiftung Weimar, MuseenDer Cranach-Bestand der Klassik Stiftung Weimar zeichnet sich durch eine beachtliche Sammlung von etwa 30 Gemälden aus, zu denen Hauptwerke sowohl Cranachs d. Ä., wie die Bildnisse von Johann Friedrich und Sibylle als Brautpaar von 1526, als auch Cranachs d. J., so das Porträt Gregor Brücks von 1557, zählen. Außergewöhnlich qualitätvoll und thematisch breit gefächert ist der Bestand an Druckgrafik, der von einer expressiven Kreuzigungsdarstellung im Holzschnitt aus der frühen Wiener Zeit Cranachs d. Ä. über das Kupferstich-Unikat „Martin Luther als Augustinermönch" im zweiten Zustand bis zum kolorierten Wappenholzschnitt Johann Friedrichs I. von Sachsen reicht, dem einzigen bisher bekannten Exemplar dieser besonderen Form der Gebrauchsgrafik. Herausragend ist auch eine Gruppe von Zeichnungen, deren Bedeutung sich besonders im Kontext der Ausstellung erschließt. Bisher kaum wahrgenommen wurde etwa die im Cranach-Werk einzigartige, virtuose Zeichnung eines Deckenleuchters im beeindruckenden 1:1-Format mit „Christus als Sieger über Tod und Teufel" als Bekrönung.

Anhand der umfangreichen Cranach-Bestände der Klassik Stiftung Weimar und einigen herausragenden, thematisch ergänzenden Leihgaben aus renommierten Museen, etwa aus dem Kunsthistorischen Museum in Wien oder dem Prado in Madrid, wird das Cranach'sche Œuvre an der Zeitenwende zwischen Mittelalter und Neuzeit erfahrbar. Von der Strahlkraft der Cranach-Werke bis in die Moderne legen thematische Exkurse Zeugnis ab. So wird erstmals die Wiederentdeckung der Cranach'schen Werke im Umfeld Goethes und die anschließende Cranach-Rezeption sowie der Umgang mit den Cranach-Werken in Weimar zu verschiedenen Zeiten untersucht. Dies ermöglicht reizvolle Blicke und bisher unbekannte Bezüge, zum Beispiel zwischen Künstlern des Bauhauses und den Werken der Cranachs.

Karin Kolb

Klassik Stiftung Weimar / Schiller-Museum

Cranach in Weimar
Sonderausstellung 3. April bis 14. Juni 2015

 AsKI KULTUR lebendig 1/2015

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