Klassik Stiftung Weimar: Malerpoet

J. H. W. Tischbein, Rat der Tiere (zu Reineke Fuchs), Aquarell über schwarzer Kreide, © Foto: Klassik Stiftung Weimar

Zeitgenossen nannten J. H. W. Tischbein den "Malerpoeten" oder den "Dichter mit der Palette".

Tatsächlich hat Tischbein wie selten ein bildender Künstler im Spannungsfeld von Bild und Wort gearbeitet. Dichtung und zeichnerische Serien sind miteinander verschränkt, werden zu unverwechselbaren, überraschenden Kunstwerken. Zahlreiche seiner Werke wurden von Anfang an als "Pendants" für literarische Texte konzipiert - doch handelt es sich nicht um Illustrationen im gängigen Sinne. Zumeist präsentieren sich seine Arbeiten als aquarellierte oder mit Deckfarben übermalte Federzeichnungen, die häufig sorgfältig koloriert wurden.

Auffallend ist, dass derartige Blätter fast nie als Einzelbilder, sondern als Teile einer Suite entstanden. In Einzelfällen wurden die Kompositionen auch als Ölgemälde ausgeführt - so bei "Reineke Fuchs", bei der "Gänsegeschichte" und früh - schon in den 1790er Jahren in Neapel - bei der "Eselsgeschichte". Bemühungen um druckgraphische Reproduktionen, möglichst in Verbindung mit zugehörigen Texten, kamen häufig über fragmentarische Anfänge nicht hinaus. Eine Ausnahme bildet die Serie der Radierungen zu den "Anakreontischen Gedichten".

Tischbein befand sich mit seinen literarischen Neigungen im Einklang mit zahlreichen anderen bildenden Künstlern des Klassizismus, doch reichten seine Ambitionen über das vom Zeitstil bedingte Maß weit hinaus. Einigen Bildern fügte er eigene Texte bei. Viele Arbeiten entstanden jedoch aus dem Wunsch heraus, dass Dichter oder andere literarisch ausgewiesene Persönlichkeiten seine Bilder mit Worten vollenden sollten. Bekannt wurde in diesem Zusammenhang vor allem das mit Goethe gemeinsam geplante "Idyllen"-Projekt, das 1786 in Rom entwickelt, 1819/20 schließlich als Gemäldezyklus für das Schloß zu Oldenburg verwirklicht wurde. Die Übersendung zugehöriger Zeichnungen im Jahr 1821 regte Goethe zu seiner Dichtung "Wilhelm Tischbeins Idyllen" an. "Reineke Fuchs" bot Tischbein eine weitere Möglichkeit, ausgehend von Goethes Dichtung bildnerisch produktive Exkursionen in die physiognomisch reizvollen Welten der Tierfabel zu wagen.

Das künstlerische Spiel mit Bild und Wort interessierte nicht allein Goethe. Dichter wie Friedrich Gottlieb Klopstock, Friedrich de la Motte-Fouqué waren genauso angetan wie auch der junge Philosoph Arthur Schopenhauer, der Tischbein´sche Kompositionen in seinen philosophischen Werken erörterte und deutete. Der junge Maler Philipp Otto Runge, einer der bedeutendsten Romantiker seiner Generation, äußerte sich gegenüber dem Dichter Achim von Arnim gleichfalls sehr empfehlend über derartige Schöpfungen. Vom 14. September bis 19. November 2006 zeigt die Casa di Goethe in Rom die Ausstellung der Klassik Stiftung Weimar "Johann Heinrich Wilhelm Tischbein. Der Maler als Poet".

Hermann Mildenberger

 

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